verweigern, wenn dasselbe weniger als 180 Tage nach geschlossener Ehe geboren wird; diese Verweigerung gilt nicht "si l'enfant n'est pas declare viable" (art. 314.). -- Der Code penal nimmt auf die Vitalität keine Rücksicht.
Mit den hier behandelten Fragen stehen zwey andere in naher Verwandtschaft, die ich blos deswegen bis jetzt nicht berührt habe, weil es mir darauf ankam, den Zusam- menhang der vorstehenden Untersuchung nicht zu unterbrechen.
Die erste dieser Fragen betrifft die Anwendung des im Römischen Recht aufgestellten präsumtiven Zeitraums der Schwangerschaft auf uneheliche Kinder. Zwar im Römi- schen Recht selbst konnte davon gar nicht die Rede seyn, weil dasselbe in juristischem Sinn uneheliche Kinder eines Mannes überhaupt nicht anerkennt, und namentlich durch- aus nicht als Cognaten des Vaters behandelt. Nur in ganz beschränkten Beziehungen nimmt das neuere Recht auf Concubinenkinder eines Mannes Rücksicht, und dann stets unter der Voraussetzung, daß er selbst dieses wünsche, also sie anerkenne; von einer Vermuthung der Paternität war also auch dabey nicht die Rede. Allein in neueren Staaten hat die Praxis, abweichend vom Römischen Recht, auch den unehelichen Kindern Ansprüche gegen den Vater zugestanden. Nun versuchten die Rechtslehrer, die Prä- sumtion des Römischen Rechts auch hierauf anzuwenden, indem sie die Regel aufstellten: wenn gegen einen Mann durch Geständniß oder Beweis festgestellt ist, daß er in
Beylage III.
verweigern, wenn daſſelbe weniger als 180 Tage nach geſchloſſener Ehe geboren wird; dieſe Verweigerung gilt nicht „si l’enfant n’est pas déclaré viable” (art. 314.). — Der Code pénal nimmt auf die Vitalität keine Rückſicht.
Mit den hier behandelten Fragen ſtehen zwey andere in naher Verwandtſchaft, die ich blos deswegen bis jetzt nicht berührt habe, weil es mir darauf ankam, den Zuſam- menhang der vorſtehenden Unterſuchung nicht zu unterbrechen.
Die erſte dieſer Fragen betrifft die Anwendung des im Roͤmiſchen Recht aufgeſtellten präſumtiven Zeitraums der Schwangerſchaft auf uneheliche Kinder. Zwar im Roͤmi- ſchen Recht ſelbſt konnte davon gar nicht die Rede ſeyn, weil daſſelbe in juriſtiſchem Sinn uneheliche Kinder eines Mannes überhaupt nicht anerkennt, und namentlich durch- aus nicht als Cognaten des Vaters behandelt. Nur in ganz beſchränkten Beziehungen nimmt das neuere Recht auf Concubinenkinder eines Mannes Rückſicht, und dann ſtets unter der Vorausſetzung, daß er ſelbſt dieſes wünſche, alſo ſie anerkenne; von einer Vermuthung der Paternität war alſo auch dabey nicht die Rede. Allein in neueren Staaten hat die Praxis, abweichend vom Römiſchen Recht, auch den unehelichen Kindern Anſprüche gegen den Vater zugeſtanden. Nun verſuchten die Rechtslehrer, die Prä- ſumtion des Römiſchen Rechts auch hierauf anzuwenden, indem ſie die Regel aufſtellten: wenn gegen einen Mann durch Geſtändniß oder Beweis feſtgeſtellt iſt, daß er in
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Beylage III.
verweigern, wenn daſſelbe weniger als 180 Tage nach
geſchloſſener Ehe geboren wird; dieſe Verweigerung gilt
nicht „si l’enfant n’est pas déclaré viable” (art. 314.). —
Der Code pénal nimmt auf die Vitalität keine Rückſicht.
Mit den hier behandelten Fragen ſtehen zwey andere
in naher Verwandtſchaft, die ich blos deswegen bis jetzt
nicht berührt habe, weil es mir darauf ankam, den Zuſam-
menhang der vorſtehenden Unterſuchung nicht zu unterbrechen.
Die erſte dieſer Fragen betrifft die Anwendung des im
Roͤmiſchen Recht aufgeſtellten präſumtiven Zeitraums der
Schwangerſchaft auf uneheliche Kinder. Zwar im Roͤmi-
ſchen Recht ſelbſt konnte davon gar nicht die Rede ſeyn,
weil daſſelbe in juriſtiſchem Sinn uneheliche Kinder eines
Mannes überhaupt nicht anerkennt, und namentlich durch-
aus nicht als Cognaten des Vaters behandelt. Nur in
ganz beſchränkten Beziehungen nimmt das neuere Recht
auf Concubinenkinder eines Mannes Rückſicht, und dann
ſtets unter der Vorausſetzung, daß er ſelbſt dieſes wünſche,
alſo ſie anerkenne; von einer Vermuthung der Paternität
war alſo auch dabey nicht die Rede. Allein in neueren
Staaten hat die Praxis, abweichend vom Römiſchen Recht,
auch den unehelichen Kindern Anſprüche gegen den Vater
zugeſtanden. Nun verſuchten die Rechtslehrer, die Prä-
ſumtion des Römiſchen Rechts auch hierauf anzuwenden,
indem ſie die Regel aufſtellten: wenn gegen einen Mann
durch Geſtändniß oder Beweis feſtgeſtellt iſt, daß er in
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 414. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/428>, abgerufen am 21.11.2024.
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