zu bestimmen und zu begränzen. Dieser Grund unterschei- det sich von dem vorhergehenden (der Nationalität) durch seine weniger persönliche Natur. Er ist an etwas äußer- lich Erkennbares, die sichtbare Landgränze, gebunden, und der Einfluß menschlicher Willkür in der Anwendung dieses Grundes ist ausgedehnter und unmittelbarer, als bei der Volksabstammung, bei welcher dieser Einfluß mehr die Na- tur einer bloßen Ausnahme an sich trägt.
Dieser zweite Grund der Rechtsgemeinschaft hat den ersten (die Nationalität) im Laufe der Zeit, bei fortschrei- tender Ausbildung, mehr und mehr verdrängt. Darauf hat vor Allem eingewirkt der vielseitigere, lebendigere Verkehr der Völker unter einander, durch welchen die schrofferen Gegensätze der Nationalitäten verändert werden mußten. Besonders aber darf nicht verkannt werden der Einfluß des Christenthums, welches als gemeinsames Band des geistigen Lebens die verschiedensten Völker umschlingend, die eigen- thümlichen Unterschiede derselben mehr in den Hintergrund treten ließ.
Gehen wir nun aus von diesem zweiten Grunde der Rechtsgemeinschaft, so bezieht sich die Collision, die uns hier überall vor Augen stehen muß, auf die örtliche Verschiedenheit der Rechte, und unsere Aufgabe läßt sich für alle eintretende Collisionsfälle nunmehr in folgende Frage fassen:
VIII. 2
§. 346. Abſtammung und Landgebiet.
zu beſtimmen und zu begränzen. Dieſer Grund unterſchei- det ſich von dem vorhergehenden (der Nationalität) durch ſeine weniger perſönliche Natur. Er iſt an etwas äußer- lich Erkennbares, die ſichtbare Landgränze, gebunden, und der Einfluß menſchlicher Willkür in der Anwendung dieſes Grundes iſt ausgedehnter und unmittelbarer, als bei der Volksabſtammung, bei welcher dieſer Einfluß mehr die Na- tur einer bloßen Ausnahme an ſich trägt.
Dieſer zweite Grund der Rechtsgemeinſchaft hat den erſten (die Nationalität) im Laufe der Zeit, bei fortſchrei- tender Ausbildung, mehr und mehr verdrängt. Darauf hat vor Allem eingewirkt der vielſeitigere, lebendigere Verkehr der Völker unter einander, durch welchen die ſchrofferen Gegenſätze der Nationalitäten verändert werden mußten. Beſonders aber darf nicht verkannt werden der Einfluß des Chriſtenthums, welches als gemeinſames Band des geiſtigen Lebens die verſchiedenſten Völker umſchlingend, die eigen- thümlichen Unterſchiede derſelben mehr in den Hintergrund treten ließ.
Gehen wir nun aus von dieſem zweiten Grunde der Rechtsgemeinſchaft, ſo bezieht ſich die Colliſion, die uns hier überall vor Augen ſtehen muß, auf die örtliche Verſchiedenheit der Rechte, und unſere Aufgabe läßt ſich für alle eintretende Colliſionsfälle nunmehr in folgende Frage faſſen:
VIII. 2
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§. 346. Abſtammung und Landgebiet.
zu beſtimmen und zu begränzen. Dieſer Grund unterſchei-
det ſich von dem vorhergehenden (der Nationalität) durch
ſeine weniger perſönliche Natur. Er iſt an etwas äußer-
lich Erkennbares, die ſichtbare Landgränze, gebunden, und
der Einfluß menſchlicher Willkür in der Anwendung dieſes
Grundes iſt ausgedehnter und unmittelbarer, als bei der
Volksabſtammung, bei welcher dieſer Einfluß mehr die Na-
tur einer bloßen Ausnahme an ſich trägt.
Dieſer zweite Grund der Rechtsgemeinſchaft hat den
erſten (die Nationalität) im Laufe der Zeit, bei fortſchrei-
tender Ausbildung, mehr und mehr verdrängt. Darauf hat
vor Allem eingewirkt der vielſeitigere, lebendigere Verkehr
der Völker unter einander, durch welchen die ſchrofferen
Gegenſätze der Nationalitäten verändert werden mußten.
Beſonders aber darf nicht verkannt werden der Einfluß des
Chriſtenthums, welches als gemeinſames Band des geiſtigen
Lebens die verſchiedenſten Völker umſchlingend, die eigen-
thümlichen Unterſchiede derſelben mehr in den Hintergrund
treten ließ.
Gehen wir nun aus von dieſem zweiten Grunde der
Rechtsgemeinſchaft, ſo bezieht ſich die Colliſion, die uns
hier überall vor Augen ſtehen muß, auf die örtliche
Verſchiedenheit der Rechte, und unſere Aufgabe läßt ſich
für alle eintretende Colliſionsfälle nunmehr in folgende
Frage faſſen:
VIII. 2
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Savigny, Friedrich Carl von: System des heutigen Römischen Rechts. Bd. 8. Berlin, 1849, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/savigny_system08_1849/39>, abgerufen am 21.11.2024.
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