Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.

Bild:
<< vorherige Seite

Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung.
angeführt wird, bezieht sich auf ein Urtheil von folgendem
Inhalt: "Da der Beklagte aus Einem Rechtsgrund 50 schuldig
"ist, aus einem andern Rechtsgrund 25, so verurtheile ich
"ihn zu 100." Hier soll nicht etwa (wie man glauben
könnte) das ganze Urtheil nichtig seyn, sondern es soll nur
die Rechnung berichtigt werden (citra provocationem cor-
rigitur
), d. h. es soll so angesehen werden, als wenn zu
75 verurtheilt wäre. Nach den oben aufgestellten Grund-
sätzen aber kann es kein Bedenken haben, dasselbe Verfahren
anzuwenden, ohne Unterschied, ob jene Rechnung in dem
Urtheil selbst (wie in jener Digestenstelle), oder in den ab-
gesondert beigefügten Urtheilsgründen aufgestellt ist.

Mit diesem Fall des Rechnungsfehlers läßt sich noch
der andere (schwerlich je vorkommende) Fall vergleichen,
wenn irgend ein Stück des Urtheils nach Naturgesetzen
unmöglich ist (n), da diese denselben Anspruch auf unbedingte
Anerkennung haben, wie die Gesetze der Mathematik, so
daß in beiden Fällen eine eigentlich juristische Prüfung
und Berichtigung des Urtheils als gleich überflüssig er-
scheint.

Dagegen haben eine ganz verschiedene Natur einige

gänzung des Urtheils soll ihm ge-
stattet seyn, wenn sie noch an
demselben Tage hinzugefügt wird.
L. 42 cit.
(n) L. 3 pr. § 1 quae sent. (49. 8)
"Paulus respondit, impossibile
praeceptum judicis nullius esse
momenti. -- Idem respondit,
ab ea sententia, cui pareri re-
rum natura non potuit, sine
causa appellari."
-- Über den,
auch in manchen anderen Rechts-
instituten wahrzunehmenden Ein-
fluß der auf Naturgesetzen beru-
henden Nothwendigkeit oder Un-
möglichkeit vgl. oben B. 3 § 121 fg.

Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
angeführt wird, bezieht ſich auf ein Urtheil von folgendem
Inhalt: „Da der Beklagte aus Einem Rechtsgrund 50 ſchuldig
„iſt, aus einem andern Rechtsgrund 25, ſo verurtheile ich
„ihn zu 100.“ Hier ſoll nicht etwa (wie man glauben
könnte) das ganze Urtheil nichtig ſeyn, ſondern es ſoll nur
die Rechnung berichtigt werden (citra provocationem cor-
rigitur
), d. h. es ſoll ſo angeſehen werden, als wenn zu
75 verurtheilt wäre. Nach den oben aufgeſtellten Grund-
ſätzen aber kann es kein Bedenken haben, daſſelbe Verfahren
anzuwenden, ohne Unterſchied, ob jene Rechnung in dem
Urtheil ſelbſt (wie in jener Digeſtenſtelle), oder in den ab-
geſondert beigefügten Urtheilsgründen aufgeſtellt iſt.

Mit dieſem Fall des Rechnungsfehlers läßt ſich noch
der andere (ſchwerlich je vorkommende) Fall vergleichen,
wenn irgend ein Stück des Urtheils nach Naturgeſetzen
unmöglich iſt (n), da dieſe denſelben Anſpruch auf unbedingte
Anerkennung haben, wie die Geſetze der Mathematik, ſo
daß in beiden Fällen eine eigentlich juriſtiſche Prüfung
und Berichtigung des Urtheils als gleich überflüſſig er-
ſcheint.

