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Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861.

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ebenso liegen auf dem Heiligenberg bei Heidelberg unter den Klostertrümmern und in einem unterirdischen Gange zu Friedberg 12 Apostelbilder.1) - In Perigord werden am Allerseelentage neunerlei Speisen für die Seelen der Verstorbenen, welche zum Besuche erwartet werden, auf den Tisch gesetzt. In der Perchtnacht werden auch für die Bergmännchen, die gleichfalls Seelen der Verstorbenen sind, Tische mit Speisen gedeckt und dazu neun Messer aufgelegt.2) Das Aufstellen der Speisen für die Geister der Verstorbenen erscheint bei den Indern als ein den Vorfahren dargebrachtes Opfer, Vighasa genannt, und entsprang dem arischen Glauben, dass das himmlische Leben nur eine schönere und reichere Fortsetzung und Wiederholung des irdischen sei; nach diesem Glauben wurde der Verstorbene schon bei seiner Beerdigung oder Verbrennung von den Indern, Kelten, Germanen u. s. w. und noch mehr seine künftige bleibende Wohnung ausgestattet. Es ist dieser Glaube an sich nicht ganz verwerflich, indem der Anfang dort an das hier, d. h. an das hier abgeschiedene moralische und geistige Wesen anknüpfen muss, wie es auch in der Traumwelt geschieht. - In einer chinesischen und deutschen Sage erscheinen neun Quellen der Unterwelt und Liebrecht fragt,3) ob vielleicht auch ursprünglich die neun Quellen bei Athen, die früher Kalirrhoe und später Enneakrunos hiessen, unterweltliche gewesen seien? Eine Alp im Kanton Basellandschaft wird der Neunbrunnen genannt. Ein Neunkirchen, eine Neunkirche im Elsass hat daher seinen Namen und seine Entstehung, dass zu der Stelle, auf welcher die Kirche nachher erbauet wurde, ein fortgebrachtes Muttergottesbild neun Mal durch sich selbst zurückkehrte und dadurch zu erkennen gab, dass es auf dieser Stelle verehrt sein wolle. Die höchste Stelle des Kaiserstuhls im Badischen heisst Neunlinden, denn neun Töchter eines Ritters, welche wider das Verbot des Vaters die Bergspitze bestiegen hatten, wurden hier in neun Linden verwandelt.4) Ein Bach im

1) Wolf, hessische Sagen, Nro. 189 und S. 205.
2) Mannhardt, germanische Mythen, S. 725, Anm. 4.
3) Bei Benfey, Orient und Occident, I. S. 136.
4) Schnetzler, badisches Sagenbuch, I. S. 76.

ebenso liegen auf dem Heiligenberg bei Heidelberg unter den Klostertrümmern und in einem unterirdischen Gange zu Friedberg 12 Apostelbilder.1) – In Perigord werden am Allerseelentage neunerlei Speisen für die Seelen der Verstorbenen, welche zum Besuche erwartet werden, auf den Tisch gesetzt. In der Perchtnacht werden auch für die Bergmännchen, die gleichfalls Seelen der Verstorbenen sind, Tische mit Speisen gedeckt und dazu neun Messer aufgelegt.2) Das Aufstellen der Speisen für die Geister der Verstorbenen erscheint bei den Indern als ein den Vorfahren dargebrachtes Opfer, Vighasa genannt, und entsprang dem arischen Glauben, dass das himmlische Leben nur eine schönere und reichere Fortsetzung und Wiederholung des irdischen sei; nach diesem Glauben wurde der Verstorbene schon bei seiner Beerdigung oder Verbrennung von den Indern, Kelten, Germanen u. s. w. und noch mehr seine künftige bleibende Wohnung ausgestattet. Es ist dieser Glaube an sich nicht ganz verwerflich, indem der Anfang dort an das hier, d. h. an das hier abgeschiedene moralische und geistige Wesen anknüpfen muss, wie es auch in der Traumwelt geschieht. – In einer chinesischen und deutschen Sage erscheinen neun Quellen der Unterwelt und Liebrecht fragt,3) ob vielleicht auch ursprünglich die neun Quellen bei Athen, die früher Kalirrhoe und später Enneakrunos hiessen, unterweltliche gewesen seien? Eine Alp im Kanton Basellandschaft wird der Neunbrunnen genannt. Ein Neunkirchen, eine Neunkirche im Elsass hat daher seinen Namen und seine Entstehung, dass zu der Stelle, auf welcher die Kirche nachher erbauet wurde, ein fortgebrachtes Muttergottesbild neun Mal durch sich selbst zurückkehrte und dadurch zu erkennen gab, dass es auf dieser Stelle verehrt sein wolle. Die höchste Stelle des Kaiserstuhls im Badischen heisst Neunlinden, denn neun Töchter eines Ritters, welche wider das Verbot des Vaters die Bergspitze bestiegen hatten, wurden hier in neun Linden verwandelt.4) Ein Bach im

