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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861.

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England zurückgewandert sein, woselbst dieselbe im Septemberhefte des Gentleman's Magazine vom J. 1753 zuerst abgedruckt wurde. Da die berührte Aeusserung Lessing's über das Freimaurerverhör seitdem sehr häufig von Vielen, welche keine Lessing's sind, gebraucht worden ist, um nicht blos die Falschheit dieser oder jener angeblich ächten Urkunde zu behaupten, sondern um überhaupt jeden Zusammenhang der Freimaurerei mit dem Alterthume zu leugnen, verweilen wir noch einen Augenblick dabei. Die betreffende Stelle lautet vollständig: Ernst: Und Locke?
Falk: Was für ein Locke?
Ernst: Der Philosoph - sein Schreiben an den Grafen von Pembrock, seine Anmerkungen über ein Verhör von Heinrich des Sechsten eigener Hand geschrieben?
Falk: Das muss ja wohl ein ganz neuer Fund sein; den kenne ich nicht - aber wieder Heinrich der Sechste? - Staub! und nichts als Staub!
Ernst: Nimmermehr.
Falk: Weisst du einen gelinderen Namen für Wortverdrehungen, für untergeschobene Urkunden?
Ernst: Und das hätten sie so lange vor den Augen der Welt ungerügt treiben dürfen?
Falk: Warum nicht? Der Klugen sind viel zu wenig als dass sie allen Geckereien, gleich bei ihrem Entstehen, widersprechen könnten. Genug, dass bei ihnen keine Verjährung stattfindet - freilich wäre es besser, wenn man vor dem Publikum ganz und gar keine Geckereien unternähme; denn gerade das Verächtlichste ist, dass sich Niemand die Mühe, nimmt, sich ihnen entgegenzustellen, wodurch sie mit dem Laufe der Zeit das Ansehen einer sehr ernsthaften, heiligen Sache gewinnen. Da heisst es dann über tausend Jahre: "würde man denn so in die Welt haben schreiben dürfen, wenn es nicht wahr gewesen wäre? Man hat diesen glaubwürdigen Männern damals nicht widersprochen, und ihr wollt ihnen jetzt widersprechen?"
Ernst: O Geschichte! O Geschichte! Was bist du?

Um nun dem Ernst zu beweisen, dass es denn doch noch eine Geschichte gebe, tischt Lessing eine sehr unge-

England zurückgewandert sein, woselbst dieselbe im Septemberhefte des Gentleman’s Magazine vom J. 1753 zuerst abgedruckt wurde. Da die berührte Aeusserung Lessing’s über das Freimaurerverhör seitdem sehr häufig von Vielen, welche keine Lessing’s sind, gebraucht worden ist, um nicht blos die Falschheit dieser oder jener angeblich ächten Urkunde zu behaupten, sondern um überhaupt jeden Zusammenhang der Freimaurerei mit dem Alterthume zu leugnen, verweilen wir noch einen Augenblick dabei. Die betreffende Stelle lautet vollständig: Ernst: Und Locke?
Falk: Was für ein Locke?
Ernst: Der Philosoph – sein Schreiben an den Grafen von Pembrock, seine Anmerkungen über ein Verhör von Heinrich des Sechsten eigener Hand geschrieben?
Falk: Das muss ja wohl ein ganz neuer Fund sein; den kenne ich nicht – aber wieder Heinrich der Sechste? – Staub! und nichts als Staub!
Ernst: Nimmermehr.
Falk: Weisst du einen gelinderen Namen für Wortverdrehungen, für untergeschobene Urkunden?
Ernst: Und das hätten sie so lange vor den Augen der Welt ungerügt treiben dürfen?
Falk: Warum nicht? Der Klugen sind viel zu wenig als dass sie allen Geckereien, gleich bei ihrem Entstehen, widersprechen könnten. Genug, dass bei ihnen keine Verjährung stattfindet – freilich wäre es besser, wenn man vor dem Publikum ganz und gar keine Geckereien unternähme; denn gerade das Verächtlichste ist, dass sich Niemand die Mühe, nimmt, sich ihnen entgegenzustellen, wodurch sie mit dem Laufe der Zeit das Ansehen einer sehr ernsthaften, heiligen Sache gewinnen. Da heisst es dann über tausend Jahre: „würde man denn so in die Welt haben schreiben dürfen, wenn es nicht wahr gewesen wäre? Man hat diesen glaubwürdigen Männern damals nicht widersprochen, und ihr wollt ihnen jetzt widersprechen?“
Ernst: O Geschichte! O Geschichte! Was bist du?

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[369/0385] England zurückgewandert sein, woselbst dieselbe im Septemberhefte des Gentleman’s Magazine vom J. 1753 zuerst abgedruckt wurde. Da die berührte Aeusserung Lessing’s über das Freimaurerverhör seitdem sehr häufig von Vielen, welche keine Lessing’s sind, gebraucht worden ist, um nicht blos die Falschheit dieser oder jener angeblich ächten Urkunde zu behaupten, sondern um überhaupt jeden Zusammenhang der Freimaurerei mit dem Alterthume zu leugnen, verweilen wir noch einen Augenblick dabei. Die betreffende Stelle lautet vollständig: Ernst: Und Locke? Falk: Was für ein Locke? Ernst: Der Philosoph – sein Schreiben an den Grafen von Pembrock, seine Anmerkungen über ein Verhör von Heinrich des Sechsten eigener Hand geschrieben? Falk: Das muss ja wohl ein ganz neuer Fund sein; den kenne ich nicht – aber wieder Heinrich der Sechste? – Staub! und nichts als Staub! Ernst: Nimmermehr. Falk: Weisst du einen gelinderen Namen für Wortverdrehungen, für untergeschobene Urkunden? Ernst: Und das hätten sie so lange vor den Augen der Welt ungerügt treiben dürfen? Falk: Warum nicht? Der Klugen sind viel zu wenig als dass sie allen Geckereien, gleich bei ihrem Entstehen, widersprechen könnten. Genug, dass bei ihnen keine Verjährung stattfindet – freilich wäre es besser, wenn man vor dem Publikum ganz und gar keine Geckereien unternähme; denn gerade das Verächtlichste ist, dass sich Niemand die Mühe, nimmt, sich ihnen entgegenzustellen, wodurch sie mit dem Laufe der Zeit das Ansehen einer sehr ernsthaften, heiligen Sache gewinnen. Da heisst es dann über tausend Jahre: „würde man denn so in die Welt haben schreiben dürfen, wenn es nicht wahr gewesen wäre? Man hat diesen glaubwürdigen Männern damals nicht widersprochen, und ihr wollt ihnen jetzt widersprechen?“ Ernst: O Geschichte! O Geschichte! Was bist du? Um nun dem Ernst zu beweisen, dass es denn doch noch eine Geschichte gebe, tischt Lessing eine sehr unge-

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 1. Schaffhausen, 1861, S. 369. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei01_1861/385>, abgerufen am 22.07.2024.