nahe, daß derselbe gewiß nicht unausgesprochen bleiben konnte, wenn in der That jene tria als drey feststehende Arten des Status gedacht worden wären. Aber nicht blos die Voraussetzung der Allgemeinheit ist hier ohne Grund, sondern auch bey Paulus selbst erscheint jene Ansicht gar nicht als eine so feste, tief durchdachte Lehre, wie sie von den Neueren auf die Autorität dieser Stelle angenommen zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener Gedanke, ein augenblicklicher Versuch, die uralte dreyfache capitis deminutio durch umschreibende Ausdrücke faßlich darzustellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der minima c. d. als einer familiae mutatio. Diese war ihm eigenthümlich; aber wie wenig er auch sie für gewiß, un- anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich der Umstand, daß er bey Erklärung der in der Emanci- pation liegenden c. d. (L. 3 § 1 de c. m.) von seiner An- sicht wieder keinen Gebrauch machte, sondern die übliche Herleitung aus der servilis causa vorzog.
XX.
Die hier versuchte Kritik der Lehre von der c. d. mag zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über diesen Gegenstand, wie sie oben (Num. I.) zusammengestellt worden sind. Anstatt einer Zergliederung ihres Inhalts mögen hier nur wenige literarische Bemerkungen stehen.
Conradi, dessen Meynungen überall Anspruch auf be- sondere Aufmerksamkeit haben, legt als das Gewisse zum
Beylage VI.
nahe, daß derſelbe gewiß nicht unausgeſprochen bleiben konnte, wenn in der That jene tria als drey feſtſtehende Arten des Status gedacht worden wären. Aber nicht blos die Vorausſetzung der Allgemeinheit iſt hier ohne Grund, ſondern auch bey Paulus ſelbſt erſcheint jene Anſicht gar nicht als eine ſo feſte, tief durchdachte Lehre, wie ſie von den Neueren auf die Autorität dieſer Stelle angenommen zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener Gedanke, ein augenblicklicher Verſuch, die uralte dreyfache capitis deminutio durch umſchreibende Ausdrücke faßlich darzuſtellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der minima c. d. als einer familiae mutatio. Dieſe war ihm eigenthümlich; aber wie wenig er auch ſie für gewiß, un- anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich der Umſtand, daß er bey Erklärung der in der Emanci- pation liegenden c. d. (L. 3 § 1 de c. m.) von ſeiner An- ſicht wieder keinen Gebrauch machte, ſondern die übliche Herleitung aus der servilis causa vorzog.
XX.
Die hier verſuchte Kritik der Lehre von der c. d. mag zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über dieſen Gegenſtand, wie ſie oben (Num. I.) zuſammengeſtellt worden ſind. Anſtatt einer Zergliederung ihres Inhalts mögen hier nur wenige literariſche Bemerkungen ſtehen.
Conradi, deſſen Meynungen überall Anſpruch auf be- ſondere Aufmerkſamkeit haben, legt als das Gewiſſe zum
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Beylage VI.
nahe, daß derſelbe gewiß nicht unausgeſprochen bleiben
konnte, wenn in der That jene tria als drey feſtſtehende
Arten des Status gedacht worden wären. Aber nicht blos
die Vorausſetzung der Allgemeinheit iſt hier ohne Grund,
ſondern auch bey Paulus ſelbſt erſcheint jene Anſicht gar
nicht als eine ſo feſte, tief durchdachte Lehre, wie ſie von
den Neueren auf die Autorität dieſer Stelle angenommen
zu werden pflegt. Es war bey ihm ein hingeworfener
Gedanke, ein augenblicklicher Verſuch, die uralte dreyfache
capitis deminutio durch umſchreibende Ausdrücke faßlich
darzuſtellen, allerdings ausgehend von der Erklärung der
minima c. d. als einer familiae mutatio. Dieſe war ihm
eigenthümlich; aber wie wenig er auch ſie für gewiß, un-
anfechtbar und anerkannt ausgeben wollte, zeigt deutlich
der Umſtand, daß er bey Erklärung der in der Emanci-
pation liegenden c. d. (L. 3 § 1 de c. m.) von ſeiner An-
ſicht wieder keinen Gebrauch machte, ſondern die übliche
Herleitung aus der servilis causa vorzog.
XX.
Die hier verſuchte Kritik der Lehre von der c. d. mag
zugleich hinreichen zur Beurtheilung fremder Arbeiten über
dieſen Gegenſtand, wie ſie oben (Num. I.) zuſammengeſtellt
worden ſind. Anſtatt einer Zergliederung ihres Inhalts
mögen hier nur wenige literariſche Bemerkungen ſtehen.
Conradi, deſſen Meynungen überall Anſpruch auf be-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 2. Berlin, 1840, S. 512. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system02_1840/526>, abgerufen am 18.06.2024.
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