Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. hujusmodi sententiam non solum roborandam(e), sedetiam augendam esse sancimus(f), ut liceat judici, vel contra actorem ferre sententiam, et aliquid eum daturum vel facturum pronuntiare(g), nulla ei oppo- nenda exceptione, quod non competens judex agentis esse cognoscatur(h). Cujus enim in agendo obser- vat arbitrium, eum habere et contra se judicem in eodem negotio(i), non dedignetur. 530. Die hier versuchte Erklärung der streitigen Verordnung (e) Wenn Justinian hier sagt, daß er vor Allem den Ausspruch des Papinian bestätige, so folgt daraus, daß er gerade von dem Fall sprechen will, der allein dem Papi- nian vor Augen stehen konnte. (f) Diese Erweiterung könnte an sich auf zweierlei Weise gedacht werden: als Anwendung auf andere Fälle, oder als Anwendung unab- hängig von der richterlichen Com- petenz. Die Fälle erwähnt der folgende Theil der Stelle gar nicht, die Unabhängigkeit von der Com- petenz wird dagegen ausgesprochen; daher kann in dieser allein die neue Erweiterung enthalten seyn, wor- aus zugleich folgt, daß Papinian gerade hierin so weit nicht gehen wollte. (g) An sich geht jede Verurthei- lung auf ein dare oder facere nach der allgemeinen Bedeutung dieser Worte. Erwägt man aber, daß im Formularprozeß dare fa- cere oportere der charakteristische Inhalt der intentio bei den per- sönlichen Klagen war, und zugleich, daß der Gesetzgeber eine Stelle des Papinian vor Augen hatte, worin gewiß diese Worte in ihrem ächten, technischen Sinn gebraucht waren, so liegt in diesen Worten eine Bestätigung meiner Voraus- setzung, daß in der ganzen Stelle vor Allem nur von gegenseitigen Obligationen die Rede ist. (h) In diesen Worten liegt nun die neue Vorschrift von Justinian, sie erklären also die vorhergehenden Worte: sed etiam augendam esse. (i) Vgl. über diese Worte die Note a. (k) Zimmern Rechtsgeschichte
B. 3 S. 312. 313. Heffter Ar- chiv für civil. Praxis B. 10 S. 212. 213. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. hujusmodi sententiam non solum roborandam(e), sedetiam augendam esse sancimus(f), ut liceat judici, vel contra actorem ferre sententiam, et aliquid eum daturum vel facturum pronuntiare(g), nulla ei oppo- nenda exceptione, quod non competens judex agentis esse cognoscatur(h). Cujus enim in agendo obser- vat arbitrium, eum habere et contra se judicem in eodem negotio(i), non dedignetur. 530. Die hier verſuchte Erklärung der ſtreitigen Verordnung (e) Wenn Juſtinian hier ſagt, daß er vor Allem den Ausſpruch des Papinian beſtätige, ſo folgt daraus, daß er gerade von dem Fall ſprechen will, der allein dem Papi- nian vor Augen ſtehen konnte. (f) Dieſe Erweiterung könnte an ſich auf zweierlei Weiſe gedacht werden: als Anwendung auf andere Fälle, oder als Anwendung unab- hängig von der richterlichen Com- petenz. Die Fälle erwähnt der folgende Theil der Stelle gar nicht, die Unabhängigkeit von der Com- petenz wird dagegen ausgeſprochen; daher kann in dieſer allein die neue Erweiterung enthalten ſeyn, wor- aus zugleich folgt, daß Papinian gerade hierin ſo weit nicht gehen wollte. (g) An ſich geht jede Verurthei- lung auf ein dare oder facere nach der allgemeinen Bedeutung dieſer Worte. Erwägt man aber, daß im Formularprozeß dare fa- cere oportere der charakteriſtiſche Inhalt der intentio bei den per- ſönlichen Klagen war, und zugleich, daß der Geſetzgeber eine Stelle des Papinian vor Augen hatte, worin gewiß dieſe Worte in ihrem ächten, techniſchen Sinn gebraucht waren, ſo liegt in dieſen Worten eine Beſtätigung meiner Voraus- ſetzung, daß in der ganzen Stelle vor Allem nur von gegenſeitigen Obligationen die Rede iſt. (h) In dieſen Worten liegt nun die neue Vorſchrift von Juſtinian, ſie erklären alſo die vorhergehenden Worte: sed etiam augendam esse. (i) Vgl. über dieſe Worte die Note a. (k) Zimmern Rechtsgeſchichte
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
hujusmodi sententiam non solum roborandam (e), sed
etiam augendam esse sancimus (f), ut liceat judici,
vel contra actorem ferre sententiam, et aliquid eum
daturum vel facturum pronuntiare (g), nulla ei oppo-
nenda exceptione, quod non competens judex agentis
esse cognoscatur (h). Cujus enim in agendo obser-
vat arbitrium, eum habere et contra se judicem in
eodem negotio (i), non dedignetur. 530.
Die hier verſuchte Erklärung der ſtreitigen Verordnung
ſtimmt in ihrem Reſultat mit den Anſichten der meiſten
älteren, und auch mehrerer neuerer Schriftſteller (k) überein;
(e) Wenn Juſtinian hier ſagt,
daß er vor Allem den Ausſpruch
des Papinian beſtätige, ſo folgt
daraus, daß er gerade von dem Fall
ſprechen will, der allein dem Papi-
nian vor Augen ſtehen konnte.
(f) Dieſe Erweiterung könnte an
ſich auf zweierlei Weiſe gedacht
werden: als Anwendung auf andere
Fälle, oder als Anwendung unab-
hängig von der richterlichen Com-
petenz. Die Fälle erwähnt der
folgende Theil der Stelle gar nicht,
die Unabhängigkeit von der Com-
petenz wird dagegen ausgeſprochen;
daher kann in dieſer allein die neue
Erweiterung enthalten ſeyn, wor-
aus zugleich folgt, daß Papinian
gerade hierin ſo weit nicht gehen
wollte.
(g) An ſich geht jede Verurthei-
lung auf ein dare oder facere
nach der allgemeinen Bedeutung
dieſer Worte. Erwägt man aber,
daß im Formularprozeß dare fa-
cere oportere der charakteriſtiſche
Inhalt der intentio bei den per-
ſönlichen Klagen war, und zugleich,
daß der Geſetzgeber eine Stelle des
Papinian vor Augen hatte,
worin gewiß dieſe Worte in ihrem
ächten, techniſchen Sinn gebraucht
waren, ſo liegt in dieſen Worten
eine Beſtätigung meiner Voraus-
ſetzung, daß in der ganzen Stelle
vor Allem nur von gegenſeitigen
Obligationen die Rede iſt.
(h) In dieſen Worten liegt nun
die neue Vorſchrift von Juſtinian,
ſie erklären alſo die vorhergehenden
Worte: sed etiam augendam
esse.
(i) Vgl. über dieſe Worte die
Note a.
(k) Zimmern Rechtsgeſchichte
B. 3 S. 312. 313. Heffter Ar-
chiv für civil. Praxis B. 10
S. 212. 213.
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