Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

Bild:
<< vorherige Seite

Beylage VIII.
-- Dieser Grund ist der scheinbarste unter allen, jedoch
nicht entscheidend. Es steht fest, daß die wissentliche Zah-
lung (mit einigen Ausnahmen) nicht zurückgefordert werden
kann, wohl aber die aus factischem Irrthum geleistete; der
Rechtsirrthum ist bestritten. Der Fall der wissentlichen
Zahlung war am leichtesten und sichersten durch die Ab-
sicht der Schenkung zu beseitigen, und darum wurde vor-
zugsweise dieser Grund geltend gemacht. Es folgt aber
daraus nicht, daß es der einzige Grund sey, und daß in
Ermanglung desselben das Gegentheil gelten müsse. Ge-
rade umgekehrt bedarf jede Anwendung der Condiction ei-
ner positiven Begründung, diese liegt in dem Irrthum, der
Irrthum aber darf überall, um wirken zu können, kein
verschuldeter, also unter andern kein Rechtsirrthum seyn.

XXXVII.

Bisher ist die Frage aus allgemeinen, für beide Mey-
nungen aufgestellten, Gründen erwogen worden; ich wende
mich jetzt zu einzelnen Aussprüchen unsrer Rechtsquellen,
welche aber wiederum die Frage theils im Allgemeinen,
theils in der Anwendung auf besondere Fälle, beantworten.
Allgemein redende Stellen sind folgende.

L. 10 C. h. t. "Cum quis jus ignorans indebitam pe-
cuniam solverit, cessat repetitio. Per ignorantiam
enim facti tantum repetitionem indebiti soluti com-
petere tibi notum est."
L. 6 C. h. t. "Si . . indebitam, errore facti, olei mate-

Beylage VIII.
— Dieſer Grund iſt der ſcheinbarſte unter allen, jedoch
nicht entſcheidend. Es ſteht feſt, daß die wiſſentliche Zah-
lung (mit einigen Ausnahmen) nicht zurückgefordert werden
kann, wohl aber die aus factiſchem Irrthum geleiſtete; der
Rechtsirrthum iſt beſtritten. Der Fall der wiſſentlichen
Zahlung war am leichteſten und ſicherſten durch die Ab-
ſicht der Schenkung zu beſeitigen, und darum wurde vor-
zugsweiſe dieſer Grund geltend gemacht. Es folgt aber
daraus nicht, daß es der einzige Grund ſey, und daß in
Ermanglung deſſelben das Gegentheil gelten müſſe. Ge-
rade umgekehrt bedarf jede Anwendung der Condiction ei-
ner poſitiven Begründung, dieſe liegt in dem Irrthum, der
Irrthum aber darf überall, um wirken zu können, kein
verſchuldeter, alſo unter andern kein Rechtsirrthum ſeyn.

XXXVII.

Bisher iſt die Frage aus allgemeinen, für beide Mey-
nungen aufgeſtellten, Gründen erwogen worden; ich wende
mich jetzt zu einzelnen Ausſprüchen unſrer Rechtsquellen,
welche aber wiederum die Frage theils im Allgemeinen,
theils in der Anwendung auf beſondere Fälle, beantworten.
Allgemein redende Stellen ſind folgende.

