keit jedes einzelnen Menschen bestimmt wird; in dieser Beziehung stehen sie ganz allein, und kein anderer Unter- schied kann mit ihnen verglichen werden.
Diese Lehre hat ihren Ursprung in der ältesten Zeit des Römischen Rechts, und wenngleich auch sie im Lauf der Jahrhunderte manche Umbildung erfahren hat, so hat sie sich dennoch in ihren Grundzügen dergestalt erhalten, daß wir sie selbst in das neueste Recht nach allen Seiten hin verwebt finden. Auch für uns ist eine genaue Ein- sicht in dieselbe wichtig, ja unentbehrlich. Nicht als ob noch Vieles aus derselben unmittelbar angewendet werden könnte, sondern aus Zwey anderen, in einander greifen- den, Gründen. Die Quellen des Römischen Rechts sind nämlich durchaus nur Demjenigen verständlich, der sich jene Lehre in ihrer vollständigen Ausbildung so angeeignet hat, daß ihm bey jeder Stelle des Römischen Rechts die Beziehungen derselben auf jene alte Lehre (wo solche vor- kommen) von selbst vorschweben. Auch drängt sich uns diese Überzeugung so ungesucht auf, daß selbst diejenigen unter den neueren Juristen, welche das geschichtliche Recht gering schätzen, und nur das praktische ihrer Bemühungen werth achten, es dennoch nicht lassen können, die erwähnte Lehre und die damit zusammenhängende Kunstsprache ihren Darstellungen einzumischen. An ihnen aber rächt sich ihre Einseitigkeit, indem ihnen das, was sie gründlich zu er- forschen verschmähten, nun zu einer Quelle zahlloser Irr- thümer wird. Solche Irrthümer, entsprungen aus der
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
keit jedes einzelnen Menſchen beſtimmt wird; in dieſer Beziehung ſtehen ſie ganz allein, und kein anderer Unter- ſchied kann mit ihnen verglichen werden.
Dieſe Lehre hat ihren Urſprung in der älteſten Zeit des Römiſchen Rechts, und wenngleich auch ſie im Lauf der Jahrhunderte manche Umbildung erfahren hat, ſo hat ſie ſich dennoch in ihren Grundzügen dergeſtalt erhalten, daß wir ſie ſelbſt in das neueſte Recht nach allen Seiten hin verwebt finden. Auch für uns iſt eine genaue Ein- ſicht in dieſelbe wichtig, ja unentbehrlich. Nicht als ob noch Vieles aus derſelben unmittelbar angewendet werden könnte, ſondern aus Zwey anderen, in einander greifen- den, Gründen. Die Quellen des Römiſchen Rechts ſind nämlich durchaus nur Demjenigen verſtändlich, der ſich jene Lehre in ihrer vollſtändigen Ausbildung ſo angeeignet hat, daß ihm bey jeder Stelle des Römiſchen Rechts die Beziehungen derſelben auf jene alte Lehre (wo ſolche vor- kommen) von ſelbſt vorſchweben. Auch drängt ſich uns dieſe Überzeugung ſo ungeſucht auf, daß ſelbſt diejenigen unter den neueren Juriſten, welche das geſchichtliche Recht gering ſchätzen, und nur das praktiſche ihrer Bemühungen werth achten, es dennoch nicht laſſen können, die erwähnte Lehre und die damit zuſammenhängende Kunſtſprache ihren Darſtellungen einzumiſchen. An ihnen aber rächt ſich ihre Einſeitigkeit, indem ihnen das, was ſie gründlich zu er- forſchen verſchmähten, nun zu einer Quelle zahlloſer Irr- thümer wird. Solche Irrthümer, entſprungen aus der
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. II. Perſonen.
keit jedes einzelnen Menſchen beſtimmt wird; in dieſer
Beziehung ſtehen ſie ganz allein, und kein anderer Unter-
ſchied kann mit ihnen verglichen werden.
Dieſe Lehre hat ihren Urſprung in der älteſten Zeit
des Römiſchen Rechts, und wenngleich auch ſie im Lauf
der Jahrhunderte manche Umbildung erfahren hat, ſo hat
ſie ſich dennoch in ihren Grundzügen dergeſtalt erhalten,
daß wir ſie ſelbſt in das neueſte Recht nach allen Seiten
hin verwebt finden. Auch für uns iſt eine genaue Ein-
ſicht in dieſelbe wichtig, ja unentbehrlich. Nicht als ob
noch Vieles aus derſelben unmittelbar angewendet werden
könnte, ſondern aus Zwey anderen, in einander greifen-
den, Gründen. Die Quellen des Römiſchen Rechts ſind
nämlich durchaus nur Demjenigen verſtändlich, der ſich
jene Lehre in ihrer vollſtändigen Ausbildung ſo angeeignet
hat, daß ihm bey jeder Stelle des Römiſchen Rechts die
Beziehungen derſelben auf jene alte Lehre (wo ſolche vor-
kommen) von ſelbſt vorſchweben. Auch drängt ſich uns
dieſe Überzeugung ſo ungeſucht auf, daß ſelbſt diejenigen
unter den neueren Juriſten, welche das geſchichtliche Recht
gering ſchätzen, und nur das praktiſche ihrer Bemühungen
werth achten, es dennoch nicht laſſen können, die erwähnte
Lehre und die damit zuſammenhängende Kunſtſprache ihren
Darſtellungen einzumiſchen. An ihnen aber rächt ſich ihre
Einſeitigkeit, indem ihnen das, was ſie gründlich zu er-
forſchen verſchmähten, nun zu einer Quelle zahlloſer Irr-
thümer wird. Solche Irrthümer, entſprungen aus der
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/38>, abgerufen am 03.12.2024.
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