Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
gen Recht übrig ist: wegen nachgeborner Kinder des Ge-
bers, und wegen Undankbarkeit des Empfängers.

Die erste Art des Widerrufs hatte folgenden Ursprung.
Wenn ein Patron seinem Freygelassenen Etwas schenkte,
so galt lange Zeit ein ganz willkührlicher Widerruf. Man
nahm an, der Patron werde dazu im Betragen des Frey-
gelassenen Gründe gefunden haben, die kein Richter prü-
fen dürfe; erst mit dem Tode des Patrons sollte diese
Willkühr aufhören (f). Späterhin gieng man von diesem
ausgedehnten Recht des Patrons ab, und gestattete ihm
den Widerruf nur in zwey Fällen: bey nachgebornen Kin-
dern, und bey erweislicher Undankbarkeit. Der erste die-
ser Fälle, der sich in einer Constitution des K. Constantius
vom J. 355 erhalten hat (g), kann für uns nur noch hi-
storische Bedeutung haben. Manche haben Dieses bezwei-
felt, indem sie dasselbe Recht des Widerrufs auf jede
Schenkung überhaupt, nicht blos auf die von einem Pa-
tron ausgehende, anwenden wollten; sie giengen davon
aus, daß die Rescripte des Codex oft die Zufälligkeiten
des einzelnen Falles erwähnten, ohne daß wir diese als

(f) Fragm. Vaticana § 272.
313. -- Ganz unrichtig würde man
damit in Verbindung bringen
wollen die ähnlich lautende Re-
gel, daß die Schenkung eines
Vaters an seinen Sohn in po-
testate
erst durch den Tod be-
stätigt wird. (Fragm. Vatic.
§ 274. 277. 278. 281. L. 25 C.
de don. int. vir.
5. 16.). Denn
dieses gründet sich nicht auf ein
besonderes Revocationsrecht des
Vaters, sondern auf die natür-
liche Nichtigkeit einer solchen
Schenkung, die nur durch die
Bestätigung vermittelst eines (still-
schweigenden) letzten Willens be-
seitigt werden kann.
(g) L. 3 C. Th. de revoc. don.
(8. 13.), L. 8 C. Just. eod.
(8. 56.).

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
gen Recht übrig iſt: wegen nachgeborner Kinder des Ge-
bers, und wegen Undankbarkeit des Empfängers.

Die erſte Art des Widerrufs hatte folgenden Urſprung.
Wenn ein Patron ſeinem Freygelaſſenen Etwas ſchenkte,
ſo galt lange Zeit ein ganz willkührlicher Widerruf. Man
nahm an, der Patron werde dazu im Betragen des Frey-
gelaſſenen Gründe gefunden haben, die kein Richter prü-
fen dürfe; erſt mit dem Tode des Patrons ſollte dieſe
Willkühr aufhören (f). Späterhin gieng man von dieſem
ausgedehnten Recht des Patrons ab, und geſtattete ihm
den Widerruf nur in zwey Fällen: bey nachgebornen Kin-
dern, und bey erweislicher Undankbarkeit. Der erſte die-
ſer Fälle, der ſich in einer Conſtitution des K. Conſtantius
vom J. 355 erhalten hat (g), kann für uns nur noch hi-
ſtoriſche Bedeutung haben. Manche haben Dieſes bezwei-
felt, indem ſie daſſelbe Recht des Widerrufs auf jede
Schenkung überhaupt, nicht blos auf die von einem Pa-
tron ausgehende, anwenden wollten; ſie giengen davon
aus, daß die Reſcripte des Codex oft die Zufälligkeiten
des einzelnen Falles erwähnten, ohne daß wir dieſe als

