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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
hen werden, und so mußten der Schuldner und seine Er-
ben den Formfehler so lange büßen, bis die schützende
Exception erfunden war. Daß man nicht von jeher gegen
solchen Unsinn Schutz suchte, erklärt sich sehr natürlich
aus der Seltenheit solcher Stipulationen.

Anders verhielt es sich mit Legaten von ähnlichem In-
halt, die in der That häufig vorkamen, und daher ein
praktisches Bedürfniß der Abhülfe mit sich führten. Die
Möglichkeit derselben war durch den allgemeinen Grundsatz
gegeben, Legate überhaupt mehr nach der Absicht als nach
dem Buchstaben auszulegen (§ 118. a). Wußte man nun,
daß, wie gewöhnlich, die Absicht dahin gieng, durch die
legirte Rente dem Legatar seinen persönlichen Unterhalt
ganz oder theilweise zu verschaffen, so wurde durch fol-
gende Interpretation für Alles gesorgt. Das Legat soll
gelten, als wären es mehrere: die erste Jahresrente ist
pure legirt, und wird mit des Testators Tod erworben;
jede folgende ist an die Suspensivbedingung gebunden,
wenn der Legatar den Tag, wo sie fällig wird, erlebt (k).
Dadurch erreichte man einen doppelten Vortheil. Erstlich

(k) L. 4 L. 8 de ann. leg.
(33. 1), L. 10 quando dies
(36.
2.), ferner die Stellen in Note h.
-- Bey einer Rente auf be-
stimmte Jahre ist es eine factische
Frage, ob der Testator sie als
eine alimentenartige Unterstützung
(so wie die lebenslängliche) dachte,
oder vielmehr als eine gewöhn-
liche Zahlung, die nur zur Er-
leichterung in Termine zertheilt
ist. Im ersten Fall wird sie eben
so behandelt, wie die lebensläng-
liche, im zweyten Fall ist es ein
einfaches Legat, welches sogleich
ganz erworben wird, so daß auch die
nach des Legatars Tod fällig wer-
denden Termine an seinen Erben
zu zahlen sind. L. 20 quando dies
(36. 2)., L. 3 pr. de annuis
(33. 1.).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
hen werden, und ſo mußten der Schuldner und ſeine Er-
ben den Formfehler ſo lange büßen, bis die ſchützende
Exception erfunden war. Daß man nicht von jeher gegen
ſolchen Unſinn Schutz ſuchte, erklärt ſich ſehr natürlich
aus der Seltenheit ſolcher Stipulationen.

Anders verhielt es ſich mit Legaten von ähnlichem In-
halt, die in der That häufig vorkamen, und daher ein
praktiſches Bedürfniß der Abhülfe mit ſich führten. Die
Möglichkeit derſelben war durch den allgemeinen Grundſatz
gegeben, Legate überhaupt mehr nach der Abſicht als nach
dem Buchſtaben auszulegen (§ 118. a). Wußte man nun,
daß, wie gewöhnlich, die Abſicht dahin gieng, durch die
legirte Rente dem Legatar ſeinen perſönlichen Unterhalt
ganz oder theilweiſe zu verſchaffen, ſo wurde durch fol-
gende Interpretation für Alles geſorgt. Das Legat ſoll
gelten, als wären es mehrere: die erſte Jahresrente iſt
pure legirt, und wird mit des Teſtators Tod erworben;
jede folgende iſt an die Suspenſivbedingung gebunden,
wenn der Legatar den Tag, wo ſie fällig wird, erlebt (k).
Dadurch erreichte man einen doppelten Vortheil. Erſtlich

(k) L. 4 L. 8 de ann. leg.
(33. 1), L. 10 quando dies
(36.
2.), ferner die Stellen in Note h.
— Bey einer Rente auf be-
ſtimmte Jahre iſt es eine factiſche
Frage, ob der Teſtator ſie als
eine alimentenartige Unterſtützung
(ſo wie die lebenslängliche) dachte,
oder vielmehr als eine gewöhn-
liche Zahlung, die nur zur Er-
leichterung in Termine zertheilt
iſt. Im erſten Fall wird ſie eben
ſo behandelt, wie die lebensläng-
liche, im zweyten Fall iſt es ein
einfaches Legat, welches ſogleich
ganz erworben wird, ſo daß auch die
nach des Legatars Tod fällig wer-
denden Termine an ſeinen Erben
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(36. 2)., L. 3 pr. de annuis
(33. 1.).
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[224/0236] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. hen werden, und ſo mußten der Schuldner und ſeine Er- ben den Formfehler ſo lange büßen, bis die ſchützende Exception erfunden war. Daß man nicht von jeher gegen ſolchen Unſinn Schutz ſuchte, erklärt ſich ſehr natürlich aus der Seltenheit ſolcher Stipulationen. Anders verhielt es ſich mit Legaten von ähnlichem In- halt, die in der That häufig vorkamen, und daher ein praktiſches Bedürfniß der Abhülfe mit ſich führten. Die Möglichkeit derſelben war durch den allgemeinen Grundſatz gegeben, Legate überhaupt mehr nach der Abſicht als nach dem Buchſtaben auszulegen (§ 118. a). Wußte man nun, daß, wie gewöhnlich, die Abſicht dahin gieng, durch die legirte Rente dem Legatar ſeinen perſönlichen Unterhalt ganz oder theilweiſe zu verſchaffen, ſo wurde durch fol- gende Interpretation für Alles geſorgt. Das Legat ſoll gelten, als wären es mehrere: die erſte Jahresrente iſt pure legirt, und wird mit des Teſtators Tod erworben; jede folgende iſt an die Suspenſivbedingung gebunden, wenn der Legatar den Tag, wo ſie fällig wird, erlebt (k). Dadurch erreichte man einen doppelten Vortheil. Erſtlich (k) L. 4 L. 8 de ann. leg. (33. 1), L. 10 quando dies (36. 2.), ferner die Stellen in Note h. — Bey einer Rente auf be- ſtimmte Jahre iſt es eine factiſche Frage, ob der Teſtator ſie als eine alimentenartige Unterſtützung (ſo wie die lebenslängliche) dachte, oder vielmehr als eine gewöhn- liche Zahlung, die nur zur Er- leichterung in Termine zertheilt iſt. Im erſten Fall wird ſie eben ſo behandelt, wie die lebensläng- liche, im zweyten Fall iſt es ein einfaches Legat, welches ſogleich ganz erworben wird, ſo daß auch die nach des Legatars Tod fällig wer- denden Termine an ſeinen Erben zu zahlen ſind. L. 20 quando dies (36. 2)., L. 3 pr. de annuis (33. 1.).

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 224. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/236>, abgerufen am 21.11.2024.