1) Wolf, hessische Sagen, Nro. 189 und S. 205.
2) Mannhardt, germanische Mythen, S. 725, Anm. 4.
3) Bei Benfey, Orient und Occident, I. S. 136.
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[758/0778] ebenso liegen auf dem Heiligenberg bei Heidelberg unter den Klostertrümmern und in einem unterirdischen Gange zu Friedberg 12 Apostelbilder. 1) – In Perigord werden am Allerseelentage neunerlei Speisen für die Seelen der Verstorbenen, welche zum Besuche erwartet werden, auf den Tisch gesetzt. In der Perchtnacht werden auch für die Bergmännchen, die gleichfalls Seelen der Verstorbenen sind, Tische mit Speisen gedeckt und dazu neun Messer aufgelegt. 2) Das Aufstellen der Speisen für die Geister der Verstorbenen erscheint bei den Indern als ein den Vorfahren dargebrachtes Opfer, Vighasa genannt, und entsprang dem arischen Glauben, dass das himmlische Leben nur eine schönere und reichere Fortsetzung und Wiederholung des irdischen sei; nach diesem Glauben wurde der Verstorbene schon bei seiner Beerdigung oder Verbrennung von den Indern, Kelten, Germanen u. s. w. und noch mehr seine künftige bleibende Wohnung ausgestattet. Es ist dieser Glaube an sich nicht ganz verwerflich, indem der Anfang dort an das hier, d. h. an das hier abgeschiedene moralische und geistige Wesen anknüpfen muss, wie es auch in der Traumwelt geschieht. – In einer chinesischen und deutschen Sage erscheinen neun Quellen der Unterwelt und Liebrecht fragt, 3) ob vielleicht auch ursprünglich die neun Quellen bei Athen, die früher Kalirrhoe und später Enneakrunos hiessen, unterweltliche gewesen seien? Eine Alp im Kanton Basellandschaft wird der Neunbrunnen genannt. Ein Neunkirchen, eine Neunkirche im Elsass hat daher seinen Namen und seine Entstehung, dass zu der Stelle, auf welcher die Kirche nachher erbauet wurde, ein fortgebrachtes Muttergottesbild neun Mal durch sich selbst zurückkehrte und dadurch zu erkennen gab, dass es auf dieser Stelle verehrt sein wolle. Die höchste Stelle des Kaiserstuhls im Badischen heisst Neunlinden, denn neun Töchter eines Ritters, welche wider das Verbot des Vaters die Bergspitze bestiegen hatten, wurden hier in neun Linden verwandelt. 4) Ein Bach im 1) Wolf, hessische Sagen, Nro. 189 und S. 205. 2) Mannhardt, germanische Mythen, S. 725, Anm. 4. 3) Bei Benfey, Orient und Occident, I. S. 136. 4) Schnetzler, badisches Sagenbuch, I. S. 76.

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Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 2. Schaffhausen, 1861, S. 758. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei02_1861/778>, abgerufen am 22.11.2024.