enthält dieses Alles nur in einem beschränkten Anfang, keinesweges in der hier dargestellten Ausbildung. Bevor aber Dieses deutlich gemacht werden kann, ist es nöthig die wichtigen Folgen anzugeben, welche aus jener irrigen Auffassung hervor gehen.
Die erste Folge besteht darin, daß nunmehr alle Fälle, welche oben in der ersten Klasse zusammen gestellt worden sind, nach ganz gleichen Rechtsregeln beurtheilt werden müssen; denn diese Rechtsregeln sollen für die praescriptio aufgestellt seyn, und unter die praescriptio sollen eben alle jene Fälle gehören. So lange diese praktische Identificirung auf die Usucapion im Verhältniß zur Klagverjährung be- schränkt bleibt, ist der Irrthum weniger merklich, da diese ohnehin, historisch und praktisch, einander so nahe ver- wandt sind. Allein wenn nicht alle Consequenz aufge- opfert werden soll, müssen auch die Prozeßfristen, die Fri- sten der bonorum possessio u. s. w., nach derselben Regel der praescriptio, wie die Klagverjährung, behandelt wer- den, und dabey wird freylich die Sache um Vieles be- denklicher.
Eine zweyte, noch gefährlichere, Folge aber besteht darin, daß jener Begriff, seiner Allgemeinheit wegen, eine Anwendung auf alle denkbaren Fälle ausgeübter oder ver- säumter Rechte zuläßt, also auch auf solche Fälle, worin unser positives Recht überhaupt keine Veränderung als Folge derselben anerkannt, dem Zeitlauf also gar keinen Einfluß eingeräumt hat. In dieser Hinsicht jedoch ist je-
§. 178. Zeit. Einleitung. (Fortſetzung.)
enthält dieſes Alles nur in einem beſchränkten Anfang, keinesweges in der hier dargeſtellten Ausbildung. Bevor aber Dieſes deutlich gemacht werden kann, iſt es nöthig die wichtigen Folgen anzugeben, welche aus jener irrigen Auffaſſung hervor gehen.
Die erſte Folge beſteht darin, daß nunmehr alle Fälle, welche oben in der erſten Klaſſe zuſammen geſtellt worden ſind, nach ganz gleichen Rechtsregeln beurtheilt werden müſſen; denn dieſe Rechtsregeln ſollen für die praescriptio aufgeſtellt ſeyn, und unter die praescriptio ſollen eben alle jene Fälle gehören. So lange dieſe praktiſche Identificirung auf die Uſucapion im Verhältniß zur Klagverjährung be- ſchränkt bleibt, iſt der Irrthum weniger merklich, da dieſe ohnehin, hiſtoriſch und praktiſch, einander ſo nahe ver- wandt ſind. Allein wenn nicht alle Conſequenz aufge- opfert werden ſoll, müſſen auch die Prozeßfriſten, die Fri- ſten der bonorum possessio u. ſ. w., nach derſelben Regel der praescriptio, wie die Klagverjährung, behandelt wer- den, und dabey wird freylich die Sache um Vieles be- denklicher.
Eine zweyte, noch gefährlichere, Folge aber beſteht darin, daß jener Begriff, ſeiner Allgemeinheit wegen, eine Anwendung auf alle denkbaren Fälle ausgeübter oder ver- ſäumter Rechte zuläßt, alſo auch auf ſolche Fälle, worin unſer poſitives Recht überhaupt keine Veränderung als Folge derſelben anerkannt, dem Zeitlauf alſo gar keinen Einfluß eingeräumt hat. In dieſer Hinſicht jedoch iſt je-
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[311/0325]
§. 178. Zeit. Einleitung. (Fortſetzung.)
enthält dieſes Alles nur in einem beſchränkten Anfang,
keinesweges in der hier dargeſtellten Ausbildung. Bevor
aber Dieſes deutlich gemacht werden kann, iſt es nöthig
die wichtigen Folgen anzugeben, welche aus jener irrigen
Auffaſſung hervor gehen.
Die erſte Folge beſteht darin, daß nunmehr alle Fälle,
welche oben in der erſten Klaſſe zuſammen geſtellt worden
ſind, nach ganz gleichen Rechtsregeln beurtheilt werden
müſſen; denn dieſe Rechtsregeln ſollen für die praescriptio
aufgeſtellt ſeyn, und unter die praescriptio ſollen eben alle
jene Fälle gehören. So lange dieſe praktiſche Identificirung
auf die Uſucapion im Verhältniß zur Klagverjährung be-
ſchränkt bleibt, iſt der Irrthum weniger merklich, da dieſe
ohnehin, hiſtoriſch und praktiſch, einander ſo nahe ver-
wandt ſind. Allein wenn nicht alle Conſequenz aufge-
opfert werden ſoll, müſſen auch die Prozeßfriſten, die Fri-
ſten der bonorum possessio u. ſ. w., nach derſelben Regel
der praescriptio, wie die Klagverjährung, behandelt wer-
den, und dabey wird freylich die Sache um Vieles be-
denklicher.
Eine zweyte, noch gefährlichere, Folge aber beſteht
darin, daß jener Begriff, ſeiner Allgemeinheit wegen, eine
Anwendung auf alle denkbaren Fälle ausgeübter oder ver-
ſäumter Rechte zuläßt, alſo auch auf ſolche Fälle, worin
unſer poſitives Recht überhaupt keine Veränderung als
Folge derſelben anerkannt, dem Zeitlauf alſo gar keinen
Einfluß eingeräumt hat. In dieſer Hinſicht jedoch iſt je-
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/325>, abgerufen am 22.11.2024.
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