Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863.

Bild:
<< vorherige Seite

bilden die Gruppe des Laocoon, welche auch 3 Künstler aus Rhodos, nach Winckelmann's (VI. S. 101) Vermuthung der Vater Agesander mit seinen beiden Söhnen Polydorus und Athenodorus verfertigt haben sollen.1)

Dass auch die alten Tempelgeräthe und Tempelgefässe, namentlich die Opferschaale (patera) mit der Opferkanne (prochus), in die christlichen Kirchen Galliens und Englands übergingen,2) kann nicht weiter auffallen, ist aber dennoch bezeichnend für den innigen Zusammenhang der christlichen Kunst, vorzüglich mit der gallo-römischen. Besondere Beachtung verdienen in dieser Rücksicht auch die Taufkessel und Taufbecken. Die Thränen- oder Balsamflaschen in den Gräbern nahmen die ersten Christen gleichfalls aus dem Alterthume auf;3) ferner das Räuchergefäss (turibulum)4) mit den drei Schwingketten, - den (ägyptischen) Weihrauchlöffel5) u. s. w. Das Räuchergefäss erhielt im spätern gothischen Mittelalter die allesbeherrsehende architectonische Form. Ganz gleich verhält es sich mit der vermuthlich dem Isiskultus entstammenden Kirchenampel, hängend in 3 Ketten.6) - Unter den kirchlichen Gebräuchen, welche den heidnischen oder römischen besonders nachgebildet sein möchten, mag hier nur die Fusswaschung der katholischen Kirche während der heiligen Leidenswoehe zur Erinnerung der Fürsten und Grossen an Demuth berührt werden. So machte Augustus schon alle Jahr einen Tag den Bettler, indem er eine hohle Hand (cavam manum) hinreichte, um ein Almosen zu empfangen. An den Triumphwagen wurden die Geissel und die Schellen, mit welchen die Nemesis vorgestellt wird, angehängt, um die Sieger zu erinnern, dass ihre Herrlichkeit vergänglich sei, und dass die Rache der Götter, in Ueberhebung in ihrem Glücke über sie kommen könne.7)

1) Vergl. auch Brunn, I. S. 469 ff.
2) Semper, II. S. 25 ff.; Rich, unter Patera.
3) Semper, II. S. 33.
4) Semper, Il. S. 37 ff.; Rich, unter Turibulum.
5) Semper, II. S. 42.
6) Semper, Il. S. 57.
7) Winckelmann's Werke, VI. S. 352.

bilden die Gruppe des Laocoon, welche auch 3 Künstler aus Rhodos, nach Winckelmann’s (VI. S. 101) Vermuthung der Vater Agesander mit seinen beiden Söhnen Polydorus und Athenodorus verfertigt haben sollen.1)

Dass auch die alten Tempelgeräthe und Tempelgefässe, namentlich die Opferschaale (patera) mit der Opferkanne (prochus), in die christlichen Kirchen Galliens und Englands übergingen,2) kann nicht weiter auffallen, ist aber dennoch bezeichnend für den innigen Zusammenhang der christlichen Kunst, vorzüglich mit der gallo-römischen. Besondere Beachtung verdienen in dieser Rücksicht auch die Taufkessel und Taufbecken. Die Thränen- oder Balsamflaschen in den Gräbern nahmen die ersten Christen gleichfalls aus dem Alterthume auf;3) ferner das Räuchergefäss (turibulum)4) mit den drei Schwingketten, – den (ägyptischen) Weihrauchlöffel5) u. s. w. Das Räuchergefäss erhielt im spätern gothischen Mittelalter die allesbeherrsehende architectonische Form. Ganz gleich verhält es sich mit der vermuthlich dem Isiskultus entstammenden Kirchenampel, hängend in 3 Ketten.6) – Unter den kirchlichen Gebräuchen, welche den heidnischen oder römischen besonders nachgebildet sein möchten, mag hier nur die Fusswaschung der katholischen Kirche während der heiligen Leidenswoehe zur Erinnerung der Fürsten und Grossen an Demuth berührt werden. So machte Augustus schon alle Jahr einen Tag den Bettler, indem er eine hohle Hand (cavam manum) hinreichte, um ein Almosen zu empfangen. An den Triumphwagen wurden die Geissel und die Schellen, mit welchen die Nemesis vorgestellt wird, angehängt, um die Sieger zu erinnern, dass ihre Herrlichkeit vergänglich sei, und dass die Rache der Götter, in Ueberhebung in ihrem Glücke über sie kommen könne.7)

1) Vergl. auch Brunn, I. S. 469 ff.
2) Semper, II. S. 25 ff.; Rich, unter Patera.
3) Semper, II. S. 33.
4) Semper, Il. S. 37 ff.; Rich, unter Turibulum.
5) Semper, II. S. 42.
6) Semper, Il. S. 57.
7) Winckelmann’s Werke, VI. S. 352.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0379" n="359"/>
bilden die Gruppe des Laocoon, welche auch 3 Künstler aus Rhodos, nach Winckelmann&#x2019;s (VI. S. 101) Vermuthung der Vater Agesander mit seinen beiden Söhnen Polydorus und Athenodorus verfertigt haben sollen.<note place="foot" n="1)">Vergl. auch Brunn, I. S. 469 ff.<lb/></note></p>
        <p>
     Dass auch die alten Tempelgeräthe und Tempelgefässe, namentlich die Opferschaale (patera) mit der Opferkanne (prochus), in die christlichen Kirchen Galliens und Englands übergingen,<note place="foot" n="2)">Semper, II. S. 25 ff.; Rich, unter Patera.<lb/></note> kann nicht weiter auffallen, ist aber dennoch bezeichnend für den innigen Zusammenhang der christlichen Kunst, vorzüglich mit der gallo-römischen. Besondere Beachtung verdienen in dieser Rücksicht auch die Taufkessel und Taufbecken. Die Thränen- oder Balsamflaschen in den Gräbern nahmen die ersten Christen gleichfalls aus dem Alterthume auf;<note place="foot" n="3)">Semper, II. S. 33.<lb/></note> ferner das Räuchergefäss (turibulum)<note place="foot" n="4)">Semper, Il. S. 37 ff.; Rich, unter Turibulum.<lb/></note> mit den <hi rendition="#g">drei </hi>Schwingketten, &#x2013; den (ägyptischen) Weihrauchlöffel<note place="foot" n="5)">Semper, II. S. 42.<lb/></note> u. s. w. Das Räuchergefäss erhielt im spätern gothischen Mittelalter die allesbeherrsehende architectonische Form. Ganz gleich verhält es sich mit der vermuthlich dem Isiskultus entstammenden Kirchenampel, hängend in 3 Ketten.<note place="foot" n="6)">Semper, Il. S. 57.<lb/></note> &#x2013; Unter den kirchlichen Gebräuchen, welche den heidnischen oder römischen besonders nachgebildet sein möchten, mag hier nur die Fusswaschung der katholischen Kirche während der heiligen Leidenswoehe zur Erinnerung der Fürsten und Grossen an Demuth berührt werden. So machte Augustus schon alle Jahr einen Tag den Bettler, indem er eine hohle Hand (cavam manum) hinreichte, um ein Almosen zu empfangen. An den Triumphwagen wurden die Geissel und die Schellen, mit welchen die Nemesis vorgestellt wird, angehängt, um die Sieger zu erinnern, dass ihre Herrlichkeit vergänglich sei, und dass die Rache der Götter, in Ueberhebung in ihrem Glücke über sie kommen könne.<note place="foot" n="7)">Winckelmann&#x2019;s Werke, VI. S. 352.</note></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[359/0379] bilden die Gruppe des Laocoon, welche auch 3 Künstler aus Rhodos, nach Winckelmann’s (VI. S. 101) Vermuthung der Vater Agesander mit seinen beiden Söhnen Polydorus und Athenodorus verfertigt haben sollen. 1) Dass auch die alten Tempelgeräthe und Tempelgefässe, namentlich die Opferschaale (patera) mit der Opferkanne (prochus), in die christlichen Kirchen Galliens und Englands übergingen, 2) kann nicht weiter auffallen, ist aber dennoch bezeichnend für den innigen Zusammenhang der christlichen Kunst, vorzüglich mit der gallo-römischen. Besondere Beachtung verdienen in dieser Rücksicht auch die Taufkessel und Taufbecken. Die Thränen- oder Balsamflaschen in den Gräbern nahmen die ersten Christen gleichfalls aus dem Alterthume auf; 3) ferner das Räuchergefäss (turibulum) 4) mit den drei Schwingketten, – den (ägyptischen) Weihrauchlöffel 5) u. s. w. Das Räuchergefäss erhielt im spätern gothischen Mittelalter die allesbeherrsehende architectonische Form. Ganz gleich verhält es sich mit der vermuthlich dem Isiskultus entstammenden Kirchenampel, hängend in 3 Ketten. 6) – Unter den kirchlichen Gebräuchen, welche den heidnischen oder römischen besonders nachgebildet sein möchten, mag hier nur die Fusswaschung der katholischen Kirche während der heiligen Leidenswoehe zur Erinnerung der Fürsten und Grossen an Demuth berührt werden. So machte Augustus schon alle Jahr einen Tag den Bettler, indem er eine hohle Hand (cavam manum) hinreichte, um ein Almosen zu empfangen. An den Triumphwagen wurden die Geissel und die Schellen, mit welchen die Nemesis vorgestellt wird, angehängt, um die Sieger zu erinnern, dass ihre Herrlichkeit vergänglich sei, und dass die Rache der Götter, in Ueberhebung in ihrem Glücke über sie kommen könne. 7) 1) Vergl. auch Brunn, I. S. 469 ff. 2) Semper, II. S. 25 ff.; Rich, unter Patera. 3) Semper, II. S. 33. 4) Semper, Il. S. 37 ff.; Rich, unter Turibulum. 5) Semper, II. S. 42. 6) Semper, Il. S. 57. 7) Winckelmann’s Werke, VI. S. 352.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Internetloge: Bereitstellung der Texttranskription. (2013-08-21T13:44:32Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Frederike Neuber: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Maxi Grubert: Bearbeitung der digitalen Edition. (2013-08-21T13:44:32Z)
Bayerische Staatsbibliothek Digital: Bereitstellung der Bilddigitalisate. (2013-08-21T13:44:32Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung: aufgelöst
  • Zeilenumbrüche markiert: nein



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/379
Zitationshilfe: Schauberg, Joseph: Vergleichendes Handbuch der Symbolik der Freimaurerei, Bd. 3. Schaffhausen, 1863, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schauberg_freimaurerei03_1863/379>, abgerufen am 24.11.2024.