(f) Fragm. Vaticana § 272.
313. — Ganz unrichtig würde man
damit in Verbindung bringen
wollen die ähnlich lautende Re-
gel, daß die Schenkung eines
Vaters an ſeinen Sohn in po-
testate
erſt durch den Tod be-
ſtätigt wird. (Fragm. Vatic.
§ 274. 277. 278. 281. L. 25 C.
de don. int. vir.
5. 16.). Denn
dieſes gründet ſich nicht auf ein
beſonderes Revocationsrecht des
Vaters, ſondern auf die natür-
liche Nichtigkeit einer ſolchen
Schenkung, die nur durch die
Beſtätigung vermittelſt eines (ſtill-
ſchweigenden) letzten Willens be-
ſeitigt werden kann.
(g) L. 3 C. Th. de revoc. don.
(8. 13.), L. 8 C. Just. eod.
(8. 56.).
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0242" n="228"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">III.</hi> Ent&#x017F;tehung und Untergang.</fw><lb/>
gen Recht übrig i&#x017F;t: wegen nachgeborner Kinder des Ge-<lb/>
bers, und wegen Undankbarkeit des Empfängers.</p><lb/>
            <p>Die er&#x017F;te Art des Widerrufs hatte folgenden Ur&#x017F;prung.<lb/>
Wenn ein Patron &#x017F;einem Freygela&#x017F;&#x017F;enen Etwas &#x017F;chenkte,<lb/>
&#x017F;o galt lange Zeit ein ganz willkührlicher Widerruf. Man<lb/>
nahm an, der Patron werde dazu im Betragen des Frey-<lb/>
gela&#x017F;&#x017F;enen Gründe gefunden haben, die kein Richter prü-<lb/>
fen dürfe; er&#x017F;t mit dem Tode des Patrons &#x017F;ollte die&#x017F;e<lb/>
Willkühr aufhören <note place="foot" n="(f)"><hi rendition="#k"><hi rendition="#aq">Fragm. Vaticana</hi></hi> § 272.<lb/>
313. &#x2014; Ganz unrichtig würde man<lb/>
damit in Verbindung bringen<lb/>
wollen die ähnlich lautende Re-<lb/>
gel, daß die Schenkung eines<lb/>
Vaters an &#x017F;einen Sohn <hi rendition="#aq">in po-<lb/>
testate</hi> er&#x017F;t durch den Tod be-<lb/>
&#x017F;tätigt wird. (<hi rendition="#aq"><hi rendition="#k">Fragm. Vatic</hi>.<lb/>
§ 274. 277. 278. 281. <hi rendition="#i">L.</hi> 25 <hi rendition="#i">C.<lb/>
de don. int. vir.</hi></hi> 5. 16.). Denn<lb/>
die&#x017F;es gründet &#x017F;ich nicht auf ein<lb/>
be&#x017F;onderes Revocationsrecht des<lb/>
Vaters, &#x017F;ondern auf die natür-<lb/>
liche Nichtigkeit einer &#x017F;olchen<lb/>
Schenkung, die nur durch die<lb/>
Be&#x017F;tätigung vermittel&#x017F;t eines (&#x017F;till-<lb/>
&#x017F;chweigenden) letzten Willens be-<lb/>
&#x017F;eitigt werden kann.</note>. Späterhin gieng man von die&#x017F;em<lb/>
ausgedehnten Recht des Patrons ab, und ge&#x017F;tattete ihm<lb/>
den Widerruf nur in zwey Fällen: bey nachgebornen Kin-<lb/>
dern, und bey erweislicher Undankbarkeit. Der er&#x017F;te die-<lb/>
&#x017F;er Fälle, der &#x017F;ich in einer Con&#x017F;titution des K. Con&#x017F;tantius<lb/>
vom J. 355 erhalten hat <note place="foot" n="(g)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">C. Th. de revoc. don.</hi><lb/>
(8. 13.), <hi rendition="#i">L.</hi> 8 <hi rendition="#i">C. Just. eod.</hi></hi> (8. 56.).</note>, kann für uns nur noch hi-<lb/>
&#x017F;tori&#x017F;che Bedeutung haben. Manche haben Die&#x017F;es bezwei-<lb/>
felt, indem &#x017F;ie da&#x017F;&#x017F;elbe Recht des Widerrufs auf jede<lb/>
Schenkung überhaupt, nicht blos auf die von einem Pa-<lb/>
tron ausgehende, anwenden wollten; &#x017F;ie giengen davon<lb/>
aus, daß die Re&#x017F;cripte des Codex oft die Zufälligkeiten<lb/>
des einzelnen Falles erwähnten, ohne daß wir die&#x017F;e als<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[228/0242] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. gen Recht übrig iſt: wegen nachgeborner Kinder des Ge- bers, und wegen Undankbarkeit des Empfängers. Die erſte Art des Widerrufs hatte folgenden Urſprung. Wenn ein Patron ſeinem Freygelaſſenen Etwas ſchenkte, ſo galt lange Zeit ein ganz willkührlicher Widerruf. Man nahm an, der Patron werde dazu im Betragen des Frey- gelaſſenen Gründe gefunden haben, die kein Richter prü- fen dürfe; erſt mit dem Tode des Patrons ſollte dieſe Willkühr aufhören (f). Späterhin gieng man von dieſem ausgedehnten Recht des Patrons ab, und geſtattete ihm den Widerruf nur in zwey Fällen: bey nachgebornen Kin- dern, und bey erweislicher Undankbarkeit. Der erſte die- ſer Fälle, der ſich in einer Conſtitution des K. Conſtantius vom J. 355 erhalten hat (g), kann für uns nur noch hi- ſtoriſche Bedeutung haben. Manche haben Dieſes bezwei- felt, indem ſie daſſelbe Recht des Widerrufs auf jede Schenkung überhaupt, nicht blos auf die von einem Pa- tron ausgehende, anwenden wollten; ſie giengen davon aus, daß die Reſcripte des Codex oft die Zufälligkeiten des einzelnen Falles erwähnten, ohne daß wir dieſe als (f) Fragm. Vaticana § 272. 313. — Ganz unrichtig würde man damit in Verbindung bringen wollen die ähnlich lautende Re- gel, daß die Schenkung eines Vaters an ſeinen Sohn in po- testate erſt durch den Tod be- ſtätigt wird. (Fragm. Vatic. § 274. 277. 278. 281. L. 25 C. de don. int. vir. 5. 16.). Denn dieſes gründet ſich nicht auf ein beſonderes Revocationsrecht des Vaters, ſondern auf die natür- liche Nichtigkeit einer ſolchen Schenkung, die nur durch die Beſtätigung vermittelſt eines (ſtill- ſchweigenden) letzten Willens be- ſeitigt werden kann. (g) L. 3 C. Th. de revoc. don. (8. 13.), L. 8 C. Just. eod. (8. 56.).

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/242
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/242>, abgerufen am 17.05.2024.