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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung.
und äußere Hindernisse der Erfüllung schadeten nicht. Die-
ses ist ausnahmsweise wahr in den Fällen der oben dar-
gestellten drey Fictionen, in allen anderen Fällen ist es
nicht wahr, und es ist grundfalsch, es in irgend einer Ge-
stalt zur Regel erheben zu wollen.

Ich will aber noch einige einzelne Bestimmungen an-
führen, welche, durch Misverständniß über ihre wahre Na-
tur, zur Befestigung jener Irrthümer beygetragen haben.

1) Wenn ein Testament die Erfüllung einer Bedingung
vor einem bestimmten Tage vorschreibt, der Erbe oder
Legatar aber die Erfüllung unterläßt, weil wegen des Sc.
Silaniani
das Testament vor jenem Tage gar nicht eröffnet
wurde, so bekommt er Restitution gegen diese Versäumniß (r).
Dieser Fall gehört unter die (nicht häufigen) Restitutionen
wegen Unwissenheit, und gerade daß eine solche Restitution
möglich und nöthig gefunden wird, ist ein Beweis dafür,
daß die regelmäßige Natur der Bedingung auf einen ent-
gegengesetzten Erfolg führen mußte. Die einleuchtende
Rechtfertigung der Restitution liegt aber darin, daß die
Unwissenheit eine nothwendige Folge der Befolgung einer
gesetzlichen Vorschrift war.

2) Werden Alimente oder Jahrgelder hinterlassen unter
der Bedingung, daß der Legatar seinen steten Aufenthalt
in der Nähe einer bestimmten Person habe, und stirbt
diese Person, so dauert dennoch das Legat fort bis zum

(r) L. 3 § 31 de Sc. Silan. (29. 5.). Vgl. Beylage VIII. Num. XXIX.
am Ende.
III. 10

§. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung.
und äußere Hinderniſſe der Erfüllung ſchadeten nicht. Die-
ſes iſt ausnahmsweiſe wahr in den Fällen der oben dar-
geſtellten drey Fictionen, in allen anderen Fällen iſt es
nicht wahr, und es iſt grundfalſch, es in irgend einer Ge-
ſtalt zur Regel erheben zu wollen.

Ich will aber noch einige einzelne Beſtimmungen an-
führen, welche, durch Misverſtändniß über ihre wahre Na-
tur, zur Befeſtigung jener Irrthümer beygetragen haben.

1) Wenn ein Teſtament die Erfüllung einer Bedingung
vor einem beſtimmten Tage vorſchreibt, der Erbe oder
Legatar aber die Erfüllung unterläßt, weil wegen des Sc.
Silaniani
das Teſtament vor jenem Tage gar nicht eröffnet
wurde, ſo bekommt er Reſtitution gegen dieſe Verſäumniß (r).
Dieſer Fall gehört unter die (nicht häufigen) Reſtitutionen
wegen Unwiſſenheit, und gerade daß eine ſolche Reſtitution
möglich und nöthig gefunden wird, iſt ein Beweis dafür,
daß die regelmäßige Natur der Bedingung auf einen ent-
gegengeſetzten Erfolg führen mußte. Die einleuchtende
Rechtfertigung der Reſtitution liegt aber darin, daß die
Unwiſſenheit eine nothwendige Folge der Befolgung einer
geſetzlichen Vorſchrift war.

2) Werden Alimente oder Jahrgelder hinterlaſſen unter
der Bedingung, daß der Legatar ſeinen ſteten Aufenthalt
in der Nähe einer beſtimmten Perſon habe, und ſtirbt
dieſe Perſon, ſo dauert dennoch das Legat fort bis zum

(r) L. 3 § 31 de Sc. Silan. (29. 5.). Vgl. Beylage VIII. Num. XXIX.
am Ende.
III. 10
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[145/0157] §. 119. Bedingung. Fingirte Erfüllung. und äußere Hinderniſſe der Erfüllung ſchadeten nicht. Die- ſes iſt ausnahmsweiſe wahr in den Fällen der oben dar- geſtellten drey Fictionen, in allen anderen Fällen iſt es nicht wahr, und es iſt grundfalſch, es in irgend einer Ge- ſtalt zur Regel erheben zu wollen. Ich will aber noch einige einzelne Beſtimmungen an- führen, welche, durch Misverſtändniß über ihre wahre Na- tur, zur Befeſtigung jener Irrthümer beygetragen haben. 1) Wenn ein Teſtament die Erfüllung einer Bedingung vor einem beſtimmten Tage vorſchreibt, der Erbe oder Legatar aber die Erfüllung unterläßt, weil wegen des Sc. Silaniani das Teſtament vor jenem Tage gar nicht eröffnet wurde, ſo bekommt er Reſtitution gegen dieſe Verſäumniß (r). Dieſer Fall gehört unter die (nicht häufigen) Reſtitutionen wegen Unwiſſenheit, und gerade daß eine ſolche Reſtitution möglich und nöthig gefunden wird, iſt ein Beweis dafür, daß die regelmäßige Natur der Bedingung auf einen ent- gegengeſetzten Erfolg führen mußte. Die einleuchtende Rechtfertigung der Reſtitution liegt aber darin, daß die Unwiſſenheit eine nothwendige Folge der Befolgung einer geſetzlichen Vorſchrift war. 2) Werden Alimente oder Jahrgelder hinterlaſſen unter der Bedingung, daß der Legatar ſeinen ſteten Aufenthalt in der Nähe einer beſtimmten Perſon habe, und ſtirbt dieſe Perſon, ſo dauert dennoch das Legat fort bis zum (r) L. 3 § 31 de Sc. Silan. (29. 5.). Vgl. Beylage VIII. Num. XXIX. am Ende. III. 10

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/157>, abgerufen am 23.11.2024.