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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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gaben, um nach dem vermeintlichen Elysium zu Arles getragen zu werden,1) die Leichname entweder auch den Flüssen oder behielten wenigstens die Schiffsgestalt noch lange für den Sarg und das Grab bei. Der letzte Ausläufer der früher üblichen Schiffbestattung war aber z. B. bei den Baiern der noch im 16. und 17. Jahrhundert übliche Gebrauch, Selbstmörder in eine Tonne zu schlagen und dieselbe mit der Aufschrift "lass rynnen" den Fluthen zu übergeben. Auch war es in Alemannien und Lothringen ein damit verwandter Rechtsgebrauch, Verbrecher in steuer- und ruderlosen Schiffen den Wellen zu übergeben.2) Die Oberpfälzer Sage kennt auch das Todtenschiff und nach der Legende trägt ein Schiff ohne menschliche Leitung die Leiche des heiligen Heimram durch die Isar und Donau bis nach Regensburg im schnellsten Laufe. - Nach einer Sage bei Rochholz, Schweizersagen Nro. 9, kam die heilige Verena auf einem Stein von Solothurn die Aare herab nach Koblenz im Aargau gefahren und dieser Stein ist noch heute in die Kirchmauer zu Koblenz hinter einem Gitter eingemauert zu sehen, mit der Inschrift über dem Steine:

Auf diesem Stein hier auf der Aaren
Die heilig Verena ist gefahren,
Ohne Ruder, Schiff und Schalten,
Wie solches geglaubt die frommen Alten.

Diese Verenalegende, d. h. das Schiffen auf Steinen scheint aus dem Keltenthume entsprungen zu sein, denn nach den irischen Legenden sind auch die Heiligen Kiaran, Fechin und Aend auf Steinen sicher und wohlbehalten über den Ocean, über Seen und Flüssen wie auf Schiffen gesegelt.3) Die finnischen Ostjaeken begraben gleichfalls ihre Todten nicht in Särgen, sondern in Kähnen; selbst die Wiegen sind bei den Lappländern schiffähnliche ausgehöhlte Hölzer, welche nur ein Loch in der Mitte für den Kopf des Kindes haben. Das Schiff hat also seine Bedeutung bei der Geburt wie beim Tode; das durch dieses Schiff symboli-

1) Menzel, Odin, S. 179.
2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 264.
3) Eckermann, III. 2. S. 54.

gaben, um nach dem vermeintlichen Elysium zu Arles getragen zu werden,1) die Leichname entweder auch den Flüssen oder behielten wenigstens die Schiffsgestalt noch lange für den Sarg und das Grab bei. Der letzte Ausläufer der früher üblichen Schiffbestattung war aber z. B. bei den Baiern der noch im 16. und 17. Jahrhundert übliche Gebrauch, Selbstmörder in eine Tonne zu schlagen und dieselbe mit der Aufschrift „lass rynnen“ den Fluthen zu übergeben. Auch war es in Alemannien und Lothringen ein damit verwandter Rechtsgebrauch, Verbrecher in steuer- und ruderlosen Schiffen den Wellen zu übergeben.2) Die Oberpfälzer Sage kennt auch das Todtenschiff und nach der Legende trägt ein Schiff ohne menschliche Leitung die Leiche des heiligen Heimram durch die Isar und Donau bis nach Regensburg im schnellsten Laufe. - Nach einer Sage bei Rochholz, Schweizersagen Nro. 9, kam die heilige Verena auf einem Stein von Solothurn die Aare herab nach Koblenz im Aargau gefahren und dieser Stein ist noch heute in die Kirchmauer zu Koblenz hinter einem Gitter eingemauert zu sehen, mit der Inschrift über dem Steine:

Auf diesem Stein hier auf der Aaren
Die heilig Verena ist gefahren,
Ohne Ruder, Schiff und Schalten,
Wie solches geglaubt die frommen Alten.

Diese Verenalegende, d. h. das Schiffen auf Steinen scheint aus dem Keltenthume entsprungen zu sein, denn nach den irischen Legenden sind auch die Heiligen Kiaran, Fechin und Aend auf Steinen sicher und wohlbehalten über den Ocean, über Seen und Flüssen wie auf Schiffen gesegelt.3) Die finnischen Ostjaeken begraben gleichfalls ihre Todten nicht in Särgen, sondern in Kähnen; selbst die Wiegen sind bei den Lappländern schiffähnliche ausgehöhlte Hölzer, welche nur ein Loch in der Mitte für den Kopf des Kindes haben. Das Schiff hat also seine Bedeutung bei der Geburt wie beim Tode; das durch dieses Schiff symboli-

1) Menzel, Odin, S. 179.
2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 264.
3) Eckermann, III. 2. S. 54.
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[718/0738] gaben, um nach dem vermeintlichen Elysium zu Arles getragen zu werden, 1) die Leichname entweder auch den Flüssen oder behielten wenigstens die Schiffsgestalt noch lange für den Sarg und das Grab bei. Der letzte Ausläufer der früher üblichen Schiffbestattung war aber z. B. bei den Baiern der noch im 16. und 17. Jahrhundert übliche Gebrauch, Selbstmörder in eine Tonne zu schlagen und dieselbe mit der Aufschrift „lass rynnen“ den Fluthen zu übergeben. Auch war es in Alemannien und Lothringen ein damit verwandter Rechtsgebrauch, Verbrecher in steuer- und ruderlosen Schiffen den Wellen zu übergeben. 2) Die Oberpfälzer Sage kennt auch das Todtenschiff und nach der Legende trägt ein Schiff ohne menschliche Leitung die Leiche des heiligen Heimram durch die Isar und Donau bis nach Regensburg im schnellsten Laufe. - Nach einer Sage bei Rochholz, Schweizersagen Nro. 9, kam die heilige Verena auf einem Stein von Solothurn die Aare herab nach Koblenz im Aargau gefahren und dieser Stein ist noch heute in die Kirchmauer zu Koblenz hinter einem Gitter eingemauert zu sehen, mit der Inschrift über dem Steine: Auf diesem Stein hier auf der Aaren Die heilig Verena ist gefahren, Ohne Ruder, Schiff und Schalten, Wie solches geglaubt die frommen Alten. Diese Verenalegende, d. h. das Schiffen auf Steinen scheint aus dem Keltenthume entsprungen zu sein, denn nach den irischen Legenden sind auch die Heiligen Kiaran, Fechin und Aend auf Steinen sicher und wohlbehalten über den Ocean, über Seen und Flüssen wie auf Schiffen gesegelt. 3) Die finnischen Ostjaeken begraben gleichfalls ihre Todten nicht in Särgen, sondern in Kähnen; selbst die Wiegen sind bei den Lappländern schiffähnliche ausgehöhlte Hölzer, welche nur ein Loch in der Mitte für den Kopf des Kindes haben. Das Schiff hat also seine Bedeutung bei der Geburt wie beim Tode; das durch dieses Schiff symboli- 1) Menzel, Odin, S. 179. 2) Quitzmann, die heidnische Religion der Baiwaren, S. 264. 3) Eckermann, III. 2. S. 54.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/738>, abgerufen am 17.06.2024.