Bedürfniß eines Beweises entzogen werden; einen prak- tischen Werth hat diese Unterscheidung nicht.
Das gerichtliche Geständniß kann aber auch auf Rechts- verhältnisse gehen, ja dieses ist das eigenthümlichste Gebiet, worin es wirkt.
Für jedes gerichtliche Geständniß ist ein Widerruf möglich, welcher zu einer richterlichen Restitution führen kann. Diese muß aber begründet werden durch den Be- weis eines Irrthums, welcher jedoch ein factischer Irr- thum seyn muß, und nicht aus großer Nachlässigkeit hervor- gegangen seyn darf. Die Ueberzeugung des Richters von dem Daseyn eines Irrthums als Entstehungsgrund des Geständnisses kann nur aus den Umständen hervorgehen, welche die Entstehung des Irrthums natürlich und wahr- scheinlich erklären (§ 306 d.). Der bloße Beweis, daß das Eingestandene unwahr, selbst daß es unmöglich sey, ist ohne Beweis eines Irrthums zur Restitution nicht hin- reichend.
Dieses sind die Regeln des Römischen Rechts über das gerichtliche Geständniß, welche oben ausführlich dargestellt worden sind. In ihnen liegt Nichts, das als rein positiv, insbesondere aus der eigenthümlichen Gerichtsverfassung der Römer entsprungen, angesehen werden könnte. Sie ent- halten vielmehr eine reine Entwicklung dieses Rechtsinstituts, hervorgegangen aus den wahren praktischen Bedürfnissen desselben. In den Grundsätzen unsers heutigen gemeinen
Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Bedürfniß eines Beweiſes entzogen werden; einen prak- tiſchen Werth hat dieſe Unterſcheidung nicht.
Das gerichtliche Geſtändniß kann aber auch auf Rechts- verhältniſſe gehen, ja dieſes iſt das eigenthümlichſte Gebiet, worin es wirkt.
Für jedes gerichtliche Geſtändniß iſt ein Widerruf möglich, welcher zu einer richterlichen Reſtitution führen kann. Dieſe muß aber begründet werden durch den Be- weis eines Irrthums, welcher jedoch ein factiſcher Irr- thum ſeyn muß, und nicht aus großer Nachläſſigkeit hervor- gegangen ſeyn darf. Die Ueberzeugung des Richters von dem Daſeyn eines Irrthums als Entſtehungsgrund des Geſtändniſſes kann nur aus den Umſtänden hervorgehen, welche die Entſtehung des Irrthums natürlich und wahr- ſcheinlich erklären (§ 306 d.). Der bloße Beweis, daß das Eingeſtandene unwahr, ſelbſt daß es unmöglich ſey, iſt ohne Beweis eines Irrthums zur Reſtitution nicht hin- reichend.
Dieſes ſind die Regeln des Römiſchen Rechts über das gerichtliche Geſtändniß, welche oben ausführlich dargeſtellt worden ſind. In ihnen liegt Nichts, das als rein poſitiv, insbeſondere aus der eigenthümlichen Gerichtsverfaſſung der Römer entſprungen, angeſehen werden könnte. Sie ent- halten vielmehr eine reine Entwicklung dieſes Rechtsinſtituts, hervorgegangen aus den wahren praktiſchen Bedürfniſſen deſſelben. In den Grundſätzen unſers heutigen gemeinen
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Buch II. Rechtsverhältniſſe. Kap. IV. Verletzung.
Bedürfniß eines Beweiſes entzogen werden; einen prak-
tiſchen Werth hat dieſe Unterſcheidung nicht.
Das gerichtliche Geſtändniß kann aber auch auf Rechts-
verhältniſſe gehen, ja dieſes iſt das eigenthümlichſte Gebiet,
worin es wirkt.
Für jedes gerichtliche Geſtändniß iſt ein Widerruf
möglich, welcher zu einer richterlichen Reſtitution führen
kann. Dieſe muß aber begründet werden durch den Be-
weis eines Irrthums, welcher jedoch ein factiſcher Irr-
thum ſeyn muß, und nicht aus großer Nachläſſigkeit hervor-
gegangen ſeyn darf. Die Ueberzeugung des Richters von
dem Daſeyn eines Irrthums als Entſtehungsgrund des
Geſtändniſſes kann nur aus den Umſtänden hervorgehen,
welche die Entſtehung des Irrthums natürlich und wahr-
ſcheinlich erklären (§ 306 d.). Der bloße Beweis, daß das
Eingeſtandene unwahr, ſelbſt daß es unmöglich ſey, iſt
ohne Beweis eines Irrthums zur Reſtitution nicht hin-
reichend.
Dieſes ſind die Regeln des Römiſchen Rechts über das
gerichtliche Geſtändniß, welche oben ausführlich dargeſtellt
worden ſind. In ihnen liegt Nichts, das als rein poſitiv,
insbeſondere aus der eigenthümlichen Gerichtsverfaſſung der
Römer entſprungen, angeſehen werden könnte. Sie ent-
halten vielmehr eine reine Entwicklung dieſes Rechtsinſtituts,
hervorgegangen aus den wahren praktiſchen Bedürfniſſen
deſſelben. In den Grundſätzen unſers heutigen gemeinen
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 7. Berlin, 1848, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system07_1848/64>, abgerufen am 16.02.2025.
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