Dagegen haben eine ganz verſchiedene Natur einige

gänzung des Urtheils ſoll ihm ge-
ſtattet ſeyn, wenn ſie noch an
demſelben Tage hinzugefügt wird.
L. 42 cit.
(n) L. 3 pr. § 1 quae sent. (49. 8)
„Paulus respondit, impossibile
praeceptum judicis nullius esse
momenti. — Idem respondit,
ab ea sententia, cui pareri re-
rum natura non potuit, sine
causa appellari.“
— Über den,
auch in manchen anderen Rechts-
inſtituten wahrzunehmenden Ein-
fluß der auf Naturgeſetzen beru-
henden Nothwendigkeit oder Un-
möglichkeit vgl. oben B. 3 § 121 fg.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0398" n="380"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältni&#x017F;&#x017F;e. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/>
angeführt wird, bezieht &#x017F;ich auf ein Urtheil von folgendem<lb/>
Inhalt: &#x201E;Da der Beklagte aus Einem Rechtsgrund 50 &#x017F;chuldig<lb/>
&#x201E;i&#x017F;t, aus einem andern Rechtsgrund 25, &#x017F;o verurtheile ich<lb/>
&#x201E;ihn zu 100.&#x201C; Hier &#x017F;oll nicht etwa (wie man glauben<lb/>
könnte) das ganze Urtheil nichtig &#x017F;eyn, &#x017F;ondern es &#x017F;oll nur<lb/>
die Rechnung berichtigt werden (<hi rendition="#aq">citra provocationem <hi rendition="#i">cor-<lb/>
rigitur</hi></hi>), d. h. es &#x017F;oll &#x017F;o ange&#x017F;ehen werden, als wenn zu<lb/>
75 verurtheilt wäre. Nach den oben aufge&#x017F;tellten Grund-<lb/>
&#x017F;ätzen aber kann es kein Bedenken haben, da&#x017F;&#x017F;elbe Verfahren<lb/>
anzuwenden, ohne Unter&#x017F;chied, ob jene Rechnung in dem<lb/>
Urtheil &#x017F;elb&#x017F;t (wie in jener Dige&#x017F;ten&#x017F;telle), oder in den ab-<lb/>
ge&#x017F;ondert beigefügten Urtheilsgründen aufge&#x017F;tellt i&#x017F;t.</p><lb/>
            <p>Mit die&#x017F;em Fall des Rechnungsfehlers läßt &#x017F;ich noch<lb/>
der andere (&#x017F;chwerlich je vorkommende) Fall vergleichen,<lb/>
wenn irgend ein Stück des Urtheils nach Naturge&#x017F;etzen<lb/>
unmöglich i&#x017F;t <note place="foot" n="(n)"><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 3 <hi rendition="#i">pr.</hi> § 1 <hi rendition="#i">quae sent.</hi> (49. 8)<lb/>
&#x201E;Paulus respondit, impossibile<lb/>
praeceptum judicis nullius esse<lb/>
momenti. &#x2014; Idem respondit,<lb/>
ab ea sententia, cui pareri re-<lb/>
rum natura non potuit, sine<lb/>
causa appellari.&#x201C;</hi> &#x2014; Über den,<lb/>
auch in manchen anderen Rechts-<lb/>
in&#x017F;tituten wahrzunehmenden Ein-<lb/>
fluß der auf Naturge&#x017F;etzen beru-<lb/>
henden Nothwendigkeit oder Un-<lb/>
möglichkeit vgl. oben B. 3 § 121 fg.</note>, da die&#x017F;e den&#x017F;elben An&#x017F;pruch auf unbedingte<lb/>
Anerkennung haben, wie die Ge&#x017F;etze der Mathematik, &#x017F;o<lb/>
daß in beiden Fällen eine eigentlich juri&#x017F;ti&#x017F;che Prüfung<lb/>
und Berichtigung des Urtheils als gleich überflü&#x017F;&#x017F;ig er-<lb/>
&#x017F;cheint.</p><lb/>
            <p>Dagegen haben eine ganz ver&#x017F;chiedene Natur einige<lb/><note xml:id="seg2pn_45_2" prev="#seg2pn_45_1" place="foot" n="(m)">gänzung des Urtheils &#x017F;oll ihm ge-<lb/>
&#x017F;tattet &#x017F;eyn, wenn &#x017F;ie noch an<lb/>
dem&#x017F;elben Tage hinzugefügt wird.<lb/><hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">L.</hi> 42 <hi rendition="#i">cit.</hi></hi></note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[380/0398] Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. angeführt wird, bezieht ſich auf ein Urtheil von folgendem Inhalt: „Da der Beklagte aus Einem Rechtsgrund 50 ſchuldig „iſt, aus einem andern Rechtsgrund 25, ſo verurtheile ich „ihn zu 100.“ Hier ſoll nicht etwa (wie man glauben könnte) das ganze Urtheil nichtig ſeyn, ſondern es ſoll nur die Rechnung berichtigt werden (citra provocationem cor- rigitur), d. h. es ſoll ſo angeſehen werden, als wenn zu 75 verurtheilt wäre. Nach den oben aufgeſtellten Grund- ſätzen aber kann es kein Bedenken haben, daſſelbe Verfahren anzuwenden, ohne Unterſchied, ob jene Rechnung in dem Urtheil ſelbſt (wie in jener Digeſtenſtelle), oder in den ab- geſondert beigefügten Urtheilsgründen aufgeſtellt iſt. Mit dieſem Fall des Rechnungsfehlers läßt ſich noch der andere (ſchwerlich je vorkommende) Fall vergleichen, wenn irgend ein Stück des Urtheils nach Naturgeſetzen unmöglich iſt (n), da dieſe denſelben Anſpruch auf unbedingte Anerkennung haben, wie die Geſetze der Mathematik, ſo daß in beiden Fällen eine eigentlich juriſtiſche Prüfung und Berichtigung des Urtheils als gleich überflüſſig er- ſcheint. Dagegen haben eine ganz verſchiedene Natur einige (m) (n) L. 3 pr. § 1 quae sent. (49. 8) „Paulus respondit, impossibile praeceptum judicis nullius esse momenti. — Idem respondit, ab ea sententia, cui pareri re- rum natura non potuit, sine causa appellari.“ — Über den, auch in manchen anderen Rechts- inſtituten wahrzunehmenden Ein- fluß der auf Naturgeſetzen beru- henden Nothwendigkeit oder Un- möglichkeit vgl. oben B. 3 § 121 fg. (m) gänzung des Urtheils ſoll ihm ge- ſtattet ſeyn, wenn ſie noch an demſelben Tage hinzugefügt wird. L. 42 cit.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/398
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 380. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/398>, abgerufen am 22.11.2024.