Buch III. Herrschaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
standes werden gar nicht bewirkt durch eine Willenserklärung der betheiligten Person, für deren gehörige Form nur zu sorgen wäre. Sie können vielmehr nur hervorgehen aus einer freien Entschließung der höchsten Staatsgewalt, und zwar derjenigen Gewalt, welcher die betheiligte Person als Unterthan unterworfen ist.
II. Auch auf die das Sachenrecht betreffenden Rechts- geschäfte kann jener Regel kein bedeutender Einfluß zuge- schrieben werden, und zwar hier aus folgendem Grunde. Es muß erinnert werden an einen, oben zu einem andern Zweck bemerklich gemachten, durchgreifenden Unterschied unter den menschlichen Handlungen (S. 212). Es giebt Handlungen, die an sich überall gleich möglich sind, so daß es nur von zufälligen Umständen abhängt, ob sie hier oder dort vorkommen. Dahin gehören die obligatorischen Verträge, die Errichtung eines Testaments u. s. w. Es giebt aber andere Handlungen, die ihrer Natur nach nur an Einem Orte vorkommen können. Dahin gehören die meisten und wichtigsten in das Gebiet des Sachenrechts einschlagenden Handlungen. In demselben ist überall die lex rei sitae herrschend (§ 366), und auch die einflußreichen Handlungen stehen darin meist in so naher Beziehung zu der Sache selbst, daß sie nur da, wo sich die Sache eben befindet, gedacht werden können. Dahin gehört vor Allem die Tradition; eben so aber auch eine Reihe blos förmlicher Handlungen, wie die gerichtliche Auflassung, die Eintragung in Hypothekenbücher u. s. w., die nur bei einer an einen
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
ſtandes werden gar nicht bewirkt durch eine Willenserklärung der betheiligten Perſon, für deren gehörige Form nur zu ſorgen wäre. Sie können vielmehr nur hervorgehen aus einer freien Entſchließung der höchſten Staatsgewalt, und zwar derjenigen Gewalt, welcher die betheiligte Perſon als Unterthan unterworfen iſt.
II. Auch auf die das Sachenrecht betreffenden Rechts- geſchäfte kann jener Regel kein bedeutender Einfluß zuge- ſchrieben werden, und zwar hier aus folgendem Grunde. Es muß erinnert werden an einen, oben zu einem andern Zweck bemerklich gemachten, durchgreifenden Unterſchied unter den menſchlichen Handlungen (S. 212). Es giebt Handlungen, die an ſich überall gleich möglich ſind, ſo daß es nur von zufälligen Umſtänden abhängt, ob ſie hier oder dort vorkommen. Dahin gehören die obligatoriſchen Verträge, die Errichtung eines Teſtaments u. ſ. w. Es giebt aber andere Handlungen, die ihrer Natur nach nur an Einem Orte vorkommen können. Dahin gehören die meiſten und wichtigſten in das Gebiet des Sachenrechts einſchlagenden Handlungen. In demſelben iſt überall die lex rei sitae herrſchend (§ 366), und auch die einflußreichen Handlungen ſtehen darin meiſt in ſo naher Beziehung zu der Sache ſelbſt, daß ſie nur da, wo ſich die Sache eben befindet, gedacht werden können. Dahin gehört vor Allem die Tradition; eben ſo aber auch eine Reihe blos förmlicher Handlungen, wie die gerichtliche Auflaſſung, die Eintragung in Hypothekenbücher u. ſ. w., die nur bei einer an einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0374"n="352"/><fwplace="top"type="header">Buch <hirendition="#aq">III.</hi> Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. <hirendition="#aq">I.</hi> Örtliche Gränzen.</fw><lb/>ſtandes werden gar nicht bewirkt durch eine Willenserklärung<lb/>
