Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.§. 141. Vertrag. (Fortsetzung.) jedes Ehegatten an der Person des anderen (ein auf ding-liche Art persönliches Recht) annimmt, welches dann wie- der nur durch das Zusammentreffen des Vertrags mit der Tradition (copula carnalis) wirklich erworben werden kann (S. 110. 111). Die Ehe ist ihm daher recht eigentlich ein obligatorischer Vertrag, und er erklärt sie ausdrücklich (S. 107) als "die Verbindung zweyer Personen verschie- "denen Geschlechts zum lebenswierigen wechselsei- "tigen Besitz ihrer Geschlechtseigenschaften." -- Hegel (e) erklärt zwar wörtlich gleichfalls den Vertrag, so wie Kant, als gleichbedeutend mit der Veräußerung (§ 71 -- 75); bey ihm aber ist diese enge Begränzung doch nur scheinbar, indem er auch die einzelne Thätigkeit der Person als Sache, das heißt als Gegenstand des Eigen- thums und der Veräußerung, behandelt (§ 67. 80). In der That also nennt er Vertrag alles Dasjenige, was ich oben als den obligatorischen Vertrag bezeichnet habe. Weiter aber geht er auch nicht, vielmehr erklärt er sich bestimmt, und selbst in harten Ausdrücken, gegen die Be- handlung der Ehe und des Staats als Vertrag (§ 75). Was den Staat betrifft, so ist im vorigen §. gleichfalls die Natur desselben als eines Vertrags verneint worden, und zwar deswegen, weil der Staat überhaupt nicht von individueller Willkühr ausgeht; dieses also ist von dem hier erhobenen Streit über den Vertragsbegriff unabhän- gig. Der harte Tadel gegen die Subsumtion der Ehe (e) Hegel Grundlinien der Philosophie des Rechts Berlin 1833.
§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.) jedes Ehegatten an der Perſon des anderen (ein auf ding-liche Art perſoͤnliches Recht) annimmt, welches dann wie- der nur durch das Zuſammentreffen des Vertrags mit der Tradition (copula carnalis) wirklich erworben werden kann (S. 110. 111). Die Ehe iſt ihm daher recht eigentlich ein obligatoriſcher Vertrag, und er erklärt ſie ausdrücklich (S. 107) als „die Verbindung zweyer Perſonen verſchie- „denen Geſchlechts zum lebenswierigen wechſelſei- „tigen Beſitz ihrer Geſchlechtseigenſchaften.“ — Hegel (e) erklärt zwar woͤrtlich gleichfalls den Vertrag, ſo wie Kant, als gleichbedeutend mit der Veräußerung (§ 71 — 75); bey ihm aber iſt dieſe enge Begränzung doch nur ſcheinbar, indem er auch die einzelne Thätigkeit der Perſon als Sache, das heißt als Gegenſtand des Eigen- thums und der Veräußerung, behandelt (§ 67. 80). In der That alſo nennt er Vertrag alles Dasjenige, was ich oben als den obligatoriſchen Vertrag bezeichnet habe. Weiter aber geht er auch nicht, vielmehr erklärt er ſich beſtimmt, und ſelbſt in harten Ausdrücken, gegen die Be- handlung der Ehe und des Staats als Vertrag (§ 75). Was den Staat betrifft, ſo iſt im vorigen §. gleichfalls die Natur deſſelben als eines Vertrags verneint worden, und zwar deswegen, weil der Staat überhaupt nicht von individueller Willkühr ausgeht; dieſes alſo iſt von dem hier erhobenen Streit über den Vertragsbegriff unabhän- gig. Der harte Tadel gegen die Subſumtion der Ehe (e) Hegel Grundlinien der Philoſophie des Rechts Berlin 1833.
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§. 141. Vertrag. (Fortſetzung.)
jedes Ehegatten an der Perſon des anderen (ein auf ding-
liche Art perſoͤnliches Recht) annimmt, welches dann wie-
der nur durch das Zuſammentreffen des Vertrags mit der
Tradition (copula carnalis) wirklich erworben werden kann
(S. 110. 111). Die Ehe iſt ihm daher recht eigentlich ein
obligatoriſcher Vertrag, und er erklärt ſie ausdrücklich
(S. 107) als „die Verbindung zweyer Perſonen verſchie-
„denen Geſchlechts zum lebenswierigen wechſelſei-
„tigen Beſitz ihrer Geſchlechtseigenſchaften.“ —
Hegel (e) erklärt zwar woͤrtlich gleichfalls den Vertrag,
ſo wie Kant, als gleichbedeutend mit der Veräußerung
(§ 71 — 75); bey ihm aber iſt dieſe enge Begränzung doch
nur ſcheinbar, indem er auch die einzelne Thätigkeit der
Perſon als Sache, das heißt als Gegenſtand des Eigen-
thums und der Veräußerung, behandelt (§ 67. 80). In
der That alſo nennt er Vertrag alles Dasjenige, was
ich oben als den obligatoriſchen Vertrag bezeichnet habe.
Weiter aber geht er auch nicht, vielmehr erklärt er ſich
beſtimmt, und ſelbſt in harten Ausdrücken, gegen die Be-
handlung der Ehe und des Staats als Vertrag (§ 75).
Was den Staat betrifft, ſo iſt im vorigen §. gleichfalls
die Natur deſſelben als eines Vertrags verneint worden,
und zwar deswegen, weil der Staat überhaupt nicht von
individueller Willkühr ausgeht; dieſes alſo iſt von dem
hier erhobenen Streit über den Vertragsbegriff unabhän-
gig. Der harte Tadel gegen die Subſumtion der Ehe
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