Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
weit kostbarer seyn, als geringer Wein, und selbst der
umgeschlagene, also gewiß sehr schlechte Wein soll kein
Gegenstand eines wesentlichen Irrthums seyn. Auch hier
also, wie bey den Metallarbeiten, ist nicht sowohl die
Preisverschiedenheit, als die völlige Ungleichartigkeit der
Waare Das, was den wesentlichen Irrthum bestimmt.

Endlich bey dem Sklaven und der Sklavin liegt der
Unterschied gewiß nicht in dem allgemein verschiedenen
Geldwerth, da ohne Zweifel Sklavinnen oft weit theurer
bezahlt wurden, als männliche Sklaven. Noch seltsamer
würde es seyn, hier an verschiedenen Stoff denken zu
wollen, auch hat kein Römischer Jurist von einer verschie-
denen substantia oder materia der beiden Geschlechter ge-
sprochen. Allein die regelmäßige Benutzung der Sklaven
bestand in Dienst und Arbeit, und da die männlichen Skla-
ven auch außer dem Hause zur Feldarbeit, in Fabriken,
und als Handwerker regelmäßig benutzt zu werden pfleg-
ten, die Sklavinnen vorzugsweise im Hausdienste und zu
weiblichen Arbeiten, so galten beide Geschlechter für Waa-
ren verschiedener Art, und daher war ein Irrthum über
das Geschlecht ein wesentlicher Irrthum. Auch hier nun
würde es wieder ganz irrig seyn, bey dem abstracten Be-
griff des Geschlechts stehen zu bleiben, und diesen überall
anzuwenden, auch bey einem Kauf von Thieren. Denn
bey Pferden z. B. ist die regelmäßige Benutzung unab-
hängig von dem Geschlecht, und es darf daher der Irr-
thum hierüber nicht für einen wesentlichen gehalten werden.


Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
weit koſtbarer ſeyn, als geringer Wein, und ſelbſt der
umgeſchlagene, alſo gewiß ſehr ſchlechte Wein ſoll kein
Gegenſtand eines weſentlichen Irrthums ſeyn. Auch hier
alſo, wie bey den Metallarbeiten, iſt nicht ſowohl die
Preisverſchiedenheit, als die völlige Ungleichartigkeit der
Waare Das, was den weſentlichen Irrthum beſtimmt.

