Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.dem das Alterthum vielfach den auf einem andern Baume gewachsenen Schösslingen eine besondere Kraft zuschrieb, weil ein Gott sie dahin gepflanzt und getragen haben sollte, sie die Verkörperung dieses Gottes selbst waren. Der Pippala oder Acvattha mit den stets sich in die Erde herabsenkenden und zu neuen Stämmen aufwachsenden Zweigen gilt den Brahmanen als ein Bild der irdischen Welt (mundus arbor est), die zwar in dem höchsten Wesen wurzelt, aber ihre Richtung abwärts hat, in steter Unruhe und Bewegung ist, aber niemals zur ewig gleichen Ruhe gelangt. Erst den Buddhisten wurde der Baum zu einem im strengen Sinne heiligen. Unter diesem stets sich bewegenden Baume versenkt sich Buddha in die tiefste Betrachtung, das Bild des unaufhörlich wechselnden Lebens musste am stärksten den Gedanken auf das allein Ruhige und Bleibende hinlenken: unter diesem Baume gewinnt Buddha die höchste Stufe der Intelligenz, die Stufe eines Buddha. So wurde der Baum seinen Anhängern zu dem der Intelligenz (Boddhi), wurde ein heiliges Symbol und durfte bei ihren grossen Heiligthümern nicht fehlen. Die brahmanische Bedeutung des Baumes als das Bild des ewig kreisenden Weltlaufes (Sansara) scheint den Buddhisten entgangen zu sein.1) Auf den Münzen buddhistischer Herrscher erscheint öfters der heilige Feigenbaum, z. B. mit dreifacher Astverzweigung in einem aus vier kleinern zusammengesetzten Vierecke,2) ähnlich wie bei Maurern die Akazie auf Siegeln und auf Denkmünzen häufig gebraucht wird. Nach den Ausführungen von Lajard in seinem recherches sur le culte du cypres pyramidal ist die Cypresse in ganz Iran und selbst in China, in Babylonien und Assyrien, Phönicien, Arabien, Aegypten und in ganz Kleinasien, in Griechenland, Rom und im ganzen römischen Reiche zunächst das Symbol des Lebens, und daher allen zeugenden Göttern und Göttinnen beigelegt, - sodann auch Symbol der Unsterblichkeit, des ewigen Lebens und desshalb auf Gräbern und Grabdenkmalen überall angewandt, gerade wie dieses 1) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S.
260. 2) Lassen, a. a. O., II. S. 826 vergl. mit 920, S. 924, Anm. 4 und S. 928, Anm. 1.
dem das Alterthum vielfach den auf einem andern Baume gewachsenen Schösslingen eine besondere Kraft zuschrieb, weil ein Gott sie dahin gepflanzt und getragen haben sollte, sie die Verkörperung dieses Gottes selbst waren. Der Pippala oder Acvattha mit den stets sich in die Erde herabsenkenden und zu neuen Stämmen aufwachsenden Zweigen gilt den Brahmanen als ein Bild der irdischen Welt (mundus arbor est), die zwar in dem höchsten Wesen wurzelt, aber ihre Richtung abwärts hat, in steter Unruhe und Bewegung ist, aber niemals zur ewig gleichen Ruhe gelangt. Erst den Buddhisten wurde der Baum zu einem im strengen Sinne heiligen. Unter diesem stets sich bewegenden Baume versenkt sich Buddha in die tiefste Betrachtung, das Bild des unaufhörlich wechselnden Lebens musste am stärksten den Gedanken auf das allein Ruhige und Bleibende hinlenken: unter diesem Baume gewinnt Buddha die höchste Stufe der Intelligenz, die Stufe eines Buddha. So wurde der Baum seinen Anhängern zu dem der Intelligenz (Boddhi), wurde ein heiliges Symbol und durfte bei ihren grossen Heiligthümern nicht fehlen. Die brahmanische Bedeutung des Baumes als das Bild des ewig kreisenden Weltlaufes (Sansâra) scheint den Buddhisten entgangen zu sein.1) Auf den Münzen buddhistischer Herrscher erscheint öfters der heilige Feigenbaum, z. B. mit dreifacher Astverzweigung in einem aus vier kleinern zusammengesetzten Vierecke,2) ähnlich wie bei Maurern die Akazie auf Siegeln und auf Denkmünzen häufig gebraucht wird. Nach den Ausführungen von Lajard in seinem recherches sur le culte du cyprès pyramidal ist die Cypresse in ganz Iran und selbst in China, in Babylonien und Assyrien, Phönicien, Arabien, Aegypten und in ganz Kleinasien, in Griechenland, Rom und im ganzen römischen Reiche zunächst das Symbol des Lebens, und daher allen zeugenden Göttern und Göttinnen beigelegt, – sodann auch Symbol der Unsterblichkeit, des ewigen Lebens und desshalb auf Gräbern und Grabdenkmalen überall angewandt, gerade wie dieses 1) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S.
260. 2) Lassen, a. a. O., II. S. 826 vergl. mit 920, S. 924, Anm. 4 und S. 928, Anm. 1.
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dem das Alterthum vielfach den auf einem andern Baume gewachsenen Schösslingen eine besondere Kraft zuschrieb, weil ein Gott sie dahin gepflanzt und getragen haben sollte, sie die Verkörperung dieses Gottes selbst waren.
Der Pippala oder Acvattha mit den stets sich in die Erde herabsenkenden und zu neuen Stämmen aufwachsenden Zweigen gilt den Brahmanen als ein Bild der irdischen Welt (mundus arbor est), die zwar in dem höchsten Wesen wurzelt, aber ihre Richtung abwärts hat, in steter Unruhe und Bewegung ist, aber niemals zur ewig gleichen Ruhe gelangt. Erst den Buddhisten wurde der Baum zu einem im strengen Sinne heiligen. Unter diesem stets sich bewegenden Baume versenkt sich Buddha in die tiefste Betrachtung, das Bild des unaufhörlich wechselnden Lebens musste am stärksten den Gedanken auf das allein Ruhige und Bleibende hinlenken: unter diesem Baume gewinnt Buddha die höchste Stufe der Intelligenz, die Stufe eines Buddha. So wurde der Baum seinen Anhängern zu dem der Intelligenz (Boddhi), wurde ein heiliges Symbol und durfte bei ihren grossen Heiligthümern nicht fehlen. Die brahmanische Bedeutung des Baumes als das Bild des ewig kreisenden Weltlaufes (Sansâra) scheint den Buddhisten entgangen zu sein. 1) Auf den Münzen buddhistischer Herrscher erscheint öfters der heilige Feigenbaum, z. B. mit dreifacher Astverzweigung in einem aus vier kleinern zusammengesetzten Vierecke, 2) ähnlich wie bei Maurern die Akazie auf Siegeln und auf Denkmünzen häufig gebraucht wird.
Nach den Ausführungen von Lajard in seinem recherches sur le culte du cyprès pyramidal ist die Cypresse in ganz Iran und selbst in China, in Babylonien und Assyrien, Phönicien, Arabien, Aegypten und in ganz Kleinasien, in Griechenland, Rom und im ganzen römischen Reiche zunächst das Symbol des Lebens, und daher allen zeugenden Göttern und Göttinnen beigelegt, – sodann auch Symbol der Unsterblichkeit, des ewigen Lebens und desshalb auf Gräbern und Grabdenkmalen überall angewandt, gerade wie dieses
1) Lassen, indische Alterthumskunde, I. S. 260.
2) Lassen, a. a. O., II. S. 826 vergl. mit 920, S. 924, Anm. 4 und S. 928, Anm. 1.
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