Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848.Buch II. Rechtsverhältnisse. Kap IV. Verletzung. hältnißmäßigen Werth legen, ein besonderer Einfluß zuge-standen werden kann. Allerdings ist jede unmögliche That- sache stets zugleich eine unwahre, und der Beweis der Unwahrheit einer Thatsache ist die Grundlage für den Beweis des Irrthums über das früher abgegebene Ge- ständniß der Wahrheit dieser Thatsache. Aber der voll- ständige Beweis dieses Irrthums liegt darin nicht, weil das Unmögliche, eben so gut, als das blos Unwahre, mit Bewußtseyn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge- standen seyn kann. Daher ist es unrichtig, wenn Manche behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit sey stets hinreichend, und mache den Beweis des Irrthums unnöthig. Wenn also Jemand eine von ihm persönlich begangene That ein- gesteht, so ist zum Widerruf nicht hinreichend, daß er das Alibi beweist. Denn aus dem Alibi folgt allerdings, daß er die That nicht begangen haben kann, also auch nicht begangen hat; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war, als er das Geständniß der That ablegte. Ja sogar wird gerade in diesem Fall der Irrthum höchst unwahrscheinlich, vielleicht nur unter den abentheuerlichsten Voraussetzungen möglich seyn. §. 307. Surrogate des Urtheils. -- I. Gerichtliches Geständniß. -- Widerruf. (Fortsetzung.) Die in dem vorhergehenden §. aufgestellten Grundsätze Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap IV. Verletzung. hältnißmäßigen Werth legen, ein beſonderer Einfluß zuge-ſtanden werden kann. Allerdings iſt jede unmögliche That- ſache ſtets zugleich eine unwahre, und der Beweis der Unwahrheit einer Thatſache iſt die Grundlage für den Beweis des Irrthums über das früher abgegebene Ge- ſtändniß der Wahrheit dieſer Thatſache. Aber der voll- ſtändige Beweis dieſes Irrthums liegt darin nicht, weil das Unmögliche, eben ſo gut, als das blos Unwahre, mit Bewußtſeyn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge- ſtanden ſeyn kann. Daher iſt es unrichtig, wenn Manche behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit ſey ſtets hinreichend, und mache den Beweis des Irrthums unnöthig. Wenn alſo Jemand eine von ihm perſönlich begangene That ein- geſteht, ſo iſt zum Widerruf nicht hinreichend, daß er das Alibi beweiſt. Denn aus dem Alibi folgt allerdings, daß er die That nicht begangen haben kann, alſo auch nicht begangen hat; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war, als er das Geſtändniß der That ablegte. Ja ſogar wird gerade in dieſem Fall der Irrthum höchſt unwahrſcheinlich, vielleicht nur unter den abentheuerlichſten Vorausſetzungen möglich ſeyn. §. 307. Surrogate des Urtheils. — I. Gerichtliches Geſtändniß. — Widerruf. (Fortſetzung.) Die in dem vorhergehenden §. aufgeſtellten Grundſätze <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0056" n="34"/><fw place="top" type="header">Buch <hi rendition="#aq">II.</hi> Rechtsverhältniſſe. Kap <hi rendition="#aq">IV.</hi> Verletzung.</fw><lb/> hältnißmäßigen Werth legen, ein beſonderer Einfluß zuge-<lb/> ſtanden werden kann. Allerdings iſt jede unmögliche That-<lb/> ſache ſtets zugleich eine unwahre, und der Beweis der<lb/> Unwahrheit einer Thatſache iſt die <hi rendition="#g">Grundlage</hi> für den<lb/> Beweis des Irrthums über das früher abgegebene Ge-<lb/> ſtändniß der Wahrheit dieſer Thatſache. Aber der voll-<lb/> ſtändige Beweis dieſes Irrthums liegt darin nicht, weil<lb/> das Unmögliche, eben ſo gut, als das blos Unwahre, mit<lb/> Bewußtſeyn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge-<lb/> ſtanden ſeyn kann. Daher iſt es unrichtig, wenn Manche<lb/> behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit ſey ſtets hinreichend,<lb/> und mache den Beweis des Irrthums unnöthig. Wenn<lb/> alſo Jemand eine von ihm perſönlich begangene That ein-<lb/> geſteht, ſo iſt zum Widerruf nicht hinreichend, daß er das<lb/> Alibi beweiſt. Denn aus dem Alibi folgt allerdings, daß<lb/> er die That nicht begangen haben kann, alſo auch nicht<lb/> begangen hat; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war,<lb/> als er das Geſtändniß der That ablegte. Ja ſogar wird<lb/> gerade in dieſem Fall der Irrthum höchſt unwahrſcheinlich,<lb/> vielleicht nur unter den abentheuerlichſten Vorausſetzungen<lb/> möglich ſeyn.</p> </div><lb/> <div n="3"> <head>§. 307.<lb/><hi rendition="#g">Surrogate des Urtheils. — <hi rendition="#aq">I.</hi> Gerichtliches Geſtändniß. —<lb/> Widerruf</hi>. (Fortſetzung.)</head><lb/> <p>Die in dem vorhergehenden §. aufgeſtellten Grundſätze<lb/> leiden eine Ausnahme in den Fällen der Klagen, worin<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [34/0056]
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap IV. Verletzung.
hältnißmäßigen Werth legen, ein beſonderer Einfluß zuge-
ſtanden werden kann. Allerdings iſt jede unmögliche That-
ſache ſtets zugleich eine unwahre, und der Beweis der
Unwahrheit einer Thatſache iſt die Grundlage für den
Beweis des Irrthums über das früher abgegebene Ge-
ſtändniß der Wahrheit dieſer Thatſache. Aber der voll-
ſtändige Beweis dieſes Irrthums liegt darin nicht, weil
das Unmögliche, eben ſo gut, als das blos Unwahre, mit
Bewußtſeyn der Unwahrheit, folglich ohne Irrthum, einge-
ſtanden ſeyn kann. Daher iſt es unrichtig, wenn Manche
behaupten, der Beweis der Unmöglichkeit ſey ſtets hinreichend,
und mache den Beweis des Irrthums unnöthig. Wenn
alſo Jemand eine von ihm perſönlich begangene That ein-
geſteht, ſo iſt zum Widerruf nicht hinreichend, daß er das
Alibi beweiſt. Denn aus dem Alibi folgt allerdings, daß
er die That nicht begangen haben kann, alſo auch nicht
begangen hat; es folgt aber nicht, daß er im Irrthum war,
als er das Geſtändniß der That ablegte. Ja ſogar wird
gerade in dieſem Fall der Irrthum höchſt unwahrſcheinlich,
vielleicht nur unter den abentheuerlichſten Vorausſetzungen
möglich ſeyn.
§. 307.
Surrogate des Urtheils. — I. Gerichtliches Geſtändniß. —
Widerruf. (Fortſetzung.)
Die in dem vorhergehenden §. aufgeſtellten Grundſätze
leiden eine Ausnahme in den Fällen der Klagen, worin
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |