So schrieb ein Nürnberger Prophet an die Zürchische Regierung:
"Also ist meine freundliche Bitte, diese mir von Gott gesandte und dictirte Schriften als wahrhaftiges Wort Gottes anzunehmen. Es sind viele göttliche Wahrheiten und nie erhörte Wunderstimmen darin von den sieben Donnern, die St. Johannes seiner Zeit hörte, aber nicht schreiben durfte, dieweil die bestimmte Zeit des Antichrists nicht umhin und auch die Menschen die Finsterniß mehr liebten als das Licht. Dar- um mußte auch der Geist des Lichts, der da ge- kommen war, wieder weichen, und die von Jesu verkündigte Nacht hereinbrechen, darin nun bey 1500 Jahresstunden die Menschen unter der Last des Antichrists in der Jrre und Finsterniß gelebt, und sich dabey eingebildet haben, wenn sie den kirchlichen Gottesdienst fleißig beehrten, es könn- te ihnen nicht fehlen. Darum auf, Jhr meine Allerliebsten, wischt den Schlaf aus den Augen, wendet Euch, rettet Eure Seelen, und seht Euch nicht um nach den stummen Götzen, sondern nach dem Herrn, eurem Gott; fürchtet ihn, denn die Stunde seines Gerichts ist nun gekom- men! -- Verharre in Liebe und Demuth, Jo- hannes Dennhart, Bürger in Nürnberg, geschrie-
ben
woͤhnung an dies Zuſammenreimen ungereimter Dinge.
So ſchrieb ein Nuͤrnberger Prophet an die Zuͤrchiſche Regierung:
„Alſo iſt meine freundliche Bitte, dieſe mir von Gott geſandte und dictirte Schriften als wahrhaftiges Wort Gottes anzunehmen. Es ſind viele goͤttliche Wahrheiten und nie erhoͤrte Wunderſtimmen darin von den ſieben Donnern, die St. Johannes ſeiner Zeit hoͤrte, aber nicht ſchreiben durfte, dieweil die beſtimmte Zeit des Antichriſts nicht umhin und auch die Menſchen die Finſterniß mehr liebten als das Licht. Dar- um mußte auch der Geiſt des Lichts, der da ge- kommen war, wieder weichen, und die von Jeſu verkuͤndigte Nacht hereinbrechen, darin nun bey 1500 Jahresſtunden die Menſchen unter der Laſt des Antichriſts in der Jrre und Finſterniß gelebt, und ſich dabey eingebildet haben, wenn ſie den kirchlichen Gottesdienſt fleißig beehrten, es koͤnn- te ihnen nicht fehlen. Darum auf, Jhr meine Allerliebſten, wiſcht den Schlaf aus den Augen, wendet Euch, rettet Eure Seelen, und ſeht Euch nicht um nach den ſtummen Goͤtzen, ſondern nach dem Herrn, eurem Gott; fuͤrchtet ihn, denn die Stunde ſeines Gerichts iſt nun gekom- men! — Verharre in Liebe und Demuth, Jo- hannes Dennhart, Buͤrger in Nuͤrnberg, geſchrie-
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woͤhnung an dies Zuſammenreimen ungereimter
Dinge.
So ſchrieb ein Nuͤrnberger Prophet an die
Zuͤrchiſche Regierung:
„Alſo iſt meine freundliche Bitte, dieſe mir
von Gott geſandte und dictirte Schriften als
wahrhaftiges Wort Gottes anzunehmen. Es
ſind viele goͤttliche Wahrheiten und nie erhoͤrte
Wunderſtimmen darin von den ſieben Donnern,
die St. Johannes ſeiner Zeit hoͤrte, aber nicht
ſchreiben durfte, dieweil die beſtimmte Zeit des
Antichriſts nicht umhin und auch die Menſchen
die Finſterniß mehr liebten als das Licht. Dar-
um mußte auch der Geiſt des Lichts, der da ge-
kommen war, wieder weichen, und die von Jeſu
verkuͤndigte Nacht hereinbrechen, darin nun bey
1500 Jahresſtunden die Menſchen unter der Laſt
des Antichriſts in der Jrre und Finſterniß gelebt,
und ſich dabey eingebildet haben, wenn ſie den
kirchlichen Gottesdienſt fleißig beehrten, es koͤnn-
te ihnen nicht fehlen. Darum auf, Jhr meine
Allerliebſten, wiſcht den Schlaf aus den Augen,
wendet Euch, rettet Eure Seelen, und ſeht Euch
nicht um nach den ſtummen Goͤtzen, ſondern
nach dem Herrn, eurem Gott; fuͤrchtet ihn,
denn die Stunde ſeines Gerichts iſt nun gekom-
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 1. Halle, 1791, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche01_1791/276>, abgerufen am 21.11.2024.
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