C. Bei den Klagen in rem, in welchen die strenge Ver- pflichtung des Beklagten durch die diesen Klagen eigen- thümliche Art der Mora (den Ungehorsam gegen den Restitutionsbefehl) begründet wird, drückt sich Ulpian so aus (f): "Sed est verius, si forte distracturus erat petitor si accepisset, moram passo debere praestari: nam si ei restituisset, distraxisset, et pretium esset lucratus."
Hier ist allerdings ein Ausdruck gebraucht, der ein Bedingungsverhältniß bezeichnet. Wollten wir nun deshalb einen Widerspruch mit den vorhergehenden Stellen an- nehmen, so würde Dieses dadurch sehr bedenklich werden, daß eine dieser Stellen gleichfalls von Ulpian herrührt. Wollten wir, um diesem Widerspruch zu entgehen, an- nehmen, es habe hierin bei der Mora in den Klagen in rem ein anderes Recht gegolten, als bei der Mora in Obliga- tionen und bei dem unredlichen Besitzer, so würde diese Voraussetzung kleinlich und unwahrscheinlich seyn.
Diesen Schwierigkeiten können wir jedoch durch folgende Erklärung der zuletzt angeführten Stelle entgehen, die zugleich eine vermittelnde Natur für die ganze hier vor- liegende Controverse hat. Si forte distracturus erat heißt wörtlich: "wenn es als eine Möglichkeit erscheint, daß er verkauft hätte" (also forte für: möglicherweise). Gesetzt nun, der Beklagte könnte in einem einzelnen Fall den
(f)L. 15 § 3 de rei vind. (6. 1) aus Ulpianus lib. XVI. ad ed. Vgl. § 273.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
C. Bei den Klagen in rem, in welchen die ſtrenge Ver- pflichtung des Beklagten durch die dieſen Klagen eigen- thümliche Art der Mora (den Ungehorſam gegen den Reſtitutionsbefehl) begründet wird, drückt ſich Ulpian ſo aus (f): „Sed est verius, si forte distracturus erat petitor si accepisset, moram passo debere praestari: nam si ei restituisset, distraxisset, et pretium esset lucratus.“
Hier iſt allerdings ein Ausdruck gebraucht, der ein Bedingungsverhältniß bezeichnet. Wollten wir nun deshalb einen Widerſpruch mit den vorhergehenden Stellen an- nehmen, ſo würde Dieſes dadurch ſehr bedenklich werden, daß eine dieſer Stellen gleichfalls von Ulpian herrührt. Wollten wir, um dieſem Widerſpruch zu entgehen, an- nehmen, es habe hierin bei der Mora in den Klagen in rem ein anderes Recht gegolten, als bei der Mora in Obliga- tionen und bei dem unredlichen Beſitzer, ſo würde dieſe Vorausſetzung kleinlich und unwahrſcheinlich ſeyn.
Dieſen Schwierigkeiten können wir jedoch durch folgende Erklärung der zuletzt angeführten Stelle entgehen, die zugleich eine vermittelnde Natur für die ganze hier vor- liegende Controverſe hat. Si forte distracturus erat heißt wörtlich: „wenn es als eine Möglichkeit erſcheint, daß er verkauft hätte“ (alſo forte für: möglicherweiſe). Geſetzt nun, der Beklagte könnte in einem einzelnen Fall den
(f)L. 15 § 3 de rei vind. (6. 1) aus Ulpianus lib. XVI. ad ed. Vgl. § 273.
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[188/0206]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
C. Bei den Klagen in rem, in welchen die ſtrenge Ver-
pflichtung des Beklagten durch die dieſen Klagen eigen-
thümliche Art der Mora (den Ungehorſam gegen den
Reſtitutionsbefehl) begründet wird, drückt ſich Ulpian ſo
aus (f):
„Sed est verius, si forte distracturus erat petitor
si accepisset, moram passo debere praestari: nam si
ei restituisset, distraxisset, et pretium esset lucratus.“
Hier iſt allerdings ein Ausdruck gebraucht, der ein
Bedingungsverhältniß bezeichnet. Wollten wir nun deshalb
einen Widerſpruch mit den vorhergehenden Stellen an-
nehmen, ſo würde Dieſes dadurch ſehr bedenklich werden,
daß eine dieſer Stellen gleichfalls von Ulpian herrührt.
Wollten wir, um dieſem Widerſpruch zu entgehen, an-
nehmen, es habe hierin bei der Mora in den Klagen in rem
ein anderes Recht gegolten, als bei der Mora in Obliga-
tionen und bei dem unredlichen Beſitzer, ſo würde dieſe
Vorausſetzung kleinlich und unwahrſcheinlich ſeyn.
Dieſen Schwierigkeiten können wir jedoch durch folgende
Erklärung der zuletzt angeführten Stelle entgehen, die
zugleich eine vermittelnde Natur für die ganze hier vor-
liegende Controverſe hat. Si forte distracturus erat heißt
wörtlich: „wenn es als eine Möglichkeit erſcheint, daß er
verkauft hätte“ (alſo forte für: möglicherweiſe). Geſetzt
nun, der Beklagte könnte in einem einzelnen Fall den
(f) L. 15 § 3 de rei vind. (6. 1) aus Ulpianus lib. XVI. ad ed.
Vgl. § 273.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/206>, abgerufen am 25.11.2024.
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