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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.

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§. 93. Juristische Personen. Rechte. (Fortsetzung.)
für Stadtgemeinden, um so mehr also für andere juristi-
sche Personen unmöglich. Der Grund dieser Unmöglichkeit
wird von Ulpian darin gesetzt, daß die Erwerbung der
Erbschaft nur durch persönliches Wollen und Handeln des
Erben möglich sey, welches bey der juristischen Person,
die nicht als menschliches Individuum, sondern nur als
eine juristische Fiction existire, nicht vorkommen könne (b).

(b) Plinius epist. V. 7. "Nec
heredem institui nec praecipere
posse rempublicam constat."
--
Besonders aber Ulpian. XXII. § 5.
"Nec municipia, nec municipes
heredes institui possunt: quo-
niam incertum corpus est, ut
neque cernere universi, neque
pro herede gerere possint, ut
heredes fiant."
Über die Worte
Nec municipia nec municipes
s. oben § 87. c. Die folgenden
Worte sind so zu verstehen: Sollte
eine Stadtgemeinde eine heredi-
tas
erwerben, so müßte das ent-
weder durch Vertretung gesche-
hen, oder durch eigene Hand-
lung; Vertretung aber ist bey
dem Erwerb einer hereditas über-
haupt nicht zulassig, selbst nicht
durch einen Tutor (L. 65 § 3 ad
Sc. Treb.
36. 1., L 5 C. de j. de-
lib.
6. 30); eigenes Handeln aber
ist für eine Stadt unmöglich, weil
sie überhaurt nur eine fingirte
oder ideale Existenz hat, also nicht
die natürliche Handlungsfähigkeit
eines Menschen (quoniam incer-
tum corpus est
), so daß die zum
Erwerb der hereditas nöthigen
Handlungen (cernere oder ge-
rere
) von ihr als einer solchen
idealen Einheit (universi) nicht
vollbracht werden können. (Über
diese Erklärung des universi vgl.
§ 90. § 91. t und unten Note h).
-- Gewöhnlich versteht man das
incertum corpus von einer in-
certa persona,
und das neque
.. universi .. possint
von der Un-
möglichkeit, alle Bürger zu einem
solchen Zweck zusammen zu brin-
gen. Diese Erklärung aber ist
aus folgenden Gründen zu ver-
werfen. Erstlich würde Ulpian
dann zwey Gründe als identisch
behandeln, die doch in der That
ganz verschieden wären. Zwey-
tens ist es nicht richtig, Corpo-
rationen als incertae personae
anzusehen (s u. Note q). Drit-
tens ist auch die Unmöglichkeit,
alle einzelne Bürger zu einer sol-
chen Handlung zusammen zu brin-
gen, bey einer Stadt von mäßi-
gem Umfang gar nicht vorhan-
den, und bey einer bedeutenden
Erbschaft würden sie leicht Alle
erscheinen, ohne daß auch nur
Einer fehlte.

§. 93. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.)
für Stadtgemeinden, um ſo mehr alſo für andere juriſti-
ſche Perſonen unmöglich. Der Grund dieſer Unmöglichkeit
wird von Ulpian darin geſetzt, daß die Erwerbung der
Erbſchaft nur durch perſönliches Wollen und Handeln des
Erben moͤglich ſey, welches bey der juriſtiſchen Perſon,
die nicht als menſchliches Individuum, ſondern nur als
eine juriſtiſche Fiction exiſtire, nicht vorkommen könne (b).

(b) Plinius epist. V. 7. „Nec
heredem institui nec praecipere
posse rempublicam constat.“

