willkührlich da, und ermangeln gänzlich der Begründung durch eine sonst erweisliche Bedeutung des Wortes caput.
Da nun ohne Zweifel in diesem Wort etwas Althisto- risches angedeutet ist, so ist man schon frühe darauf ver- fallen, unsren Kunstausdruck aus den alten Censustafeln oder Bürgerlisten zu erklären. Dieses geschah auf die Weise, daß man das caput auf die capita censa bezog, deren Anzahl öfter bey Livius vorkommt. Verlor Einer die Civität, so war die Römische Bürgerschaft um ein caput vermindert worden, es war in ihr ein caput exem- tum, deletum. Die minima c. d. sollte dann daraus er- klärt werden, daß der Arrogirte sein Vermögen verlor, also in eine geringere Klasse kam (a). Allein das Ge- zwungene in dieser Erklärung konnte sich der Vertheidiger derselben selbst nicht verbergen, und er fand mit Recht Bedenken bey der c. d. des Emancipirten. Ganz beson- ders aber hätte man nach dieser Worterklärung eigentlich sagen müssen, daß in einem solchen Fall das Römische Volk eine capitis deminutio erleide, nicht der einzelne Mensch.
Diese Bedenken verschwinden bey der sehr befriedigen- den Erklärung von Niebuhr (b). Nach ihm hieß Caput die Rubrik jedes Römers in der censorischen Bürgerliste, mit Allem was dabey über seine persönlichen Verhältnisse bemerkt war: und diese Wortbedeutung wird durch die in
(a)Heineccii antiqu. jur. I. 16 § 1. 12.
(b)Niebuhr Römische Ge- schichte B. 1 S. 606 (ed. 4.) B. 2 G. 460 (ed. 2.).
Beylage VI.
willkührlich da, und ermangeln gänzlich der Begründung durch eine ſonſt erweisliche Bedeutung des Wortes caput.
Da nun ohne Zweifel in dieſem Wort etwas Althiſto- riſches angedeutet iſt, ſo iſt man ſchon frühe darauf ver- fallen, unſren Kunſtausdruck aus den alten Cenſustafeln oder Bürgerliſten zu erklären. Dieſes geſchah auf die Weiſe, daß man das caput auf die capita censa bezog, deren Anzahl öfter bey Livius vorkommt. Verlor Einer die Civität, ſo war die Römiſche Bürgerſchaft um ein caput vermindert worden, es war in ihr ein caput exem- tum, deletum. Die minima c. d. ſollte dann daraus er- klärt werden, daß der Arrogirte ſein Vermögen verlor, alſo in eine geringere Klaſſe kam (a). Allein das Ge- zwungene in dieſer Erklärung konnte ſich der Vertheidiger derſelben ſelbſt nicht verbergen, und er fand mit Recht Bedenken bey der c. d. des Emancipirten. Ganz beſon- ders aber hätte man nach dieſer Worterklärung eigentlich ſagen müſſen, daß in einem ſolchen Fall das Römiſche Volk eine capitis deminutio erleide, nicht der einzelne Menſch.
Dieſe Bedenken verſchwinden bey der ſehr befriedigen- den Erklärung von Niebuhr (b). Nach ihm hieß Caput die Rubrik jedes Römers in der cenſoriſchen Bürgerliſte, mit Allem was dabey über ſeine perſönlichen Verhältniſſe bemerkt war: und dieſe Wortbedeutung wird durch die in
(a)Heineccii antiqu. jur. I. 16 § 1. 12.
(b)Niebuhr Römiſche Ge- ſchichte B. 1 S. 606 (ed. 4.) B. 2 G. 460 (ed. 2.).
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Beylage VI.
willkührlich da, und ermangeln gänzlich der Begründung
durch eine ſonſt erweisliche Bedeutung des Wortes caput.
Da nun ohne Zweifel in dieſem Wort etwas Althiſto-
riſches angedeutet iſt, ſo iſt man ſchon frühe darauf ver-
fallen, unſren Kunſtausdruck aus den alten Cenſustafeln
oder Bürgerliſten zu erklären. Dieſes geſchah auf die
Weiſe, daß man das caput auf die capita censa bezog,
deren Anzahl öfter bey Livius vorkommt. Verlor Einer
die Civität, ſo war die Römiſche Bürgerſchaft um ein
caput vermindert worden, es war in ihr ein caput exem-
tum, deletum. Die minima c. d. ſollte dann daraus er-
klärt werden, daß der Arrogirte ſein Vermögen verlor,
alſo in eine geringere Klaſſe kam (a). Allein das Ge-
zwungene in dieſer Erklärung konnte ſich der Vertheidiger
derſelben ſelbſt nicht verbergen, und er fand mit Recht
Bedenken bey der c. d. des Emancipirten. Ganz beſon-
ders aber hätte man nach dieſer Worterklärung eigentlich
ſagen müſſen, daß in einem ſolchen Fall das Römiſche
Volk eine capitis deminutio erleide, nicht der einzelne Menſch.
Dieſe Bedenken verſchwinden bey der ſehr befriedigen-
den Erklärung von Niebuhr (b). Nach ihm hieß Caput
die Rubrik jedes Römers in der cenſoriſchen Bürgerliſte,
mit Allem was dabey über ſeine perſönlichen Verhältniſſe
bemerkt war: und dieſe Wortbedeutung wird durch die in
(a) Heineccii antiqu. jur. I. 16
§ 1. 12.
(b) Niebuhr Römiſche Ge-
ſchichte B. 1 S. 606 (ed. 4.) B. 2
G. 460 (ed. 2.).
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 484. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/498>, abgerufen am 22.11.2024.
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