Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap. IV. Verletzung. wird, die nächste und fühlbarste Wirkung der Rechtskraft.Sie hat jedoch keinen anderen Zweck, als den, dem richter- lichen Ausspruch durch äußere Macht sichere Geltung zu ver- schaffen, und gehört also als letztes Glied in die Reihe der Prozeßhandlungen (b). Eine Einwirkung auf das materielle Recht, durch Veränderung der Rechtsverhältnisse, liegt darin nicht, und wenn eine solche Veränderung durch Veranlassung der Execution dennoch eintritt, so liegt der Grund nicht sowohl in der Natur und Bestimmung der- selben, als in zufälligen Umständen. Für viele Verpflich- tungen nämlich, die das verurtheilende Erkenntniß dem Beklagten auferlegen kann, ist ein unmittelbarer Zwang gar nicht möglich, und es müssen dann entweder indirecte Zwangsmittel angewendet, oder Surrogate aufgesucht werden, um so durch Umwege dem Urtheil eine annähernde Ausführung zu verschaffen (c). (b) Aus den Quellen des Römischen Rechts gehört dahin ein großer Theil des Digesten- titels de re judicata (42. 1), insbesondere die Bestimmungen über das tempus judicati (L. 7, L. 4 § 5, L. 29 de re jud. u. s. w.), so wie die über das pignus in causa judicati captum. (c) Die Herausgabe einer vom
Beklagten besessenen Sache kann unmittelbar erzwungen werden; eben so, durch Abpfändung und Verkauf, die Zahlung einer Geld- summe. Nicht so, wenn zur Voll- ziehung des Urtheils eine freie Thätigkeit des Beklagten erforder- lich ist; in diesem Falle bleibt Nichts übrig, als indirecter Zwang, z. B. durch persönliche Haft, oder Verwandlung des ursprünglichen Gegenstandes in eine Geldzahlung durch aestimatio, die im R. R. in sehr ausgedehnter Weise vor- kommt. Hierüber sind von jeher in der Theorie und Praxis sehr verschiedene Regeln angenommen worden. Vgl. Wächter Heft 2 S. 14--33. Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung. wird, die nächſte und fühlbarſte Wirkung der Rechtskraft.Sie hat jedoch keinen anderen Zweck, als den, dem richter- lichen Ausſpruch durch äußere Macht ſichere Geltung zu ver- ſchaffen, und gehört alſo als letztes Glied in die Reihe der Prozeßhandlungen (b). Eine Einwirkung auf das materielle Recht, durch Veränderung der Rechtsverhältniſſe, liegt darin nicht, und wenn eine ſolche Veränderung durch Veranlaſſung der Execution dennoch eintritt, ſo liegt der Grund nicht ſowohl in der Natur und Beſtimmung der- ſelben, als in zufälligen Umſtänden. Für viele Verpflich- tungen nämlich, die das verurtheilende Erkenntniß dem Beklagten auferlegen kann, iſt ein unmittelbarer Zwang gar nicht möglich, und es müſſen dann entweder indirecte Zwangsmittel angewendet, oder Surrogate aufgeſucht werden, um ſo durch Umwege dem Urtheil eine annähernde Ausführung zu verſchaffen (c). (b) Aus den Quellen des Römiſchen Rechts gehört dahin ein großer Theil des Digeſten- titels de re judicata (42. 1), insbeſondere die Beſtimmungen über das tempus judicati (L. 7, L. 4 § 5, L. 29 de re jud. u. ſ. w.), ſo wie die über das pignus in causa judicati captum. (c) Die Herausgabe einer vom
Beklagten beſeſſenen Sache kann unmittelbar erzwungen werden; eben ſo, durch Abpfändung und Verkauf, die Zahlung einer Geld- ſumme. Nicht ſo, wenn zur Voll- ziehung des Urtheils eine freie Thätigkeit des Beklagten erforder- lich iſt; in dieſem Falle bleibt Nichts übrig, als indirecter Zwang, z. B. durch perſönliche Haft, oder Verwandlung des urſprünglichen Gegenſtandes in eine Geldzahlung durch aestimatio, die im R. R. in ſehr ausgedehnter Weiſe vor- kommt. Hierüber ſind von jeher in der Theorie und Praxis ſehr verſchiedene Regeln angenommen worden. Vgl. Wächter Heft 2 S. 14—33. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0428" n="410"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> wird, die nächſte und fühlbarſte Wirkung der Rechtskraft.