Wird einer persönlichen Klage die Einrede der Compen- sation entgegengesetzt, und diese deswegen verworfen, weil der Richter die Gegenforderung als unbegründet ansieht, so könnte späterhin diese Gegenforderung als selbstständige Klage geltend gemacht werden. Dann aber würde die Ein- rede der Rechtskraft diese Klage ausschließen müssen, weil der frühere Richter das Daseyn der Gegenforderung rechts- kräftig verneint hat (i).
In den beiden zuletzt angeführten Fällen konnte nicht blos die Verschiedenheit der Parteirolle einen Zweifel an der Anwendbarkeit jener Einrede erregen, sondern auch die ungleichnamige Klage, die dem ersten und zweiten Rechts- streit zum Grunde liegt. Da nun auch dieser Umstand kein Hinderniß für die Anwendbarkeit ist, so liegt darin eine unzweifelhafte Bestätigung der im Anfang dieses Paragraphen aufgestellten Regel.
Einen Zweifel an der Richtigkeit der hier aufgestellten Regel könnte man aus der Äußerung des Paulus über folgenden Rechtsfall herleiten (k). Der Verkäufer einer fremden Sache erwirbt später das Eigenthum, und vindicirt nun gegen den Käufer; dieser kann sich gegen die Klage schützen durch eine exceptio doli (oder rei venditae et tra- ditae). Er kann auch den Gebrauch der Einrede unter- lassen, und hinterher mit der actio emti das Interesse, oder
(i)L. 8 § 2 de neg. gestis (3. 5), L. 7 § 1 de compens. (16. 2), L. 1 § 4 de contr. tut. (27. 4). -- Vgl. oben § 291. d.
(k)L. 18 de evict. (21. 2), verbunden mit L. 17 eod.
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Wird einer perſönlichen Klage die Einrede der Compen- ſation entgegengeſetzt, und dieſe deswegen verworfen, weil der Richter die Gegenforderung als unbegründet anſieht, ſo könnte ſpäterhin dieſe Gegenforderung als ſelbſtſtändige Klage geltend gemacht werden. Dann aber würde die Ein- rede der Rechtskraft dieſe Klage ausſchließen müſſen, weil der frühere Richter das Daſeyn der Gegenforderung rechts- kräftig verneint hat (i).
In den beiden zuletzt angeführten Fällen konnte nicht blos die Verſchiedenheit der Parteirolle einen Zweifel an der Anwendbarkeit jener Einrede erregen, ſondern auch die ungleichnamige Klage, die dem erſten und zweiten Rechts- ſtreit zum Grunde liegt. Da nun auch dieſer Umſtand kein Hinderniß für die Anwendbarkeit iſt, ſo liegt darin eine unzweifelhafte Beſtätigung der im Anfang dieſes Paragraphen aufgeſtellten Regel.
Einen Zweifel an der Richtigkeit der hier aufgeſtellten Regel könnte man aus der Äußerung des Paulus über folgenden Rechtsfall herleiten (k). Der Verkäufer einer fremden Sache erwirbt ſpäter das Eigenthum, und vindicirt nun gegen den Käufer; dieſer kann ſich gegen die Klage ſchützen durch eine exceptio doli (oder rei venditae et tra- ditae). Er kann auch den Gebrauch der Einrede unter- laſſen, und hinterher mit der actio emti das Intereſſe, oder
(i)L. 8 § 2 de neg. gestis (3. 5), L. 7 § 1 de compens. (16. 2), L. 1 § 4 de contr. tut. (27. 4). — Vgl. oben § 291. d.
