§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältnissen. (Forts.)
ein auswärtiger Richter zu entscheiden hat. Realstatuten auf alle in dem Gebiete des Gesetzgebers liegende Grund- stücke, wiederum ohne Unterschied, ob ein einheimischer oder ein auswärtiger Richter zu entscheiden hat; gemischte Sta- tuten endlich auf alle in dem Gebiete des Gesetzgebers vor- kommende Handlungen, es mag die Entscheidung in demselben Lande zu geben seyn oder nicht. -- So stellt sich die An- wendung im Großen und Ganzen, allein im Einzelnen fin- den sich unzählige abweichende Meinungen, indem die Grän- zen der Begriffe selbst, so wie der praktischen Anwendung derselben, bald so, bald anders gezogen werden.
Als ganz unwahr läßt sich diese Lehre gewiß nicht ver- werfen, da sie der verschiedensten Deutungen und Anwen- dungen empfänglich ist, unter welchen sich mitunter auch ganz richtige wahrnehmen lassen. Dagegen zeigt sie sich als völlig ungenügend, sowohl durch Unvollständigkeit, als durch Vieldeutigkeit, und sie ist daher durchaus unbrauchbar, als Grundlage für den bevorstehenden Theil unserer Untersu- chung zu dienen.
Manche neuere Schriftsteller haben behauptet, es sey diese Lehre als entschiedenes allgemeines Gewohnheitsrecht aufgenommen worden (f). Die Richtigkeit dieser Behaup- tung ist nicht nur unerwiesen, sondern sogar unmöglich, da die Meinungen der Schriftsteller, mit welchen auch die Ent- scheidungen der Gerichte mehr oder weniger zusammenhän-
(f)Thibaut Pandekten § 38. Kierulff S. 75--82.
§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen. (Fortſ.)
ein auswärtiger Richter zu entſcheiden hat. Realſtatuten auf alle in dem Gebiete des Geſetzgebers liegende Grund- ſtücke, wiederum ohne Unterſchied, ob ein einheimiſcher oder ein auswärtiger Richter zu entſcheiden hat; gemiſchte Sta- tuten endlich auf alle in dem Gebiete des Geſetzgebers vor- kommende Handlungen, es mag die Entſcheidung in demſelben Lande zu geben ſeyn oder nicht. — So ſtellt ſich die An- wendung im Großen und Ganzen, allein im Einzelnen fin- den ſich unzählige abweichende Meinungen, indem die Grän- zen der Begriffe ſelbſt, ſo wie der praktiſchen Anwendung derſelben, bald ſo, bald anders gezogen werden.
Als ganz unwahr läßt ſich dieſe Lehre gewiß nicht ver- werfen, da ſie der verſchiedenſten Deutungen und Anwen- dungen empfänglich iſt, unter welchen ſich mitunter auch ganz richtige wahrnehmen laſſen. Dagegen zeigt ſie ſich als völlig ungenügend, ſowohl durch Unvollſtändigkeit, als durch Vieldeutigkeit, und ſie iſt daher durchaus unbrauchbar, als Grundlage für den bevorſtehenden Theil unſerer Unterſu- chung zu dienen.