Beſonders aber Ulpian. XXII. § 5.
„Nec municipia, nec municipes
heredes institui possunt: quo-
niam incertum corpus est, ut
neque cernere universi, neque
pro herede gerere possint, ut
heredes fiant.“
Über die Worte
Nec municipia nec municipes
ſ. oben § 87. c. Die folgenden
Worte ſind ſo zu verſtehen: Sollte
eine Stadtgemeinde eine heredi-
tas
erwerben, ſo müßte das ent-
weder durch Vertretung geſche-
hen, oder durch eigene Hand-
lung; Vertretung aber iſt bey
dem Erwerb einer hereditas über-
haupt nicht zulaſſig, ſelbſt nicht
durch einen Tutor (L. 65 § 3 ad
Sc. Treb.
36. 1., L 5 C. de j. de-
lib.
6. 30); eigenes Handeln aber
iſt für eine Stadt unmöglich, weil
ſie überhaurt nur eine fingirte
oder ideale Exiſtenz hat, alſo nicht
die natürliche Handlungsfähigkeit
eines Menſchen (quoniam incer-
tum corpus est
), ſo daß die zum
Erwerb der hereditas nöthigen
Handlungen (cernere oder ge-
rere
) von ihr als einer ſolchen
idealen Einheit (universi) nicht
vollbracht werden können. (Über
dieſe Erklärung des universi vgl.
§ 90. § 91. t und unten Note h).
— Gewöhnlich verſteht man das
incertum corpus von einer in-
certa persona,
und das neque
.. universi .. possint
von der Un-
möglichkeit, alle Bürger zu einem
ſolchen Zweck zuſammen zu brin-
gen. Dieſe Erklärung aber iſt
aus folgenden Gründen zu ver-
werfen. Erſtlich würde Ulpian
dann zwey Gründe als identiſch
behandeln, die doch in der That
ganz verſchieden wären. Zwey-
tens iſt es nicht richtig, Corpo-
rationen als incertae personae
anzuſehen (ſ u. Note q). Drit-
tens iſt auch die Unmöglichkeit,
alle einzelne Bürger zu einer ſol-
chen Handlung zuſammen zu brin-
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[301/0315] §. 93. Juriſtiſche Perſonen. Rechte. (Fortſetzung.) für Stadtgemeinden, um ſo mehr alſo für andere juriſti- ſche Perſonen unmöglich. Der Grund dieſer Unmöglichkeit wird von Ulpian darin geſetzt, daß die Erwerbung der Erbſchaft nur durch perſönliches Wollen und Handeln des Erben moͤglich ſey, welches bey der juriſtiſchen Perſon, die nicht als menſchliches Individuum, ſondern nur als eine juriſtiſche Fiction exiſtire, nicht vorkommen könne (b). (b) Plinius epist. V. 7. „Nec heredem institui nec praecipere posse rempublicam constat.“ — Beſonders aber Ulpian. XXII. § 5. „Nec municipia, nec municipes heredes institui possunt: quo- niam incertum corpus est, ut neque cernere universi, neque pro herede gerere possint, ut heredes fiant.“ Über die Worte Nec municipia nec municipes ſ. oben § 87. c. Die folgenden Worte ſind ſo zu verſtehen: Sollte eine Stadtgemeinde eine heredi- tas erwerben, ſo müßte das ent- weder durch Vertretung geſche- hen, oder durch eigene Hand- lung; Vertretung aber iſt bey dem Erwerb einer hereditas über- haupt nicht zulaſſig, ſelbſt nicht durch einen Tutor (L. 65 § 3 ad Sc. Treb. 36. 1., L 5 C. de j. de- lib. 6. 30); eigenes Handeln aber iſt für eine Stadt unmöglich, weil ſie überhaurt nur eine fingirte oder ideale Exiſtenz hat, alſo nicht die natürliche Handlungsfähigkeit eines Menſchen (quoniam incer- tum corpus est), ſo daß die zum Erwerb der hereditas nöthigen Handlungen (cernere oder ge- rere) von ihr als einer ſolchen idealen Einheit (universi) nicht vollbracht werden können. (Über dieſe Erklärung des universi vgl. § 90. § 91. t und unten Note h). — Gewöhnlich verſteht man das incertum corpus von einer in- certa persona, und das neque .. universi .. possint von der Un- möglichkeit, alle Bürger zu einem ſolchen Zweck zuſammen zu brin- gen. Dieſe Erklärung aber iſt aus folgenden Gründen zu ver- werfen. Erſtlich würde Ulpian dann zwey Gründe als identiſch behandeln, die doch in der That ganz verſchieden wären. Zwey- tens iſt es nicht richtig, Corpo- rationen als incertae personae anzuſehen (ſ u. Note q). Drit- tens iſt auch die Unmöglichkeit, alle einzelne Bürger zu einer ſol- chen Handlung zuſammen zu brin- gen, bey einer Stadt von mäßi- gem Umfang gar nicht vorhan- den, und bey einer bedeutenden Erbſchaft würden ſie leicht Alle erſcheinen, ohne daß auch nur Einer fehlte.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/315>, abgerufen am 21.11.2024.