Allein nicht jeder Irrthum schließt die stillschweigende Willenserklärung aus, sondern nur derjenige, welcher dem Schluß von der Handlung auf das Daseyn des Willens im Wege steht. Wenn also jener berufene Erbe die erb- schaftlichen Geschäfte besorgt, weil er aus Irrthum die Erbschaft für vortheilhaft hält, obgleich sie insolvent ist, so ist er dennoch Erbe geworden; denn der Wille, Erbe zu werden, war in ihm unzweifelhaft vorhanden.
XIII.
Bisher war die Rede von solchen Fällen, worin die regelmäßige Wirksamkeit von Rechtsgeschäften wegen eines Irrthums auf irgend eine Weise gehemmt wird. Umge- kehrt aber giebt es auch Fälle, worin die in der Regel eintretende Ungültigkeit eines Rechtsgeschäfts durch die Zwischenkunft eines Irrthums weggeräumt, und dem Ge- schäft Gültigkeit verschafft wird.
In einigen Fällen geschieht dieses gleich von Anfang an, so daß dann zu keiner Zeit die Ungültigkeit des Ge- schäfts behauptet werden kann. Das Sctum Macedonia- num erklärt das Gelddarlehen an einen in väterlicher Ge- walt stehenden Schuldner allgemein für ungültig, ohne zu unterscheiden, ob der Glaubiger jene Eigenschaft des Schuldners kenne oder nicht (a). Die Interpretation der
heres egit, sed quasi alio jure dominus" ... § 1 eod. ".. aut putavit sua."
(a)L. 1 pr. de Sc. Maced. (14. 6.).
Beylage VIII.
Allein nicht jeder Irrthum ſchließt die ſtillſchweigende Willenserklärung aus, ſondern nur derjenige, welcher dem Schluß von der Handlung auf das Daſeyn des Willens im Wege ſteht. Wenn alſo jener berufene Erbe die erb- ſchaftlichen Geſchäfte beſorgt, weil er aus Irrthum die Erbſchaft für vortheilhaft hält, obgleich ſie inſolvent iſt, ſo iſt er dennoch Erbe geworden; denn der Wille, Erbe zu werden, war in ihm unzweifelhaft vorhanden.
XIII.
Bisher war die Rede von ſolchen Fällen, worin die regelmäßige Wirkſamkeit von Rechtsgeſchäften wegen eines Irrthums auf irgend eine Weiſe gehemmt wird. Umge- kehrt aber giebt es auch Fälle, worin die in der Regel eintretende Ungültigkeit eines Rechtsgeſchäfts durch die Zwiſchenkunft eines Irrthums weggeräumt, und dem Ge- ſchäft Gültigkeit verſchafft wird.
In einigen Fällen geſchieht dieſes gleich von Anfang an, ſo daß dann zu keiner Zeit die Ungültigkeit des Ge- ſchäfts behauptet werden kann. Das Sctum Macedonia- num erklärt das Gelddarlehen an einen in väterlicher Ge- walt ſtehenden Schuldner allgemein für ungültig, ohne zu unterſcheiden, ob der Glaubiger jene Eigenſchaft des Schuldners kenne oder nicht (a). Die Interpretation der
heres egit, sed quasi alio jure dominus” … § 1 eod. „.. aut putavit sua.”
(a)L. 1 pr. de Sc. Maced. (14. 6.).
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0378"n="366"/><fwplace="top"type="header">Beylage <hirendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/><p>Allein nicht jeder Irrthum ſchließt die ſtillſchweigende<lb/>
Willenserklärung aus, ſondern nur derjenige, welcher dem<lb/>
Schluß von der Handlung auf das Daſeyn des Willens<lb/>
im Wege ſteht. Wenn alſo jener berufene Erbe die erb-<lb/>ſchaftlichen Geſchäfte beſorgt, weil er aus Irrthum die<lb/>
Erbſchaft für vortheilhaft hält, obgleich ſie inſolvent iſt,<lb/>ſo iſt er dennoch Erbe geworden; denn der Wille, Erbe<lb/>
zu werden, war in ihm unzweifelhaft vorhanden.</p></div><lb/><divn="2"><head><hirendition="#aq">XIII.</hi></head><lb/><p>Bisher war die Rede von ſolchen Fällen, worin die<lb/>
regelmäßige Wirkſamkeit von Rechtsgeſchäften wegen eines<lb/>
Irrthums auf irgend eine Weiſe gehemmt wird. Umge-<lb/>
kehrt aber giebt es auch Fälle, worin die in der Regel<lb/>
eintretende Ungültigkeit eines Rechtsgeſchäfts durch die<lb/>
Zwiſchenkunft eines Irrthums weggeräumt, und dem Ge-<lb/>ſchäft Gültigkeit verſchafft wird.</p><lb/><p>In einigen Fällen geſchieht dieſes gleich von Anfang<lb/>
an, ſo daß dann zu keiner Zeit die Ungültigkeit des Ge-<lb/>ſchäfts behauptet werden kann. Das <hirendition="#aq">Sctum Macedonia-<lb/>
num</hi> erklärt das Gelddarlehen an einen in väterlicher Ge-<lb/>
walt ſtehenden Schuldner allgemein für ungültig, ohne<lb/>
zu unterſcheiden, ob der Glaubiger jene Eigenſchaft des<lb/>
Schuldners kenne oder nicht <noteplace="foot"n="(a)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 1 <hirendition="#i">pr. de Sc. Maced.</hi><lb/>
(14. 6.).</hi></note>. Die Interpretation der<lb/><notexml:id="seg2pn_64_2"prev="#seg2pn_64_1"place="foot"n="(d)"><hirendition="#aq">heres egit, sed quasi alio jure<lb/>
dominus”… § 1 <hirendition="#i">eod.</hi>„.. aut<lb/>
putavit sua.”</hi></note><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[366/0378]
Beylage VIII.
Allein nicht jeder Irrthum ſchließt die ſtillſchweigende
Willenserklärung aus, ſondern nur derjenige, welcher dem
Schluß von der Handlung auf das Daſeyn des Willens
im Wege ſteht. Wenn alſo jener berufene Erbe die erb-
ſchaftlichen Geſchäfte beſorgt, weil er aus Irrthum die
Erbſchaft für vortheilhaft hält, obgleich ſie inſolvent iſt,
ſo iſt er dennoch Erbe geworden; denn der Wille, Erbe
zu werden, war in ihm unzweifelhaft vorhanden.
XIII.
Bisher war die Rede von ſolchen Fällen, worin die
regelmäßige Wirkſamkeit von Rechtsgeſchäften wegen eines
Irrthums auf irgend eine Weiſe gehemmt wird. Umge-
kehrt aber giebt es auch Fälle, worin die in der Regel
eintretende Ungültigkeit eines Rechtsgeſchäfts durch die
Zwiſchenkunft eines Irrthums weggeräumt, und dem Ge-
ſchäft Gültigkeit verſchafft wird.
In einigen Fällen geſchieht dieſes gleich von Anfang
an, ſo daß dann zu keiner Zeit die Ungültigkeit des Ge-
ſchäfts behauptet werden kann. Das Sctum Macedonia-
num erklärt das Gelddarlehen an einen in väterlicher Ge-
walt ſtehenden Schuldner allgemein für ungültig, ohne
zu unterſcheiden, ob der Glaubiger jene Eigenſchaft des
Schuldners kenne oder nicht (a). Die Interpretation der
(d)
(a) L. 1 pr. de Sc. Maced.
(14. 6.).
(d) heres egit, sed quasi alio jure
dominus” … § 1 eod. „.. aut
putavit sua.”
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/378>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.