Die Institute des Erbrechts sind bey den juristischen Personen weit später anerkannt worden, als die des übri- gen Vermögensrechts, und dieser Unterschied hat seinen Grund in der allgemeinen Natur des Erbrechts selbst, ver- glichen mit dem Wesen der juristischen Personen. Für jeden Inhaber eines Vermögens sind die Regeln, nach welchen er beerbt wird, höchst wichtig und wesentlich, weil nur die Rücksicht auf künftige Erben der Sammlung eines Vermögens bleibenden Reiz zu geben vermag; juristische Personen aber werden nicht beerbt, weil sie nicht sterben. Umgekehrt ist der Erwerb durch die Beerbung eines An- dern, mit Ausnahme der nächsten Verwandten (die aber für juristische Personen nicht vorhanden sind), etwas so Zufälliges und Unberechenbares, daß für den freyen und mannichfaltigen Verkehr im Vermögen ein dringendes Be- dürfniß dazu nicht behauptet werden kann, und daß eine Lücke in demselben nicht vorhanden ist, wenn auch für jene Erwerbungen keine Anstalten getroffen seyn sollten. Da nun juristische Personen überhaupt nur die Bestimmung haben, in den lebendigen Vermögensverkehr, den natürli- chen Personen gleich, einzugreifen (§ 85), so ist es ganz erklärlich, wenn das Recht derselben im Allgemeinen längst
Die Inſtitute des Erbrechts ſind bey den juriſtiſchen Perſonen weit ſpäter anerkannt worden, als die des übri- gen Vermögensrechts, und dieſer Unterſchied hat ſeinen Grund in der allgemeinen Natur des Erbrechts ſelbſt, ver- glichen mit dem Weſen der juriſtiſchen Perſonen. Für jeden Inhaber eines Vermoͤgens ſind die Regeln, nach welchen er beerbt wird, höchſt wichtig und weſentlich, weil nur die Rückſicht auf künftige Erben der Sammlung eines Vermoͤgens bleibenden Reiz zu geben vermag; juriſtiſche Perſonen aber werden nicht beerbt, weil ſie nicht ſterben. Umgekehrt iſt der Erwerb durch die Beerbung eines An- dern, mit Ausnahme der nächſten Verwandten (die aber für juriſtiſche Perſonen nicht vorhanden ſind), etwas ſo Zufälliges und Unberechenbares, daß für den freyen und mannichfaltigen Verkehr im Vermoͤgen ein dringendes Be- dürfniß dazu nicht behauptet werden kann, und daß eine Lücke in demſelben nicht vorhanden iſt, wenn auch für jene Erwerbungen keine Anſtalten getroffen ſeyn ſollten. Da nun juriſtiſche Perſonen überhaupt nur die Beſtimmung haben, in den lebendigen Vermögensverkehr, den natürli- chen Perſonen gleich, einzugreifen (§ 85), ſo iſt es ganz erklärlich, wenn das Recht derſelben im Allgemeinen längſt
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§. 93. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
§. 93.
Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
V. Erbrecht.
Die Inſtitute des Erbrechts ſind bey den juriſtiſchen
Perſonen weit ſpäter anerkannt worden, als die des übri-
gen Vermögensrechts, und dieſer Unterſchied hat ſeinen
Grund in der allgemeinen Natur des Erbrechts ſelbſt, ver-
glichen mit dem Weſen der juriſtiſchen Perſonen. Für
jeden Inhaber eines Vermoͤgens ſind die Regeln, nach
welchen er beerbt wird, höchſt wichtig und weſentlich, weil
nur die Rückſicht auf künftige Erben der Sammlung eines
Vermoͤgens bleibenden Reiz zu geben vermag; juriſtiſche
Perſonen aber werden nicht beerbt, weil ſie nicht ſterben.
Umgekehrt iſt der Erwerb durch die Beerbung eines An-
dern, mit Ausnahme der nächſten Verwandten (die aber
für juriſtiſche Perſonen nicht vorhanden ſind), etwas ſo
Zufälliges und Unberechenbares, daß für den freyen und
mannichfaltigen Verkehr im Vermoͤgen ein dringendes Be-
dürfniß dazu nicht behauptet werden kann, und daß eine
Lücke in demſelben nicht vorhanden iſt, wenn auch für jene
Erwerbungen keine Anſtalten getroffen ſeyn ſollten. Da
nun juriſtiſche Perſonen überhaupt nur die Beſtimmung
haben, in den lebendigen Vermögensverkehr, den natürli-
chen Perſonen gleich, einzugreifen (§ 85), ſo iſt es ganz
erklärlich, wenn das Recht derſelben im Allgemeinen längſt
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 299. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/313>, abgerufen am 21.11.2024.
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