(k)L. 18 de evict. (21. 2), verbunden mit L. 17 eod.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><pbfacs="#f0446"n="428"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap. <hirendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/><p>Wird einer perſönlichen Klage die Einrede der Compen-<lb/>ſation entgegengeſetzt, und dieſe deswegen verworfen, weil<lb/>
der Richter die Gegenforderung als unbegründet anſieht,<lb/>ſo könnte ſpäterhin dieſe Gegenforderung als ſelbſtſtändige<lb/>
Klage geltend gemacht werden. Dann aber würde die Ein-<lb/>
rede der Rechtskraft dieſe Klage ausſchließen müſſen, weil<lb/>
der frühere Richter das Daſeyn der Gegenforderung rechts-<lb/>
kräftig verneint hat <noteplace="foot"n="(i)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 8 § 2 <hirendition="#i">de neg. gestis</hi><lb/>
(3. 5)<hirendition="#i">, L.</hi> 7 § 1 <hirendition="#i">de compens.</hi><lb/>
(16. 2)<hirendition="#i">, L.</hi> 1 § 4 <hirendition="#i">de contr. tut.</hi></hi><lb/>
(27. 4). — Vgl. oben § 291. <hirendition="#aq">d.</hi></note>.</p><lb/><p>In den beiden zuletzt angeführten Fällen konnte nicht<lb/>
blos die Verſchiedenheit der Parteirolle einen Zweifel an<lb/>
der Anwendbarkeit jener Einrede erregen, ſondern auch die<lb/>
ungleichnamige Klage, die dem erſten und zweiten Rechts-<lb/>ſtreit zum Grunde liegt. Da nun auch dieſer Umſtand<lb/>
kein Hinderniß für die Anwendbarkeit iſt, ſo liegt darin<lb/>
eine unzweifelhafte Beſtätigung der im Anfang dieſes<lb/>
Paragraphen aufgeſtellten Regel.</p><lb/><p>Einen Zweifel an der Richtigkeit der hier aufgeſtellten<lb/>
Regel könnte man aus der Äußerung des <hirendition="#g">Paulus</hi> über<lb/>
folgenden Rechtsfall herleiten <noteplace="foot"n="(k)"><hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 18 <hirendition="#i">de evict.</hi></hi> (21. 2),<lb/>
verbunden mit <hirendition="#aq"><hirendition="#i">L.</hi> 17 <hirendition="#i">eod.</hi></hi></note>. Der Verkäufer einer<lb/>
fremden Sache erwirbt ſpäter das Eigenthum, und vindicirt<lb/>
nun gegen den Käufer; dieſer kann ſich gegen die Klage<lb/>ſchützen durch eine <hirendition="#aq">exceptio doli</hi> (oder <hirendition="#aq">rei venditae et tra-<lb/>
ditae</hi>). Er kann auch den Gebrauch der Einrede unter-<lb/>
laſſen, und hinterher mit der <hirendition="#aq">actio emti</hi> das Intereſſe, oder<lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[428/0446]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Wird einer perſönlichen Klage die Einrede der Compen-
ſation entgegengeſetzt, und dieſe deswegen verworfen, weil
der Richter die Gegenforderung als unbegründet anſieht,
ſo könnte ſpäterhin dieſe Gegenforderung als ſelbſtſtändige
Klage geltend gemacht werden. Dann aber würde die Ein-
rede der Rechtskraft dieſe Klage ausſchließen müſſen, weil
der frühere Richter das Daſeyn der Gegenforderung rechts-
kräftig verneint hat (i).
In den beiden zuletzt angeführten Fällen konnte nicht
blos die Verſchiedenheit der Parteirolle einen Zweifel an
der Anwendbarkeit jener Einrede erregen, ſondern auch die
ungleichnamige Klage, die dem erſten und zweiten Rechts-
ſtreit zum Grunde liegt. Da nun auch dieſer Umſtand
kein Hinderniß für die Anwendbarkeit iſt, ſo liegt darin
eine unzweifelhafte Beſtätigung der im Anfang dieſes
Paragraphen aufgeſtellten Regel.
Einen Zweifel an der Richtigkeit der hier aufgeſtellten
Regel könnte man aus der Äußerung des Paulus über
folgenden Rechtsfall herleiten (k). Der Verkäufer einer
fremden Sache erwirbt ſpäter das Eigenthum, und vindicirt
nun gegen den Käufer; dieſer kann ſich gegen die Klage
ſchützen durch eine exceptio doli (oder rei venditae et tra-
ditae). Er kann auch den Gebrauch der Einrede unter-
laſſen, und hinterher mit der actio emti das Intereſſe, oder
(i) L. 8 § 2 de neg. gestis
(3. 5), L. 7 § 1 de compens.
(16. 2), L. 1 § 4 de contr. tut.
(27. 4). — Vgl. oben § 291. d.
(k) L. 18 de evict. (21. 2),
verbunden mit L. 17 eod.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 6. Berlin, 1847, S. 428. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system06_1847/446>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.