L. 10 C. h. t. „Cum quis jus ignorans indebitam pe-
cuniam solverit, cessat repetitio. Per ignorantiam
enim facti tantum repetitionem indebiti soluti com-
petere tibi notum est.”
L. 6 C. h. t. „Si . . indebitam, errore facti, olei mate-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0466" n="454"/><fw place="top" type="header">Beylage <hi rendition="#aq">VIII.</hi></fw><lb/>
&#x2014; Die&#x017F;er Grund i&#x017F;t der &#x017F;cheinbar&#x017F;te unter allen, jedoch<lb/>
nicht ent&#x017F;cheidend. Es &#x017F;teht fe&#x017F;t, daß die wi&#x017F;&#x017F;entliche Zah-<lb/>
lung (mit einigen Ausnahmen) nicht zurückgefordert werden<lb/>
kann, wohl aber die aus facti&#x017F;chem Irrthum gelei&#x017F;tete; der<lb/>
Rechtsirrthum i&#x017F;t be&#x017F;tritten. Der Fall der wi&#x017F;&#x017F;entlichen<lb/>
Zahlung war am leichte&#x017F;ten und &#x017F;icher&#x017F;ten durch die Ab-<lb/>
&#x017F;icht der Schenkung zu be&#x017F;eitigen, und darum wurde vor-<lb/>
zugswei&#x017F;e die&#x017F;er Grund geltend gemacht. Es folgt aber<lb/>
daraus nicht, daß es der einzige Grund &#x017F;ey, und daß in<lb/>
Ermanglung de&#x017F;&#x017F;elben das Gegentheil gelten mü&#x017F;&#x017F;e. Ge-<lb/>
rade umgekehrt bedarf jede Anwendung der Condiction ei-<lb/>
ner po&#x017F;itiven Begründung, die&#x017F;e liegt in dem Irrthum, der<lb/>
Irrthum aber darf überall, um wirken zu können, kein<lb/>
ver&#x017F;chuldeter, al&#x017F;o unter andern kein Rechtsirrthum &#x017F;eyn.</p>
        </div><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#aq">XXXVII.</hi> </head><lb/>
          <p>Bisher i&#x017F;t die Frage aus allgemeinen, für beide Mey-<lb/>
nungen aufge&#x017F;tellten, Gründen erwogen worden; ich wende<lb/>
mich jetzt zu einzelnen Aus&#x017F;prüchen un&#x017F;rer Rechtsquellen,<lb/>
welche aber wiederum die Frage theils im Allgemeinen,<lb/>
theils in der Anwendung auf be&#x017F;ondere Fälle, beantworten.<lb/>
Allgemein redende Stellen &#x017F;ind folgende.</p><lb/>
          <list>
            <item> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 10 <hi rendition="#i">C. h. t.</hi> &#x201E;Cum quis <hi rendition="#i">jus ignorans</hi> indebitam pe-<lb/>
cuniam solverit, <hi rendition="#i">cessat repetitio. Per ignorantiam<lb/>
enim facti tantum repetitionem indebiti soluti com-<lb/>
petere tibi notum est.&#x201D;</hi></hi> </item><lb/>
            <item> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 6 <hi rendition="#i">C. h. t.</hi> &#x201E;Si . . indebitam, <hi rendition="#i">errore facti,</hi> olei mate-</hi><lb/>
            </item>
          </list>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[454/0466] Beylage VIII. — Dieſer Grund iſt der ſcheinbarſte unter allen, jedoch nicht entſcheidend. Es ſteht feſt, daß die wiſſentliche Zah- lung (mit einigen Ausnahmen) nicht zurückgefordert werden kann, wohl aber die aus factiſchem Irrthum geleiſtete; der Rechtsirrthum iſt beſtritten. Der Fall der wiſſentlichen Zahlung war am leichteſten und ſicherſten durch die Ab- ſicht der Schenkung zu beſeitigen, und darum wurde vor- zugsweiſe dieſer Grund geltend gemacht. Es folgt aber daraus nicht, daß es der einzige Grund ſey, und daß in Ermanglung deſſelben das Gegentheil gelten müſſe. Ge- rade umgekehrt bedarf jede Anwendung der Condiction ei- ner poſitiven Begründung, dieſe liegt in dem Irrthum, der Irrthum aber darf überall, um wirken zu können, kein verſchuldeter, alſo unter andern kein Rechtsirrthum ſeyn. XXXVII. Bisher iſt die Frage aus allgemeinen, für beide Mey- nungen aufgeſtellten, Gründen erwogen worden; ich wende mich jetzt zu einzelnen Ausſprüchen unſrer Rechtsquellen, welche aber wiederum die Frage theils im Allgemeinen, theils in der Anwendung auf beſondere Fälle, beantworten. Allgemein redende Stellen ſind folgende. L. 10 C. h. t. „Cum quis jus ignorans indebitam pe- cuniam solverit, cessat repetitio. Per ignorantiam enim facti tantum repetitionem indebiti soluti com- petere tibi notum est.” L. 6 C. h. t. „Si . . indebitam, errore facti, olei mate-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/466
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 454. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/466>, abgerufen am 27.11.2024.