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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Beylage VIII.
auch der Unterschied zwischen dem factischen und Rechts-
irrthum, indem auch dieser letzte das Daseyn des Wil-
lens, mithin den positiven Grund irgend einer Rechtsän-
derung, ausschließt.

Bestätigungen der hier aufgestellten Ansicht sind fol-
gende.

Wer auf seinem Grundstück solche Arbeiten vornimmt,
wodurch das Regenwasser einem Nachbar schädlich wer-
den kann, wird durch eine eigene Klage zur Herstellung
des früheren Zustandes gezwungen. Hat aber der Nach-
bar die Arbeit gewußt und geschehen lassen, so hat er
dadurch in die möglichen Nachtheile stillschweigend einge-
willigt, weshalb die Klage wegfällt. Jedoch kann wie-
derum diese Ausnahme nicht gelten, wenn der Nachbar
aus Irrthum die Gefährlichkeit der Arbeit nicht einsah;
denn nun kann sein Stillschweigen nicht als freye Unter-
werfung unter diese Gefahr angesehen werden (a). Dabey
ist nun blos von error aut imperitia die Rede, ohne Un-
terschied ob der Irrthum schwer oder leicht zu vermeiden
war, welcher letzte Fall hier wohl am häufigsten ange-
nommen werden dürfte.


(a) L. 19. 20 de aqua et aquae
pluv.
(39. 3.).
Dieses ist eine der
oben angeführten Stellen (Num.
VII.), deren allgemeiner Ausdruck
dahin führen könnte, wegen des
Irrthums das Daseyn jedes (auch
des ausdrücklich erklärten) Wil-
lens zu verneinen. -- Der au-
genscheinliche Grund der von der
Ausnahme gemachten Ausnahme
liegt darin, daß der Nachbar, dem
die Arbeit wirklich keine Gefahr
bringt, auch kein Recht des Wi-
derspruchs hat, weshalb sein
Schweigen nicht als Einwilligung
gelten kann.

Beylage VIII.
auch der Unterſchied zwiſchen dem factiſchen und Rechts-
irrthum, indem auch dieſer letzte das Daſeyn des Wil-
lens, mithin den poſitiven Grund irgend einer Rechtsän-
derung, ausſchließt.

Beſtätigungen der hier aufgeſtellten Anſicht ſind fol-
gende.

Wer auf ſeinem Grundſtück ſolche Arbeiten vornimmt,
wodurch das Regenwaſſer einem Nachbar ſchädlich wer-
den kann, wird durch eine eigene Klage zur Herſtellung
des früheren Zuſtandes gezwungen. Hat aber der Nach-
bar die Arbeit gewußt und geſchehen laſſen, ſo hat er
dadurch in die möglichen Nachtheile ſtillſchweigend einge-
willigt, weshalb die Klage wegfällt. Jedoch kann wie-
derum dieſe Ausnahme nicht gelten, wenn der Nachbar
aus Irrthum die Gefährlichkeit der Arbeit nicht einſah;
denn nun kann ſein Stillſchweigen nicht als freye Unter-
werfung unter dieſe Gefahr angeſehen werden (a). Dabey
iſt nun blos von error aut imperitia die Rede, ohne Un-
terſchied ob der Irrthum ſchwer oder leicht zu vermeiden
war, welcher letzte Fall hier wohl am häufigſten ange-
nommen werden dürfte.


(a) L. 19. 20 de aqua et aquae
pluv.
(39. 3.).
Dieſes iſt eine der
oben angeführten Stellen (Num.
VII.), deren allgemeiner Ausdruck
dahin führen könnte, wegen des
Irrthums das Daſeyn jedes (auch
des ausdrücklich erklärten) Wil-
lens zu verneinen. — Der au-
genſcheinliche Grund der von der
Ausnahme gemachten Ausnahme
liegt darin, daß der Nachbar, dem
die Arbeit wirklich keine Gefahr
bringt, auch kein Recht des Wi-
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[364/0376] Beylage VIII. auch der Unterſchied zwiſchen dem factiſchen und Rechts- irrthum, indem auch dieſer letzte das Daſeyn des Wil- lens, mithin den poſitiven Grund irgend einer Rechtsän- derung, ausſchließt. Beſtätigungen der hier aufgeſtellten Anſicht ſind fol- gende. Wer auf ſeinem Grundſtück ſolche Arbeiten vornimmt, wodurch das Regenwaſſer einem Nachbar ſchädlich wer- den kann, wird durch eine eigene Klage zur Herſtellung des früheren Zuſtandes gezwungen. Hat aber der Nach- bar die Arbeit gewußt und geſchehen laſſen, ſo hat er dadurch in die möglichen Nachtheile ſtillſchweigend einge- willigt, weshalb die Klage wegfällt. Jedoch kann wie- derum dieſe Ausnahme nicht gelten, wenn der Nachbar aus Irrthum die Gefährlichkeit der Arbeit nicht einſah; denn nun kann ſein Stillſchweigen nicht als freye Unter- werfung unter dieſe Gefahr angeſehen werden (a). Dabey iſt nun blos von error aut imperitia die Rede, ohne Un- terſchied ob der Irrthum ſchwer oder leicht zu vermeiden war, welcher letzte Fall hier wohl am häufigſten ange- nommen werden dürfte. (a) L. 19. 20 de aqua et aquae pluv. (39. 3.). Dieſes iſt eine der oben angeführten Stellen (Num. VII.), deren allgemeiner Ausdruck dahin führen könnte, wegen des Irrthums das Daſeyn jedes (auch des ausdrücklich erklärten) Wil- lens zu verneinen. — Der au- genſcheinliche Grund der von der Ausnahme gemachten Ausnahme liegt darin, daß der Nachbar, dem die Arbeit wirklich keine Gefahr bringt, auch kein Recht des Wi- derſpruchs hat, weshalb ſein Schweigen nicht als Einwilligung gelten kann.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/376>, abgerufen am 19.05.2024.