<lb/> Sie hat jedoch keinen anderen Zweck, als den, dem richter-<lb/> lichen Ausſpruch durch äußere Macht ſichere Geltung zu ver-<lb/> ſchaffen, und gehört alſo als letztes Glied in die Reihe<lb/> der Prozeßhandlungen <note place="foot" n="(b)">Aus den Quellen des<lb/> Römiſchen Rechts gehört dahin<lb/> ein großer Theil des Digeſten-<lb/> titels <hi rendition="#aq">de re judicata</hi> (42. 1),<lb/> insbeſondere die Beſtimmungen<lb/> über das <hi rendition="#aq">tempus judicati (L. 7,<lb/> L. 4 § 5, L. 29 de re jud.</hi><lb/> u. ſ. w.), ſo wie die über das<lb/><hi rendition="#aq">pignus in causa judicati<lb/> captum.</hi></note>. Eine Einwirkung auf das<lb/> materielle Recht, durch Veränderung der Rechtsverhältniſſe,<lb/> liegt darin nicht, und wenn eine ſolche Veränderung durch<lb/> Veranlaſſung der Execution dennoch eintritt, ſo liegt der<lb/> Grund nicht ſowohl in der Natur und Beſtimmung der-<lb/> ſelben, als in zufälligen Umſtänden. Für viele Verpflich-<lb/> tungen nämlich, die das verurtheilende Erkenntniß dem<lb/> Beklagten auferlegen kann, iſt ein unmittelbarer Zwang<lb/> gar nicht möglich, und es müſſen dann entweder indirecte<lb/> Zwangsmittel angewendet, oder Surrogate aufgeſucht<lb/> werden, um ſo durch Umwege dem Urtheil eine annähernde<lb/> Ausführung zu verſchaffen <note place="foot" n="(c)">Die Herausgabe einer vom<lb/> Beklagten beſeſſenen Sache kann<lb/> unmittelbar erzwungen werden;<lb/> eben ſo, durch Abpfändung und<lb/> Verkauf, die Zahlung einer Geld-<lb/> ſumme. Nicht ſo, wenn zur Voll-<lb/> ziehung des Urtheils eine freie<lb/> Thätigkeit des Beklagten erforder-<lb/> lich iſt; in dieſem Falle bleibt<lb/> Nichts übrig, als indirecter Zwang,<lb/> z. B. durch perſönliche Haft, oder<lb/> Verwandlung des urſprünglichen<lb/> Gegenſtandes in eine Geldzahlung<lb/> durch <hi rendition="#aq">aestimatio,</hi> die im R. R.<lb/> in ſehr ausgedehnter Weiſe vor-<lb/> kommt. Hierüber ſind von jeher<lb/> in der Theorie und Praxis ſehr<lb/> verſchiedene Regeln angenommen<lb/> worden. Vgl. <hi rendition="#g">Wächter</hi> Heft 2<lb/> S. 14—33.</note>.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [410/0428]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
wird, die nächſte und fühlbarſte Wirkung der Rechtskraft.
Sie hat jedoch keinen anderen Zweck, als den, dem richter-
lichen Ausſpruch durch äußere Macht ſichere Geltung zu ver-
ſchaffen, und gehört alſo als letztes Glied in die Reihe
der Prozeßhandlungen (b). Eine Einwirkung auf das
materielle Recht, durch Veränderung der Rechtsverhältniſſe,
liegt darin nicht, und wenn eine ſolche Veränderung durch
Veranlaſſung der Execution dennoch eintritt, ſo liegt der
Grund nicht ſowohl in der Natur und Beſtimmung der-
ſelben, als in zufälligen Umſtänden. Für viele Verpflich-
tungen nämlich, die das verurtheilende Erkenntniß dem
Beklagten auferlegen kann, iſt ein unmittelbarer Zwang
gar nicht möglich, und es müſſen dann entweder indirecte
Zwangsmittel angewendet, oder Surrogate aufgeſucht
werden, um ſo durch Umwege dem Urtheil eine annähernde
Ausführung zu verſchaffen (c).
(b) Aus den Quellen des
Römiſchen Rechts gehört dahin
ein großer Theil des Digeſten-
titels de re judicata (42. 1),
insbeſondere die Beſtimmungen
über das tempus judicati (L. 7,
L. 4 § 5, L. 29 de re jud.
u. ſ. w.), ſo wie die über das
pignus in causa judicati
captum.
(c) Die Herausgabe einer vom
Beklagten beſeſſenen Sache kann
unmittelbar erzwungen werden;
eben ſo, durch Abpfändung und
Verkauf, die Zahlung einer Geld-
ſumme. Nicht ſo, wenn zur Voll-
ziehung des Urtheils eine freie
Thätigkeit des Beklagten erforder-
lich iſt; in dieſem Falle bleibt
Nichts übrig, als indirecter Zwang,
z. B. durch perſönliche Haft, oder
Verwandlung des urſprünglichen
Gegenſtandes in eine Geldzahlung
durch aestimatio, die im R. R.
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kommt. Hierüber ſind von jeher
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