Endlich bey dem Sklaven und der Sklavin liegt der
Unterſchied gewiß nicht in dem allgemein verſchiedenen
Geldwerth, da ohne Zweifel Sklavinnen oft weit theurer
bezahlt wurden, als männliche Sklaven. Noch ſeltſamer
würde es ſeyn, hier an verſchiedenen Stoff denken zu
wollen, auch hat kein Römiſcher Juriſt von einer verſchie-
denen substantia oder materia der beiden Geſchlechter ge-
ſprochen. Allein die regelmäßige Benutzung der Sklaven
beſtand in Dienſt und Arbeit, und da die männlichen Skla-
ven auch außer dem Hauſe zur Feldarbeit, in Fabriken,
und als Handwerker regelmaͤßig benutzt zu werden pfleg-
ten, die Sklavinnen vorzugsweiſe im Hausdienſte und zu
weiblichen Arbeiten, ſo galten beide Geſchlechter für Waa-
ren verſchiedener Art, und daher war ein Irrthum über
das Geſchlecht ein weſentlicher Irrthum. Auch hier nun
würde es wieder ganz irrig ſeyn, bey dem abſtracten Be-
griff des Geſchlechts ſtehen zu bleiben, und dieſen überall
anzuwenden, auch bey einem Kauf von Thieren. Denn
bey Pferden z. B. iſt die regelmäßige Benutzung unab-
hängig von dem Geſchlecht, und es darf daher der Irr-
thum hierüber nicht für einen weſentlichen gehalten werden.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0294" n="282"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
weit ko&#x017F;tbarer &#x017F;eyn, als geringer Wein, und &#x017F;elb&#x017F;t der<lb/>
umge&#x017F;chlagene, al&#x017F;o gewiß &#x017F;ehr &#x017F;chlechte Wein &#x017F;oll kein<lb/>
Gegen&#x017F;tand eines we&#x017F;entlichen Irrthums &#x017F;eyn. Auch hier<lb/>
al&#x017F;o, wie bey den Metallarbeiten, i&#x017F;t nicht &#x017F;owohl die<lb/>
Preisver&#x017F;chiedenheit, als die völlige Ungleichartigkeit der<lb/>
Waare Das, was den we&#x017F;entlichen Irrthum be&#x017F;timmt.</p><lb/>
            <p>Endlich bey dem Sklaven und der Sklavin liegt der<lb/>
Unter&#x017F;chied gewiß nicht in dem allgemein ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Geldwerth, da ohne Zweifel Sklavinnen oft weit theurer<lb/>
bezahlt wurden, als männliche Sklaven. Noch &#x017F;elt&#x017F;amer<lb/>
würde es &#x017F;eyn, hier an ver&#x017F;chiedenen Stoff denken zu<lb/>
wollen, auch hat kein Römi&#x017F;cher Juri&#x017F;t von einer ver&#x017F;chie-<lb/>
denen <hi rendition="#aq">substantia</hi> oder <hi rendition="#aq">materia</hi> der beiden Ge&#x017F;chlechter ge-<lb/>
&#x017F;prochen. Allein die regelmäßige Benutzung der Sklaven<lb/>
be&#x017F;tand in Dien&#x017F;t und Arbeit, und da die männlichen Skla-<lb/>
ven auch außer dem Hau&#x017F;e zur Feldarbeit, in Fabriken,<lb/>
und als Handwerker regelma&#x0364;ßig benutzt zu werden pfleg-<lb/>
ten, die Sklavinnen vorzugswei&#x017F;e im Hausdien&#x017F;te und zu<lb/>
weiblichen Arbeiten, &#x017F;o galten beide Ge&#x017F;chlechter für Waa-<lb/>
ren ver&#x017F;chiedener Art, und daher war ein Irrthum über<lb/>
das Ge&#x017F;chlecht ein we&#x017F;entlicher Irrthum. Auch hier nun<lb/>
würde es wieder ganz irrig &#x017F;eyn, bey dem ab&#x017F;tracten Be-<lb/>
griff des Ge&#x017F;chlechts &#x017F;tehen zu bleiben, und die&#x017F;en überall<lb/>
anzuwenden, auch bey einem Kauf von Thieren. Denn<lb/>
bey Pferden z. B. i&#x017F;t die regelmäßige Benutzung unab-<lb/>
hängig von dem Ge&#x017F;chlecht, und es darf daher der Irr-<lb/>
thum hierüber nicht für einen we&#x017F;entlichen gehalten werden.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[282/0294] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. weit koſtbarer ſeyn, als geringer Wein, und ſelbſt der umgeſchlagene, alſo gewiß ſehr ſchlechte Wein ſoll kein Gegenſtand eines weſentlichen Irrthums ſeyn. Auch hier alſo, wie bey den Metallarbeiten, iſt nicht ſowohl die Preisverſchiedenheit, als die völlige Ungleichartigkeit der Waare Das, was den weſentlichen Irrthum beſtimmt. Endlich bey dem Sklaven und der Sklavin liegt der Unterſchied gewiß nicht in dem allgemein verſchiedenen Geldwerth, da ohne Zweifel Sklavinnen oft weit theurer bezahlt wurden, als männliche Sklaven. Noch ſeltſamer würde es ſeyn, hier an verſchiedenen Stoff denken zu wollen, auch hat kein Römiſcher Juriſt von einer verſchie- denen substantia oder materia der beiden Geſchlechter ge- ſprochen. Allein die regelmäßige Benutzung der Sklaven beſtand in Dienſt und Arbeit, und da die männlichen Skla- ven auch außer dem Hauſe zur Feldarbeit, in Fabriken, und als Handwerker regelmaͤßig benutzt zu werden pfleg- ten, die Sklavinnen vorzugsweiſe im Hausdienſte und zu weiblichen Arbeiten, ſo galten beide Geſchlechter für Waa- ren verſchiedener Art, und daher war ein Irrthum über das Geſchlecht ein weſentlicher Irrthum. Auch hier nun würde es wieder ganz irrig ſeyn, bey dem abſtracten Be- griff des Geſchlechts ſtehen zu bleiben, und dieſen überall anzuwenden, auch bey einem Kauf von Thieren. Denn bey Pferden z. B. iſt die regelmäßige Benutzung unab- hängig von dem Geſchlecht, und es darf daher der Irr- thum hierüber nicht für einen weſentlichen gehalten werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/294
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 282. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/294>, abgerufen am 23.11.2024.