Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 144. Schenkung. Begriff. 1. Rechtsgeschäft unter Lebenden.
einer andern Person. Zweytens gehört zu jeder Schen-
kung das auf die Bereicherung des Empfängers gerichtete
Bewußtseyn des Gebers. Bey der Erbeinsetzung aber kann
der Testator nie bestimmt wissen, ob er den Erben berei-
chern werde, weil durch Unglück oder Verschwendung das
Vermögen völlig verschwinden, ja selbst zu einer negati-
ven Größe werden kann (b).

Anders verhält es sich in beiden Rücksichten mit dem
Legat, welches im Justinianischen Recht mit dem Singu-
larfideicommiß identisch geworden ist. Denn hier wird in
der That Etwas dem einen Vermögen entzogen, dem an-
dern hinzugefügt; auch weiß man bey dem Legat in der
Regel ganz sicher, daß der Legatar dadurch bereichert wer-
den wird (c). Daher wird denn auch das Legat von den
alten Juristen geradezu eine donatio genannt (d). Den-
noch ist dieser Ausdruck nur ein uneigentlicher, eine wahre
Schenkung ist das Legat nicht, und an eine Anwendung
der für die Schenkung aufgestellten positiven Rechtsregeln

(b) Damit steht nicht im Wi-
derspruch, daß der Erwerb
durch Erbschaft in der Regel eine
lucrativa causa heißt (§ 143. g);
denn zu der Zeit, wo dieser Er-
werb bereits eingetreten ist, läßt
sich der Betrag der Erbschaft wohl
übersehen, nicht so zu der Zeit,
worin das Testament errichtet wird.
(c) Ich sage: in der Regel,
denn allerdings giebt es auch Le-
gate, die den Legatar gar nicht
bereichern, z. B. wenn durch Legat
der Erbe verpflichtet wird, ein
Haus um dessen wahren Werth
an den Legatar zu verkaufen.
L. 66 L. 49 § 8 de leg. 1 (30. un.).
Auch dieses ist ein wahres Legat,
obgleich es nicht mit Fideicom-
missen belastet werden kann, auch
nicht bey der Falcidia in Betracht
kommt.
(d) L. 36 de leg. 2 (31. un.).
"Legatum est donatio testa-
mento relicta"
(von Modestin).
§ 1 J. de leg. (2. 20.). "Lega-
tum itaque est donatio quae-
dam a defuncto relicta."

§. 144. Schenkung. Begriff. 1. Rechtsgeſchäft unter Lebenden.
einer andern Perſon. Zweytens gehört zu jeder Schen-
kung das auf die Bereicherung des Empfängers gerichtete
Bewußtſeyn des Gebers. Bey der Erbeinſetzung aber kann
der Teſtator nie beſtimmt wiſſen, ob er den Erben berei-
chern werde, weil durch Unglück oder Verſchwendung das
Vermögen völlig verſchwinden, ja ſelbſt zu einer negati-
ven Größe werden kann (b).

Anders verhält es ſich in beiden Rückſichten mit dem
Legat, welches im Juſtinianiſchen Recht mit dem Singu-
larfideicommiß identiſch geworden iſt. Denn hier wird in
der That Etwas dem einen Vermögen entzogen, dem an-
dern hinzugefügt; auch weiß man bey dem Legat in der
Regel ganz ſicher, daß der Legatar dadurch bereichert wer-
den wird (c). Daher wird denn auch das Legat von den
alten Juriſten geradezu eine donatio genannt (d). Den-
noch iſt dieſer Ausdruck nur ein uneigentlicher, eine wahre
Schenkung iſt das Legat nicht, und an eine Anwendung
der für die Schenkung aufgeſtellten poſitiven Rechtsregeln

