Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. II. Personen. dung auf solche, mit ausgebildeten Verfassungen verse-hene, Corporationen ganz ausschließen, und nur für die übrigen Corporationen aufstellen müssen. Für diese Un- terscheidung hatte man sogar gangbare Kunstausdrücke in Bereitschaft, universitas ordinata und inordinata (§ 86); allein man machte davon keinen Gebrauch, begnügte sich sie anzugeben, und stellte dennoch den Grundsatz der All- macht der einzelnen Mitglieder, als einen für alle Corpo- rationen allgemein gültigen, daneben. -- Diese Anwen- dung der unrichtigen Grundansicht war übrigens am we- nigsten dazu geeignet, in das wirkliche Leben überzuge- hen, und so die Praxis zu verderben, weil die hier vor- ausgesetzten ausgebildeten Verfassungen durch ihre innere Lebenskraft einen natürlichen und wirksamen Widerstand leisten mußten; anders war es bey den nachfolgenden An- wendungen, welche in das Leben einzuführen schon die bloße Meynung der Gerichte (unter dem Einfluß einer irri- gen Theorie) völlig hinreichend war. Der zweyte Gegensatz, der durch jene Lehre vernach- Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen. dung auf ſolche, mit ausgebildeten Verfaſſungen verſe-hene, Corporationen ganz ausſchließen, und nur für die übrigen Corporationen aufſtellen müſſen. Für dieſe Un- terſcheidung hatte man ſogar gangbare Kunſtausdrücke in Bereitſchaft, universitas ordinata und inordinata (§ 86); allein man machte davon keinen Gebrauch, begnügte ſich ſie anzugeben, und ſtellte dennoch den Grundſatz der All- macht der einzelnen Mitglieder, als einen für alle Corpo- rationen allgemein gültigen, daneben. — Dieſe Anwen- dung der unrichtigen Grundanſicht war übrigens am we- nigſten dazu geeignet, in das wirkliche Leben überzuge- hen, und ſo die Praxis zu verderben, weil die hier vor- ausgeſetzten ausgebildeten Verfaſſungen durch ihre innere Lebenskraft einen natürlichen und wirkſamen Widerſtand leiſten mußten; anders war es bey den nachfolgenden An- wendungen, welche in das Leben einzuführen ſchon die bloße Meynung der Gerichte (unter dem Einfluß einer irri- gen Theorie) völlig hinreichend war. Der zweyte Gegenſatz, der durch jene Lehre vernach- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0348" n="334"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">II.</hi> Perſonen.</fw><lb/> dung auf ſolche, mit ausgebildeten Verfaſſungen verſe-<lb/> hene, Corporationen ganz ausſchließen, und nur für die<lb/> übrigen Corporationen aufſtellen müſſen. Für dieſe Un-<lb/> terſcheidung hatte man ſogar gangbare Kunſtausdrücke in<lb/> Bereitſchaft, <hi rendition="#aq">universitas ordinata</hi> und <hi rendition="#aq">inordinata</hi> (§ 86);<lb/> allein man machte davon keinen Gebrauch, begnügte ſich<lb/> ſie anzugeben, und ſtellte dennoch den Grundſatz der All-<lb/> macht der einzelnen Mitglieder, als einen für alle Corpo-<lb/> rationen allgemein gültigen, daneben. — Dieſe Anwen-<lb/> dung der unrichtigen Grundanſicht war übrigens am we-<lb/> nigſten dazu geeignet, in das wirkliche Leben überzuge-<lb/> hen, und ſo die Praxis zu verderben, weil die hier vor-<lb/> ausgeſetzten ausgebildeten Verfaſſungen durch ihre innere<lb/> Lebenskraft einen natürlichen und wirkſamen Widerſtand<lb/> leiſten mußten; anders war es bey den nachfolgenden An-<lb/> wendungen, welche in das Leben einzuführen ſchon die<lb/> bloße Meynung der Gerichte (unter dem Einfluß einer irri-<lb/> gen Theorie) völlig hinreichend war.</p><lb/> <p>Der zweyte Gegenſatz, der durch jene Lehre vernach-<lb/> läſſigt, ja ganz ignorirt wird, iſt der Gegenſatz von Mit-<lb/> gliedern überhaupt, und von Mitgliedern verſchiedener,<lb/> ungleich berechtigter Klaſſen. In einem großen Theil von<lb/> Deutſchland finden ſich in den Dorfgemeinden Vollbauern<lb/> und Halbbauern, neben den Bauern auch Koſſäthen und<lb/> Häusler. Dieſe wichtigen Unterſchiede, deren Einfluß auf<lb/> die Ermittlung des Willens der Corporation ſo natürlich<lb/> iſt, müſſen völlig verſchwinden, ſobald durch einen allge-<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [334/0348]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
dung auf ſolche, mit ausgebildeten Verfaſſungen verſe-
hene, Corporationen ganz ausſchließen, und nur für die
übrigen Corporationen aufſtellen müſſen. Für dieſe Un-
terſcheidung hatte man ſogar gangbare Kunſtausdrücke in
Bereitſchaft, universitas ordinata und inordinata (§ 86);
allein man machte davon keinen Gebrauch, begnügte ſich
ſie anzugeben, und ſtellte dennoch den Grundſatz der All-
macht der einzelnen Mitglieder, als einen für alle Corpo-
rationen allgemein gültigen, daneben. — Dieſe Anwen-
dung der unrichtigen Grundanſicht war übrigens am we-
nigſten dazu geeignet, in das wirkliche Leben überzuge-
hen, und ſo die Praxis zu verderben, weil die hier vor-
ausgeſetzten ausgebildeten Verfaſſungen durch ihre innere
Lebenskraft einen natürlichen und wirkſamen Widerſtand
leiſten mußten; anders war es bey den nachfolgenden An-
wendungen, welche in das Leben einzuführen ſchon die
bloße Meynung der Gerichte (unter dem Einfluß einer irri-
gen Theorie) völlig hinreichend war.
Der zweyte Gegenſatz, der durch jene Lehre vernach-
läſſigt, ja ganz ignorirt wird, iſt der Gegenſatz von Mit-
gliedern überhaupt, und von Mitgliedern verſchiedener,
ungleich berechtigter Klaſſen. In einem großen Theil von
Deutſchland finden ſich in den Dorfgemeinden Vollbauern
und Halbbauern, neben den Bauern auch Koſſäthen und
Häusler. Dieſe wichtigen Unterſchiede, deren Einfluß auf
die Ermittlung des Willens der Corporation ſo natürlich
iſt, müſſen völlig verſchwinden, ſobald durch einen allge-
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