Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Bei unbeweglichen Sachen nun ist die Anwendung des Rechts der gelegenen Sache ganz unbestritten. Dagegen gehen, in Ansehung der Ersitzung beweglicher Sachen, die Meinungen sehr auseinander (g). Hier aber ist die Frage dadurch besonders wichtig, daß die Gesetze verschiedener Länder sehr von einander abweichen. Das Römische Recht erfordert einen Besitz von drei Jahren, das Preußische von zehn Jahren (h), das Französische endlich erfordert gar keinen fortgesetzten Besitz, sondern schließt schon mit dem Anfang desselben die Eigenthumsklage des früheren Eigen- thümers aus; Dieses jedoch mit Ausnahme verlorener und gestohlener Sachen, deren Schutz aber mit dem Ablauf von drei Jahren aufhört (i). Durch diese letzte Bestimmung schließt sich im praktischen Erfolg das Französische Recht dem Römischen nahe an.
Gerade hier nun erscheint die Anwendung der lex rei sitae vorzugsweise gewiß durch den Umstand, daß die Grund- lage aller Ersitzung der fortwährende Besitz ist. Der Besitz aber, als ein, seinem Wesen nach, ganz thatsächliches Ver- hältniß, ist noch unzweifelhafter, als jedes dingliche Recht, nach der lex rei sitae zu beurtheilen (§ 368).
(g)Mühlenbruch doctr. Pand. § 73 nimmt ganz richtig die lex rei sitae an. Meier p. 37 die lex domicilii, und zwar nach dem Wohnsitz des Usucapien- ten, weil dieser während der lau- fenden Usucapion das prätorische Eigenthum schon habe. Schäff- ner §. 67 läßt Alles ungewiß.
(h) A. L. R. I. 9 §. 620.
(i)Code civil art. 2279.
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Bei unbeweglichen Sachen nun iſt die Anwendung des Rechts der gelegenen Sache ganz unbeſtritten. Dagegen gehen, in Anſehung der Erſitzung beweglicher Sachen, die Meinungen ſehr auseinander (g). Hier aber iſt die Frage dadurch beſonders wichtig, daß die Geſetze verſchiedener Länder ſehr von einander abweichen. Das Römiſche Recht erfordert einen Beſitz von drei Jahren, das Preußiſche von zehn Jahren (h), das Franzöſiſche endlich erfordert gar keinen fortgeſetzten Beſitz, ſondern ſchließt ſchon mit dem Anfang deſſelben die Eigenthumsklage des früheren Eigen- thümers aus; Dieſes jedoch mit Ausnahme verlorener und geſtohlener Sachen, deren Schutz aber mit dem Ablauf von drei Jahren aufhört (i). Durch dieſe letzte Beſtimmung ſchließt ſich im praktiſchen Erfolg das Franzöſiſche Recht dem Römiſchen nahe an.
Gerade hier nun erſcheint die Anwendung der lex rei sitae vorzugsweiſe gewiß durch den Umſtand, daß die Grund- lage aller Erſitzung der fortwährende Beſitz iſt. Der Beſitz aber, als ein, ſeinem Weſen nach, ganz thatſächliches Ver- hältniß, iſt noch unzweifelhafter, als jedes dingliche Recht, nach der lex rei sitae zu beurtheilen (§ 368).
(g)Mühlenbruch doctr. Pand. § 73 nimmt ganz richtig die lex rei sitae an. Meier p. 37 die lex domicilii, und zwar nach dem Wohnſitz des Uſucapien- ten, weil dieſer während der lau- fenden Uſucapion das prätoriſche Eigenthum ſchon habe. Schäff- ner §. 67 läßt Alles ungewiß.
(h) A. L. R. I. 9 §. 620.
(i)Code civil art. 2279.
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Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
Bei unbeweglichen Sachen nun iſt die Anwendung des
Rechts der gelegenen Sache ganz unbeſtritten. Dagegen
gehen, in Anſehung der Erſitzung beweglicher Sachen, die
Meinungen ſehr auseinander (g). Hier aber iſt die Frage
dadurch beſonders wichtig, daß die Geſetze verſchiedener
Länder ſehr von einander abweichen. Das Römiſche Recht
erfordert einen Beſitz von drei Jahren, das Preußiſche von
zehn Jahren (h), das Franzöſiſche endlich erfordert gar
keinen fortgeſetzten Beſitz, ſondern ſchließt ſchon mit dem
Anfang deſſelben die Eigenthumsklage des früheren Eigen-
thümers aus; Dieſes jedoch mit Ausnahme verlorener und
geſtohlener Sachen, deren Schutz aber mit dem Ablauf von
drei Jahren aufhört (i). Durch dieſe letzte Beſtimmung
ſchließt ſich im praktiſchen Erfolg das Franzöſiſche Recht
dem Römiſchen nahe an.
Gerade hier nun erſcheint die Anwendung der lex rei
sitae vorzugsweiſe gewiß durch den Umſtand, daß die Grund-
lage aller Erſitzung der fortwährende Beſitz iſt. Der Beſitz
aber, als ein, ſeinem Weſen nach, ganz thatſächliches Ver-
hältniß, iſt noch unzweifelhafter, als jedes dingliche Recht,
nach der lex rei sitae zu beurtheilen (§ 368).
(g) Mühlenbruch doctr.
Pand. § 73 nimmt ganz richtig
die lex rei sitae an. Meier
p. 37 die lex domicilii, und zwar
nach dem Wohnſitz des Uſucapien-
ten, weil dieſer während der lau-
fenden Uſucapion das prätoriſche
Eigenthum ſchon habe. Schäff-
ner §. 67 läßt Alles ungewiß.
(h) A. L. R. I. 9 §. 620.
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/208>, abgerufen am 21.11.2024.
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