Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849.

Bild:
<< vorherige Seite

§. 376. IV. Erbrecht. (Forts.)
habenden Bauernstandes dadurch zu befördern sucht, daß
es, ohne Einschränkung des Eigenthums und namentlich
des Rechts der Veräußerung, nur die Erbfolge in Bauer-
güter dahin bestimmt, daß stets der älteste (oder auch der
jüngste) Sohn als einziger Erbe eintreten soll, so hat die-
ses Gesetz folgende Natur. Es schließt aus die testamen-
tarische Erbfolge, die Theilung des Gutes, das Erbrecht
der Töchter, so lange Söhne vorhanden sind. Es ist also
zwar ein Erbfolgegesetz, hat aber einen politischen, außer
dem reinen Rechtsgebiet liegenden, Zweck, und ist daher ein
Gesetz von zwingender, streng positiver Natur (§ 349). Ein
solches Gesetz ist ein Realstatut, und umfaßt alle im Lande
liegenden Bauergüter, ohne Rücksicht auf den Wohnsitz des
gegenwärtigen Eigenthümers. Es bezieht sich aber gar
nicht auf die Bauergüter, die etwa ein Einwohner des Lan-
des im Ausland besitzen möchte. Es will daher nicht,
wie gewöhnliche Erbfolgegesetze, dem Vermögen verstorbener
Einwohner das angemessenste Schicksal anweisen, sondern
es will gewisse Staatszwecke fördern durch das einer be-
stimmten Klasse von Grundstücken angewiesene Schicksal.
-- Aehnliche Bestimmungen, und mit völlig gleichem Erfolg
kommen auch bei adeligen Gütern vor, zum Zweck der Er-
haltung wohlhabender adeliger Familien. Ein solches Ge-
setz war im Herzogthum Westphalen die Erblandesvereini-
gung von 1590, welche den Töchtern des Besitzers die Erb-
folge in adelige Güter versagte. Ueber die Anwendung
dieses Gesetzes entstand im J. 1838 ein merkwürdiger

20*

§. 376. IV. Erbrecht. (Fortſ.)
habenden Bauernſtandes dadurch zu befördern ſucht, daß
es, ohne Einſchränkung des Eigenthums und namentlich
des Rechts der Veräußerung, nur die Erbfolge in Bauer-
güter dahin beſtimmt, daß ſtets der älteſte (oder auch der
jüngſte) Sohn als einziger Erbe eintreten ſoll, ſo hat die-
ſes Geſetz folgende Natur. Es ſchließt aus die teſtamen-
tariſche Erbfolge, die Theilung des Gutes, das Erbrecht
der Töchter, ſo lange Söhne vorhanden ſind. Es iſt alſo
zwar ein Erbfolgegeſetz, hat aber einen politiſchen, außer
dem reinen Rechtsgebiet liegenden, Zweck, und iſt daher ein
Geſetz von zwingender, ſtreng poſitiver Natur (§ 349). Ein
ſolches Geſetz iſt ein Realſtatut, und umfaßt alle im Lande
liegenden Bauergüter, ohne Rückſicht auf den Wohnſitz des
gegenwärtigen Eigenthümers. Es bezieht ſich aber gar
nicht auf die Bauergüter, die etwa ein Einwohner des Lan-
des im Ausland beſitzen möchte. Es will daher nicht,
wie gewöhnliche Erbfolgegeſetze, dem Vermögen verſtorbener
Einwohner das angemeſſenſte Schickſal anweiſen, ſondern
es will gewiſſe Staatszwecke fördern durch das einer be-
ſtimmten Klaſſe von Grundſtücken angewieſene Schickſal.
— Aehnliche Beſtimmungen, und mit völlig gleichem Erfolg
kommen auch bei adeligen Gütern vor, zum Zweck der Er-
haltung wohlhabender adeliger Familien. Ein ſolches Ge-
ſetz war im Herzogthum Weſtphalen die Erblandesvereini-
gung von 1590, welche den Töchtern des Beſitzers die Erb-
folge in adelige Güter verſagte. Ueber die Anwendung
dieſes Geſetzes entſtand im J. 1838 ein merkwürdiger