Manche neuere Schriftſteller haben behauptet, es ſey dieſe Lehre als entſchiedenes allgemeines Gewohnheitsrecht aufgenommen worden (f). Die Richtigkeit dieſer Behaup- tung iſt nicht nur unerwieſen, ſondern ſogar unmöglich, da die Meinungen der Schriftſteller, mit welchen auch die Ent- ſcheidungen der Gerichte mehr oder weniger zuſammenhän-
(f)Thibaut Pandekten § 38. Kierulff S. 75—82.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0145"n="123"/><fwplace="top"type="header">§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen. (Fortſ.)</fw><lb/>
ein auswärtiger Richter zu entſcheiden hat. Realſtatuten<lb/>
auf alle in dem Gebiete des Geſetzgebers liegende Grund-<lb/>ſtücke, wiederum ohne Unterſchied, ob ein einheimiſcher oder<lb/>
ein auswärtiger Richter zu entſcheiden hat; gemiſchte Sta-<lb/>
tuten endlich auf alle in dem Gebiete des Geſetzgebers vor-<lb/>
kommende Handlungen, es mag die Entſcheidung in demſelben<lb/>
Lande zu geben ſeyn oder nicht. — So ſtellt ſich die An-<lb/>
wendung im Großen und Ganzen, allein im Einzelnen fin-<lb/>
den ſich unzählige abweichende Meinungen, indem die Grän-<lb/>
zen der Begriffe ſelbſt, ſo wie der praktiſchen Anwendung<lb/>
derſelben, bald ſo, bald anders gezogen werden.</p><lb/><p>Als ganz unwahr läßt ſich dieſe Lehre gewiß nicht ver-<lb/>
werfen, da ſie der verſchiedenſten Deutungen und Anwen-<lb/>
dungen empfänglich iſt, unter welchen ſich mitunter auch<lb/>
ganz richtige wahrnehmen laſſen. Dagegen zeigt ſie ſich als<lb/>
völlig ungenügend, ſowohl durch Unvollſtändigkeit, als durch<lb/>
Vieldeutigkeit, und ſie iſt daher durchaus unbrauchbar, als<lb/>
Grundlage für den bevorſtehenden Theil unſerer Unterſu-<lb/>
chung zu dienen.</p><lb/><p>Manche neuere Schriftſteller haben behauptet, es ſey<lb/>
dieſe Lehre als entſchiedenes allgemeines Gewohnheitsrecht<lb/>
aufgenommen worden <noteplace="foot"n="(f)"><hirendition="#g">Thibaut</hi> Pandekten § 38. <hirendition="#g">Kierulff</hi> S. 75—82.</note>. Die Richtigkeit dieſer Behaup-<lb/>
tung iſt nicht nur unerwieſen, ſondern ſogar unmöglich, da<lb/>
die Meinungen der Schriftſteller, mit welchen auch die Ent-<lb/>ſcheidungen der Gerichte mehr oder weniger zuſammenhän-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[123/0145]
§. 361. Uebergang zu den einzelnen Rechtsverhältniſſen. (Fortſ.)
ein auswärtiger Richter zu entſcheiden hat. Realſtatuten
auf alle in dem Gebiete des Geſetzgebers liegende Grund-
ſtücke, wiederum ohne Unterſchied, ob ein einheimiſcher oder
ein auswärtiger Richter zu entſcheiden hat; gemiſchte Sta-
tuten endlich auf alle in dem Gebiete des Geſetzgebers vor-
kommende Handlungen, es mag die Entſcheidung in demſelben
Lande zu geben ſeyn oder nicht. — So ſtellt ſich die An-
wendung im Großen und Ganzen, allein im Einzelnen fin-
den ſich unzählige abweichende Meinungen, indem die Grän-
zen der Begriffe ſelbſt, ſo wie der praktiſchen Anwendung
derſelben, bald ſo, bald anders gezogen werden.
Als ganz unwahr läßt ſich dieſe Lehre gewiß nicht ver-
werfen, da ſie der verſchiedenſten Deutungen und Anwen-
dungen empfänglich iſt, unter welchen ſich mitunter auch
ganz richtige wahrnehmen laſſen. Dagegen zeigt ſie ſich als
völlig ungenügend, ſowohl durch Unvollſtändigkeit, als durch
Vieldeutigkeit, und ſie iſt daher durchaus unbrauchbar, als
Grundlage für den bevorſtehenden Theil unſerer Unterſu-
chung zu dienen.
Manche neuere Schriftſteller haben behauptet, es ſey
dieſe Lehre als entſchiedenes allgemeines Gewohnheitsrecht
aufgenommen worden (f). Die Richtigkeit dieſer Behaup-
tung iſt nicht nur unerwieſen, ſondern ſogar unmöglich, da
die Meinungen der Schriftſteller, mit welchen auch die Ent-
ſcheidungen der Gerichte mehr oder weniger zuſammenhän-
(f) Thibaut Pandekten § 38. Kierulff S. 75—82.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/145>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.