der betheiligten Perſon, für deren gehörige Form nur zu<lb/>ſorgen wäre. Sie können vielmehr nur hervorgehen aus<lb/>
einer freien Entſchließung der höchſten Staatsgewalt, und<lb/>
zwar derjenigen Gewalt, welcher die betheiligte Perſon als<lb/>
Unterthan unterworfen iſt.</p><lb/><p><hirendition="#aq">II.</hi> Auch auf die das Sachenrecht betreffenden Rechts-<lb/>
geſchäfte kann jener Regel kein bedeutender Einfluß zuge-<lb/>ſchrieben werden, und zwar hier aus folgendem Grunde.<lb/>
Es muß erinnert werden an einen, oben zu einem andern<lb/>
Zweck bemerklich gemachten, durchgreifenden Unterſchied<lb/>
unter den menſchlichen Handlungen (S. 212). Es giebt<lb/>
Handlungen, die an ſich überall gleich möglich ſind, ſo<lb/>
daß es nur von zufälligen Umſtänden abhängt, ob ſie hier<lb/>
oder dort vorkommen. Dahin gehören die obligatoriſchen<lb/>
Verträge, die Errichtung eines Teſtaments u. ſ. w. Es<lb/>
giebt aber andere Handlungen, die ihrer Natur nach nur<lb/>
an Einem Orte vorkommen können. Dahin gehören die<lb/>
meiſten und wichtigſten in das Gebiet des Sachenrechts<lb/>
einſchlagenden Handlungen. In demſelben iſt überall die<lb/><hirendition="#aq">lex rei sitae</hi> herrſchend (§ 366), und auch die einflußreichen<lb/>
Handlungen ſtehen darin meiſt in ſo naher Beziehung zu<lb/>
der Sache ſelbſt, daß ſie nur da, wo ſich die Sache eben<lb/>
befindet, gedacht werden können. Dahin gehört vor Allem<lb/>
die Tradition; eben ſo aber auch eine Reihe blos förmlicher<lb/>
Handlungen, wie die gerichtliche Auflaſſung, die Eintragung<lb/>
in Hypothekenbücher u. ſ. w., die nur bei einer an einen<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[352/0374]
Buch III. Herrſchaft der Rechtsregeln. Kap. I. Örtliche Gränzen.
ſtandes werden gar nicht bewirkt durch eine Willenserklärung
der betheiligten Perſon, für deren gehörige Form nur zu
ſorgen wäre. Sie können vielmehr nur hervorgehen aus
einer freien Entſchließung der höchſten Staatsgewalt, und
zwar derjenigen Gewalt, welcher die betheiligte Perſon als
Unterthan unterworfen iſt.
II. Auch auf die das Sachenrecht betreffenden Rechts-
geſchäfte kann jener Regel kein bedeutender Einfluß zuge-
ſchrieben werden, und zwar hier aus folgendem Grunde.
Es muß erinnert werden an einen, oben zu einem andern
Zweck bemerklich gemachten, durchgreifenden Unterſchied
unter den menſchlichen Handlungen (S. 212). Es giebt
Handlungen, die an ſich überall gleich möglich ſind, ſo
daß es nur von zufälligen Umſtänden abhängt, ob ſie hier
oder dort vorkommen. Dahin gehören die obligatoriſchen
Verträge, die Errichtung eines Teſtaments u. ſ. w. Es
giebt aber andere Handlungen, die ihrer Natur nach nur
an Einem Orte vorkommen können. Dahin gehören die
meiſten und wichtigſten in das Gebiet des Sachenrechts
einſchlagenden Handlungen. In demſelben iſt überall die
lex rei sitae herrſchend (§ 366), und auch die einflußreichen
Handlungen ſtehen darin meiſt in ſo naher Beziehung zu
der Sache ſelbſt, daß ſie nur da, wo ſich die Sache eben
befindet, gedacht werden können. Dahin gehört vor Allem
die Tradition; eben ſo aber auch eine Reihe blos förmlicher
Handlungen, wie die gerichtliche Auflaſſung, die Eintragung
in Hypothekenbücher u. ſ. w., die nur bei einer an einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/374>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.