20*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0329" n="307"/><fw place="top" type="header">§. 376. <hi rendition="#aq">IV.</hi> Erbrecht. (Fort&#x017F;.)</fw><lb/>
habenden Bauern&#x017F;tandes dadurch zu befördern &#x017F;ucht, daß<lb/>
es, ohne Ein&#x017F;chränkung des Eigenthums und namentlich<lb/>
des Rechts der Veräußerung, nur die Erbfolge in Bauer-<lb/>
güter dahin be&#x017F;timmt, daß &#x017F;tets der älte&#x017F;te (oder auch der<lb/>
jüng&#x017F;te) Sohn als einziger Erbe eintreten &#x017F;oll, &#x017F;o hat die-<lb/>
&#x017F;es Ge&#x017F;etz folgende Natur. Es &#x017F;chließt aus die te&#x017F;tamen-<lb/>
tari&#x017F;che Erbfolge, die Theilung des Gutes, das Erbrecht<lb/>
der Töchter, &#x017F;o lange Söhne vorhanden &#x017F;ind. Es i&#x017F;t al&#x017F;o<lb/>
zwar ein Erbfolgege&#x017F;etz, hat aber einen politi&#x017F;chen, außer<lb/>
dem reinen Rechtsgebiet liegenden, Zweck, und i&#x017F;t daher ein<lb/>
Ge&#x017F;etz von zwingender, &#x017F;treng po&#x017F;itiver Natur (§ 349). Ein<lb/>
&#x017F;olches Ge&#x017F;etz i&#x017F;t ein Real&#x017F;tatut, und umfaßt alle im Lande<lb/>
liegenden Bauergüter, ohne Rück&#x017F;icht auf den Wohn&#x017F;itz des<lb/>
gegenwärtigen Eigenthümers. Es bezieht &#x017F;ich aber gar<lb/>
nicht auf die Bauergüter, die etwa ein Einwohner des Lan-<lb/>
des im Ausland be&#x017F;itzen möchte. Es will daher nicht,<lb/>
wie gewöhnliche Erbfolgege&#x017F;etze, dem Vermögen ver&#x017F;torbener<lb/>
Einwohner das angeme&#x017F;&#x017F;en&#x017F;te Schick&#x017F;al anwei&#x017F;en, &#x017F;ondern<lb/>
es will gewi&#x017F;&#x017F;e Staatszwecke fördern durch das einer be-<lb/>
&#x017F;timmten Kla&#x017F;&#x017F;e von Grund&#x017F;tücken angewie&#x017F;ene Schick&#x017F;al.<lb/>
&#x2014; Aehnliche Be&#x017F;timmungen, und mit völlig gleichem Erfolg<lb/>
kommen auch bei adeligen Gütern vor, zum Zweck der Er-<lb/>
haltung wohlhabender adeliger Familien. Ein &#x017F;olches Ge-<lb/>
&#x017F;etz war im Herzogthum We&#x017F;tphalen die Erblandesvereini-<lb/>
gung von 1590, welche den Töchtern des Be&#x017F;itzers die Erb-<lb/>
folge in adelige Güter ver&#x017F;agte. Ueber die Anwendung<lb/>
die&#x017F;es Ge&#x017F;etzes ent&#x017F;tand im J. 1838 ein merkwürdiger<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">20*</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[307/0329] §. 376. IV. Erbrecht. (Fortſ.) habenden Bauernſtandes dadurch zu befördern ſucht, daß es, ohne Einſchränkung des Eigenthums und namentlich des Rechts der Veräußerung, nur die Erbfolge in Bauer- güter dahin beſtimmt, daß ſtets der älteſte (oder auch der jüngſte) Sohn als einziger Erbe eintreten ſoll, ſo hat die- ſes Geſetz folgende Natur. Es ſchließt aus die teſtamen- tariſche Erbfolge, die Theilung des Gutes, das Erbrecht der Töchter, ſo lange Söhne vorhanden ſind. Es iſt alſo zwar ein Erbfolgegeſetz, hat aber einen politiſchen, außer dem reinen Rechtsgebiet liegenden, Zweck, und iſt daher ein Geſetz von zwingender, ſtreng poſitiver Natur (§ 349). Ein ſolches Geſetz iſt ein Realſtatut, und umfaßt alle im Lande liegenden Bauergüter, ohne Rückſicht auf den Wohnſitz des gegenwärtigen Eigenthümers. Es bezieht ſich aber gar nicht auf die Bauergüter, die etwa ein Einwohner des Lan- des im Ausland beſitzen möchte. Es will daher nicht, wie gewöhnliche Erbfolgegeſetze, dem Vermögen verſtorbener Einwohner das angemeſſenſte Schickſal anweiſen, ſondern es will gewiſſe Staatszwecke fördern durch das einer be- ſtimmten Klaſſe von Grundſtücken angewieſene Schickſal. — Aehnliche Beſtimmungen, und mit völlig gleichem Erfolg kommen auch bei adeligen Gütern vor, zum Zweck der Er- haltung wohlhabender adeliger Familien. Ein ſolches Ge- ſetz war im Herzogthum Weſtphalen die Erblandesvereini- gung von 1590, welche den Töchtern des Beſitzers die Erb- folge in adelige Güter verſagte. Ueber die Anwendung dieſes Geſetzes entſtand im J. 1838 ein merkwürdiger 20*

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/329
Zitationshilfe: Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 307. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/329>, abgerufen am 26.11.2024.