(b) Damit ſteht nicht im Wi-
derſpruch, daß der Erwerb
durch Erbſchaft in der Regel eine
lucrativa causa heißt (§ 143. g);
denn zu der Zeit, wo dieſer Er-
werb bereits eingetreten iſt, läßt
ſich der Betrag der Erbſchaft wohl
überſehen, nicht ſo zu der Zeit,
worin das Teſtament errichtet wird.
(c) Ich ſage: in der Regel,
denn allerdings giebt es auch Le-
gate, die den Legatar gar nicht
bereichern, z. B. wenn durch Legat
der Erbe verpflichtet wird, ein
Haus um deſſen wahren Werth
an den Legatar zu verkaufen.
L. 66 L. 49 § 8 de leg. 1 (30. un.).
Auch dieſes iſt ein wahres Legat,
obgleich es nicht mit Fideicom-
miſſen belaſtet werden kann, auch
nicht bey der Falcidia in Betracht
kommt.
(d) L. 36 de leg. 2 (31. un.).
„Legatum est donatio testa-
mento relicta”
(von Modeſtin).
§ 1 J. de leg. (2. 20.). „Lega-
tum itaque est donatio quae-
dam a defuncto relicta.”
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0035" n="21"/><fw place="top" type="header">§. 144. Schenkung. Begriff. 1. Rechtsge&#x017F;chäft unter Lebenden.</fw><lb/>
einer andern Per&#x017F;on. Zweytens gehört zu jeder Schen-<lb/>
kung das auf die Bereicherung des Empfängers gerichtete<lb/>
Bewußt&#x017F;eyn des Gebers. Bey der Erbein&#x017F;etzung aber kann<lb/>
der Te&#x017F;tator nie be&#x017F;timmt wi&#x017F;&#x017F;en, ob er den Erben berei-<lb/>
chern werde, weil durch Unglück oder Ver&#x017F;chwendung das<lb/>
Vermögen völlig ver&#x017F;chwinden, ja &#x017F;elb&#x017F;t zu einer negati-<lb/>
ven Größe werden kann <note place="foot" n="(b)">Damit &#x017F;teht nicht im Wi-<lb/>
der&#x017F;pruch, daß der <hi rendition="#g">Erwerb</hi><lb/>
durch Erb&#x017F;chaft in der Regel eine<lb/><hi rendition="#aq">lucrativa causa</hi> heißt (§ 143. <hi rendition="#aq">g</hi>);<lb/>
denn zu der Zeit, wo die&#x017F;er Er-<lb/>
werb bereits eingetreten i&#x017F;t, läßt<lb/>
&#x017F;ich der Betrag der Erb&#x017F;chaft wohl<lb/>
über&#x017F;ehen, nicht &#x017F;o zu der Zeit,<lb/>
worin das Te&#x017F;tament errichtet wird.</note>.</p><lb/>
            <p>Anders verhält es &#x017F;ich in beiden Rück&#x017F;ichten mit dem<lb/>
Legat, welches im Ju&#x017F;tiniani&#x017F;chen Recht mit dem Singu-<lb/>
larfideicommiß identi&#x017F;ch geworden i&#x017F;t. Denn hier wird in<lb/>
der That Etwas dem einen Vermögen entzogen, dem an-<lb/>
dern hinzugefügt; auch weiß man bey dem Legat in der<lb/>
Regel ganz &#x017F;icher, daß der Legatar dadurch bereichert wer-<lb/>
den wird <note place="foot" n="(c)">Ich &#x017F;age: in der Regel,<lb/>
denn allerdings giebt es auch Le-<lb/>
gate, die den Legatar gar nicht<lb/>
bereichern, z. B. wenn durch Legat<lb/>
der Erbe verpflichtet wird, ein<lb/>
Haus um de&#x017F;&#x017F;en wahren Werth<lb/>
an den Legatar zu verkaufen.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 66 <hi rendition="#i">L.</hi> 49 § 8 <hi rendition="#i">de leg.</hi> 1 (30. un.).</hi><lb/>
Auch die&#x017F;es i&#x017F;t ein wahres Legat,<lb/>
obgleich es nicht mit Fideicom-<lb/>
mi&#x017F;&#x017F;en bela&#x017F;tet werden kann, auch<lb/>
nicht bey der Falcidia in Betracht<lb/>
kommt.</note>. Daher wird denn auch das Legat von den<lb/>
alten Juri&#x017F;ten geradezu eine <hi rendition="#aq">donatio</hi> genannt <note place="foot" n="(d)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 36 <hi rendition="#i">de leg.</hi> 2 (31. un.).<lb/>
&#x201E;Legatum est donatio testa-<lb/>
mento relicta&#x201D;</hi> (von Mode&#x017F;tin).<lb/>
§ 1 <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">J. de leg.</hi> (2. 20.). &#x201E;Lega-<lb/>
tum itaque est donatio quae-<lb/>
dam a defuncto relicta.&#x201D;</hi></note>. Den-<lb/>
noch i&#x017F;t die&#x017F;er Ausdruck nur ein uneigentlicher, eine wahre<lb/>
Schenkung i&#x017F;t das Legat nicht, und an eine Anwendung<lb/>
der für die Schenkung aufge&#x017F;tellten po&#x017F;itiven Rechtsregeln<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[21/0035] §. 144. Schenkung. Begriff. 1. Rechtsgeſchäft unter Lebenden. einer andern Perſon. Zweytens gehört zu jeder Schen- kung das auf die Bereicherung des Empfängers gerichtete Bewußtſeyn des Gebers. Bey der Erbeinſetzung aber kann der Teſtator nie beſtimmt wiſſen, ob er den Erben berei- chern werde, weil durch Unglück oder Verſchwendung das Vermögen völlig verſchwinden, ja ſelbſt zu einer negati- ven Größe werden kann (b). Anders verhält es ſich in beiden Rückſichten mit dem Legat, welches im Juſtinianiſchen Recht mit dem Singu- larfideicommiß identiſch geworden iſt. Denn hier wird in der That Etwas dem einen Vermögen entzogen, dem an- dern hinzugefügt; auch weiß man bey dem Legat in der Regel ganz ſicher, daß der Legatar dadurch bereichert wer- den wird (c). Daher wird denn auch das Legat von den alten Juriſten geradezu eine donatio genannt (d). Den- noch iſt dieſer Ausdruck nur ein uneigentlicher, eine wahre Schenkung iſt das Legat nicht, und an eine Anwendung der für die Schenkung aufgeſtellten poſitiven Rechtsregeln (b) Damit ſteht nicht im Wi- derſpruch, daß der Erwerb durch Erbſchaft in der Regel eine lucrativa causa heißt (§ 143. g); denn zu der Zeit, wo dieſer Er- werb bereits eingetreten iſt, läßt ſich der Betrag der Erbſchaft wohl überſehen, nicht ſo zu der Zeit, worin das Teſtament errichtet wird. (c) Ich ſage: in der Regel, denn allerdings giebt es auch Le- gate, die den Legatar gar nicht bereichern, z. B. wenn durch Legat der Erbe verpflichtet wird, ein Haus um deſſen wahren Werth an den Legatar zu verkaufen. L. 66 L. 49 § 8 de leg. 1 (30. un.). Auch dieſes iſt ein wahres Legat, obgleich es nicht mit Fideicom- miſſen belaſtet werden kann, auch nicht bey der Falcidia in Betracht kommt. (d) L. 36 de leg. 2 (31. un.). „Legatum est donatio testa- mento relicta” (von Modeſtin). § 1 J. de leg. (2. 20.). „Lega- tum itaque est donatio quae- dam a defuncto relicta.”

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/35
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 4. Berlin, 1841, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system04_1841/35>, abgerufen am 21.11.2024.