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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840.

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Irrthum und Unwissenheit.
thum entkräftet den Vertrag nur bey dem Dolus des Geg-
ners (§ 871); nicht, wenn er durch einen Dritten oder
den Irrenden selbst (also auch nicht wenn er durch blo-
ßen Zufall) entstanden ist (§ 875. 876). -- Die condictio
indebiti
wird durch jeden Irrthum begründet, auch durch
den Rechtsirrthum (§ 1431); welches letzte, verglichen mit
der vorher angegebenen Strenge der allgemeinen Vor-
schrift, nicht ganz consequent scheint.

Das Französische Gesetzbuch scheint im Fall je-
der Art des Irrthums die Verträge für ungültig anzuse-
hen (art. 1109). In der That aber ist damit doch nur
der error in corpore und Ähnliches gemeynt (art. 1110).
Der Irrthum im Beweggrund, wohin namentlich der über
den Werth und die Brauchbarkeit der Sache gehört, wird
unter der allgemeinen Bezeichnung der lesion begriffen,
und gegen diese finden zwar die Minderjährigen allgemein
Schutz (art. 1305), die Volljährigen aber in der Regel
nicht (art. 1313), und nur ausnahmsweise bey dem Ver-

rechtfertigt diese Vorschrift da-
durch, daß bey einem guten ein-
heimischen Gesetzbuch selbst der
minder Gebildete nicht leicht durch
Rechtsunwissenheit in Schaden
kommen könne. Das R. R., sagt
er, gestattete in mehreren Fällen
den Landleuten, Soldaten, Wei-
bern u. s. w. die Entschuldigung
der Rechtsunwissenheit. "Bey ei-
ner zahllosen Menge unordentlich
zusammengehäufter, in einer
gelehrten
, wenigstens den er-
wähnten Personen unverständli-
chen Sprache abgefaßter Gesetze
war die Ausnahme billig, ja sie
hätte billigerweise schon zur Zeit
der Römer .... beynahe auf alle
... ausgedehnt werden sollen."
Dabey scheint fast die Voraus-
setzung zum Grund zu liegen, das
Römische Volk habe Wienerisch
gesprochen, und deshalb die latei-
nisch geschriebenen Volksschlüsse
und Edicte nicht verstehen können.

Irrthum und Unwiſſenheit.
thum entkräftet den Vertrag nur bey dem Dolus des Geg-
ners (§ 871); nicht, wenn er durch einen Dritten oder
den Irrenden ſelbſt (alſo auch nicht wenn er durch blo-
ßen Zufall) entſtanden iſt (§ 875. 876). — Die condictio
indebiti
wird durch jeden Irrthum begründet, auch durch
den Rechtsirrthum (§ 1431); welches letzte, verglichen mit
der vorher angegebenen Strenge der allgemeinen Vor-
ſchrift, nicht ganz conſequent ſcheint.

Das Franzöſiſche Geſetzbuch ſcheint im Fall je-
der Art des Irrthums die Verträge für ungültig anzuſe-
hen (art. 1109). In der That aber iſt damit doch nur
der error in corpore und Ähnliches gemeynt (art. 1110).
Der Irrthum im Beweggrund, wohin namentlich der über
den Werth und die Brauchbarkeit der Sache gehört, wird
unter der allgemeinen Bezeichnung der lésion begriffen,
und gegen dieſe finden zwar die Minderjährigen allgemein
Schutz (art. 1305), die Volljährigen aber in der Regel
nicht (art. 1313), und nur ausnahmsweiſe bey dem Ver-

rechtfertigt dieſe Vorſchrift da-
durch, daß bey einem guten ein-
heimiſchen Geſetzbuch ſelbſt der
minder Gebildete nicht leicht durch
Rechtsunwiſſenheit in Schaden
kommen könne. Das R. R., ſagt
er, geſtattete in mehreren Fällen
den Landleuten, Soldaten, Wei-
bern u. ſ. w. die Entſchuldigung
der Rechtsunwiſſenheit. „Bey ei-
ner zahlloſen Menge unordentlich
zuſammengehäufter, in einer
gelehrten
, wenigſtens den er-
wähnten Perſonen unverſtändli-
chen Sprache abgefaßter Geſetze
war die Ausnahme billig, ja ſie
hätte billigerweiſe ſchon zur Zeit
der Römer .... beynahe auf alle
… ausgedehnt werden ſollen.“
Dabey ſcheint faſt die Voraus-
ſetzung zum Grund zu liegen, das
Römiſche Volk habe Wieneriſch
geſprochen, und deshalb die latei-
niſch geſchriebenen Volksſchlüſſe
und Edicte nicht verſtehen können.
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[471/0483] Irrthum und Unwiſſenheit. thum entkräftet den Vertrag nur bey dem Dolus des Geg- ners (§ 871); nicht, wenn er durch einen Dritten oder den Irrenden ſelbſt (alſo auch nicht wenn er durch blo- ßen Zufall) entſtanden iſt (§ 875. 876). — Die condictio indebiti wird durch jeden Irrthum begründet, auch durch den Rechtsirrthum (§ 1431); welches letzte, verglichen mit der vorher angegebenen Strenge der allgemeinen Vor- ſchrift, nicht ganz conſequent ſcheint. Das Franzöſiſche Geſetzbuch ſcheint im Fall je- der Art des Irrthums die Verträge für ungültig anzuſe- hen (art. 1109). In der That aber iſt damit doch nur der error in corpore und Ähnliches gemeynt (art. 1110). Der Irrthum im Beweggrund, wohin namentlich der über den Werth und die Brauchbarkeit der Sache gehört, wird unter der allgemeinen Bezeichnung der lésion begriffen, und gegen dieſe finden zwar die Minderjährigen allgemein Schutz (art. 1305), die Volljährigen aber in der Regel nicht (art. 1313), und nur ausnahmsweiſe bey dem Ver- (b) (b) rechtfertigt dieſe Vorſchrift da- durch, daß bey einem guten ein- heimiſchen Geſetzbuch ſelbſt der minder Gebildete nicht leicht durch Rechtsunwiſſenheit in Schaden kommen könne. Das R. R., ſagt er, geſtattete in mehreren Fällen den Landleuten, Soldaten, Wei- bern u. ſ. w. die Entſchuldigung der Rechtsunwiſſenheit. „Bey ei- ner zahlloſen Menge unordentlich zuſammengehäufter, in einer gelehrten, wenigſtens den er- wähnten Perſonen unverſtändli- chen Sprache abgefaßter Geſetze war die Ausnahme billig, ja ſie hätte billigerweiſe ſchon zur Zeit der Römer .... beynahe auf alle … ausgedehnt werden ſollen.“ Dabey ſcheint faſt die Voraus- ſetzung zum Grund zu liegen, das Römiſche Volk habe Wieneriſch geſprochen, und deshalb die latei- niſch geſchriebenen Volksſchlüſſe und Edicte nicht verſtehen können.

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 3. Berlin, 1840, S. 471. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system03_1840/483>, abgerufen am 23.11.2024.