Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.§. 91. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.) ganz Gewöhnliches und allgemein Bekanntes (h), so daßnach seinem Ausdruck die Ungültigkeit solcher Freylassungen unmöglich angenommen werden kann. Diese scheinbar wi- dersprechende Zeugnisse sind nur auf folgende Weise zu vereinigen. Die Freilassung durch vindicta war eine legis actio, die Jeder nur in eigener Person, nicht durch Stell- vertreter, vornehmen konnte (i). Dazu war eine juristische Person unfähig, und daher konnten ihre Freygelassenen in früherer Zeit nur den faktischen Besitz der Freyheit, seit der Lex Junia nur die Latinität erwerben. Von diesem unvollkommenen Zustand der Manumission ist die Stelle des Varro zu verstehen. Die Gesetze des Trajan und sei- ner Nachfolger gestatteten den juristischen Personen, ab- weichend von dem alten jus civile, ihren Sklaven die volle Freyheit mit Civität zu geben (k). -- Auch bey diesem Patronatsrecht bewährt sich die Regel, daß die einzelnen Mitglieder einer Corporation keinen Theil daran haben. So z. B. hatte der Freygelassene einer Stadtgemeinde gegen die einzelnen Bürger keinesweges Rücksichten unterwürfiger Ehrfurcht, wie gegen einen Patron, zu beobachten (l). (h) Varro de lingua lat. Lib. 8 C. 41 (s. o. § 88. cc.) (i) L. 123 pr. de R. J. (50. 17.). L. 3 C. de vindicta (7. 1.) (k) L. 3 C. de servis reip. (7. 9.) ".. Si itaque secundum legem vectibulici .... manumis- sus, civitatem Romanam con- secutus es" etc. L. 2 eod. -- Diese Vereinigung der angeführten Stellen findet sich schon bey Bach Trajanus p. 156. -- Als positire Form, anstatt der stets unmögli- chen vindicta, wurde nun in den Provinzialstädten vorgeschrieben der Beschluß des Stadtsenats und die Genehmigung des Präses der Povinz. L. 1. 2 C. de servis reip. (7. 9.). (l) L. 10 § 4 de in j. voc. (2. 4.).
§. 91. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.) ganz Gewoͤhnliches und allgemein Bekanntes (h), ſo daßnach ſeinem Ausdruck die Ungültigkeit ſolcher Freylaſſungen unmöglich angenommen werden kann. Dieſe ſcheinbar wi- derſprechende Zeugniſſe ſind nur auf folgende Weiſe zu vereinigen. Die Freilaſſung durch vindicta war eine legis actio, die Jeder nur in eigener Perſon, nicht durch Stell- vertreter, vornehmen konnte (i). Dazu war eine juriſtiſche Perſon unfähig, und daher konnten ihre Freygelaſſenen in früherer Zeit nur den faktiſchen Beſitz der Freyheit, ſeit der Lex Junia nur die Latinität erwerben. Von dieſem unvollkommenen Zuſtand der Manumiſſion iſt die Stelle des Varro zu verſtehen. Die Geſetze des Trajan und ſei- ner Nachfolger geſtatteten den juriſtiſchen Perſonen, ab- weichend von dem alten jus civile, ihren Sklaven die volle Freyheit mit Civität zu geben (k). — Auch bey dieſem Patronatsrecht bewährt ſich die Regel, daß die einzelnen Mitglieder einer Corporation keinen Theil daran haben. So z. B. hatte der Freygelaſſene einer Stadtgemeinde gegen die einzelnen Bürger keinesweges Rückſichten unterwürfiger Ehrfurcht, wie gegen einen Patron, zu beobachten (l). (h) Varro de lingua lat. Lib. 8 C. 41 (ſ. o. § 88. cc.) (i) L. 123 pr. de R. J. (50. 17.). L. 3 C. de vindicta (7. 1.) (k) L. 3 C. de servis reip. (7. 9.) „.. Si itaque secundum legem vectibulici .... manumis- sus, civitatem Romanam con- secutus es” etc. L. 2 eod. — Dieſe Vereinigung der angeführten Stellen findet ſich ſchon bey Bach Trajanus p. 156. — Als poſitire Form, anſtatt der ſtets unmögli- chen vindicta, wurde nun in den Provinzialſtädten vorgeſchrieben der Beſchluß des Stadtſenats und die Genehmigung des Präſes der Povinz. L. 1. 2 C. de servis reip. (7. 9.). (l) L. 10 § 4 de in j. voc. (2. 4.).
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§. 91. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
ganz Gewoͤhnliches und allgemein Bekanntes (h), ſo daß
nach ſeinem Ausdruck die Ungültigkeit ſolcher Freylaſſungen
unmöglich angenommen werden kann. Dieſe ſcheinbar wi-
derſprechende Zeugniſſe ſind nur auf folgende Weiſe zu
vereinigen. Die Freilaſſung durch vindicta war eine legis
actio, die Jeder nur in eigener Perſon, nicht durch Stell-
vertreter, vornehmen konnte (i). Dazu war eine juriſtiſche
Perſon unfähig, und daher konnten ihre Freygelaſſenen in
früherer Zeit nur den faktiſchen Beſitz der Freyheit, ſeit
der Lex Junia nur die Latinität erwerben. Von dieſem
unvollkommenen Zuſtand der Manumiſſion iſt die Stelle
des Varro zu verſtehen. Die Geſetze des Trajan und ſei-
ner Nachfolger geſtatteten den juriſtiſchen Perſonen, ab-
weichend von dem alten jus civile, ihren Sklaven die volle
Freyheit mit Civität zu geben (k). — Auch bey dieſem
Patronatsrecht bewährt ſich die Regel, daß die einzelnen
Mitglieder einer Corporation keinen Theil daran haben.
So z. B. hatte der Freygelaſſene einer Stadtgemeinde gegen
die einzelnen Bürger keinesweges Rückſichten unterwürfiger
Ehrfurcht, wie gegen einen Patron, zu beobachten (l).
(h) Varro de lingua lat. Lib. 8
C. 41 (ſ. o. § 88. cc.)
(i) L. 123 pr. de R. J. (50. 17.).
L. 3 C. de vindicta (7. 1.)
(k) L. 3 C. de servis reip.
(7. 9.) „.. Si itaque secundum
legem vectibulici .... manumis-
sus, civitatem Romanam con-
secutus es” etc. L. 2 eod. —
Dieſe Vereinigung der angeführten
Stellen findet ſich ſchon bey Bach
Trajanus p. 156. — Als poſitire
Form, anſtatt der ſtets unmögli-
chen vindicta, wurde nun in den
Provinzialſtädten vorgeſchrieben
der Beſchluß des Stadtſenats und
die Genehmigung des Präſes der
Povinz. L. 1. 2 C. de servis reip.
(7. 9.).
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