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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

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Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. III. Entstehung und Untergang.
gende Vorschrift: Jeder, der auf den Todesfall schenken
will, hat die Wahl, dafür entweder die alte Form einer
Schenkung, oder aber die Form eines Codicills anzuwen-
den. Im ersten Fall ist dazu, wenn der Werth mehr als
500 Solidi beträgt, die Insinnation erforderlich; im zwey-
ten Fall, ohne Unterschied des Werths, die Zuziehung von
Fünf Zeugen wie bey jedem Codicill. -- Diese Bestim-
mung ist jedoch auf zweyerley Weise misverstanden wor-
den. Erstlich haben Manche angenommen, Justinian habe
hierin die hergebrachte Form der Schenkung ganz abschaf-
fen, und nur allein die Form der Fünf Zeugen gelten las-
sen wollen. Daraus würde folgen, daß es überhaupt
keine Schenkungen auf den Todesfall mehr gebe, sondern
nur noch Legate, bey welchen blos als untergeordnete Mo-
dification der Umstand vorkäme, daß zuweilen der Ge-
genstand des Legats noch bey Lebzeiten des Erblassers dem
Legatar eingehändigt würde. Zu dieser Annahme kann
man verleitet werden, wenn man blos die Einleitungs-
worte des Justinianischen Gesetzes liest. Die Verordnung
selbst enthält nur eine Erleichterung für den Geber, nicht
(wie es nach jener Annahme seyn würde) eine Beschrän-
kung der bis dahin möglichen Formen der Zuwendung;
es wird nur gesagt, der Geber solle selbst bey großen
Schenkungen die Insinuation vermeiden können (durch
Zuziehung von Fünf Zeugen), wobey es ihm also unbe-
nommen bleibt, wenn er es vorzieht, mit Insinuation eine
große Schenkung vorzunehmen, oder selbst formlos zu

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang.
gende Vorſchrift: Jeder, der auf den Todesfall ſchenken
will, hat die Wahl, dafür entweder die alte Form einer
Schenkung, oder aber die Form eines Codicills anzuwen-
den. Im erſten Fall iſt dazu, wenn der Werth mehr als
500 Solidi beträgt, die Inſinnation erforderlich; im zwey-
ten Fall, ohne Unterſchied des Werths, die Zuziehung von
Fünf Zeugen wie bey jedem Codicill. — Dieſe Beſtim-
mung iſt jedoch auf zweyerley Weiſe misverſtanden wor-
den. Erſtlich haben Manche angenommen, Juſtinian habe
hierin die hergebrachte Form der Schenkung ganz abſchaf-
fen, und nur allein die Form der Fünf Zeugen gelten laſ-
ſen wollen. Daraus würde folgen, daß es überhaupt
keine Schenkungen auf den Todesfall mehr gebe, ſondern
nur noch Legate, bey welchen blos als untergeordnete Mo-
dification der Umſtand vorkäme, daß zuweilen der Ge-
genſtand des Legats noch bey Lebzeiten des Erblaſſers dem
Legatar eingehändigt würde. Zu dieſer Annahme kann
man verleitet werden, wenn man blos die Einleitungs-
worte des Juſtinianiſchen Geſetzes lieſt. Die Verordnung
ſelbſt enthält nur eine Erleichterung für den Geber, nicht
(wie es nach jener Annahme ſeyn würde) eine Beſchrän-
kung der bis dahin möglichen Formen der Zuwendung;
es wird nur geſagt, der Geber ſolle ſelbſt bey großen
Schenkungen die Inſinuation vermeiden können (durch
Zuziehung von Fünf Zeugen), wobey es ihm alſo unbe-
nommen bleibt, wenn er es vorzieht, mit Inſinuation eine
große Schenkung vorzunehmen, oder ſelbſt formlos zu

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[262/0276] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. III. Entſtehung und Untergang. gende Vorſchrift: Jeder, der auf den Todesfall ſchenken will, hat die Wahl, dafür entweder die alte Form einer Schenkung, oder aber die Form eines Codicills anzuwen- den. Im erſten Fall iſt dazu, wenn der Werth mehr als 500 Solidi beträgt, die Inſinnation erforderlich; im zwey- ten Fall, ohne Unterſchied des Werths, die Zuziehung von Fünf Zeugen wie bey jedem Codicill. — Dieſe Beſtim- mung iſt jedoch auf zweyerley Weiſe misverſtanden wor- den. Erſtlich haben Manche angenommen, Juſtinian habe hierin die hergebrachte Form der Schenkung ganz abſchaf- fen, und nur allein die Form der Fünf Zeugen gelten laſ- ſen wollen. Daraus würde folgen, daß es überhaupt keine Schenkungen auf den Todesfall mehr gebe, ſondern nur noch Legate, bey welchen blos als untergeordnete Mo- dification der Umſtand vorkäme, daß zuweilen der Ge- genſtand des Legats noch bey Lebzeiten des Erblaſſers dem Legatar eingehändigt würde. Zu dieſer Annahme kann man verleitet werden, wenn man blos die Einleitungs- worte des Juſtinianiſchen Geſetzes lieſt. Die Verordnung ſelbſt enthält nur eine Erleichterung für den Geber, nicht (wie es nach jener Annahme ſeyn würde) eine Beſchrän- kung der bis dahin möglichen Formen der Zuwendung; es wird nur geſagt, der Geber ſolle ſelbſt bey großen Schenkungen die Inſinuation vermeiden können (durch Zuziehung von Fünf Zeugen), wobey es ihm alſo unbe- nommen bleibt, wenn er es vorzieht, mit Inſinuation eine große Schenkung vorzunehmen, oder ſelbſt formlos zu

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Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/276>, abgerufen am 22.11.2024.