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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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von ihm bezaubert worden, ja sogar der, der
ihn verspottet, hat nur das Vergnügen haben
wollen, mit ihm zu scherzen*). Hat er einmal

das
*) Das sicherste Mittel, einen Eingebildeten völlig zu
blenden, ist, wenn man, um über seine Thorhei-
ten zu lachen, oder weil man mit ihm Undinge sieht,
seinen Einbildungen Glauben beymißt. Dadurch
überzeugt er sich von der Realität seiner Träume-
reyen endlich so fest, wie von seinem Daseyn, und
ist schwerlich wieder zu heilen. Auf einer Reise
sah ich in E. einen solchen bedaurenswerthen und
von Vielen bedauerten Menschen. Die Natur
und sein Verhältniß hatten ihm alles, was zur äu-
ßerlichen Beredsamkeit gehört, versagt, und doch
bildete er sich ein, ein vorzüglicher Declamateur zu
seyn. Er bekommt zufälligerweise Hölty's Gedich-
te, die er vorher nie gesehen hatte, in die Hände,
liest mehrere Gedichte, weil sie ihm neu waren, mit
Jnteresse, liest sie laut. Ohne zu ahnden, daß er
es für Ernst nehmen werde, wird ihm geäußert, er
schiene ein guter Declamateur zu seyn, wenigstens
viel Neigung für die Declamirkunst zu haben. Er,
der vielleicht bis diesen Augenblick nicht gewußt hat-
te, wozu er Neigung, noch weniger wozu er Ge-
schick hätte, und wohl etwas verlegen war, wie er
sich einmal nähren wollte, nahm diese Aeußerung
zu Herzen, und glaubte von Stund an, die Natur
habe ihn zum Declamateur berufen. Er declamirt
zuerst in kleinen Cirkeln, man lächelt über ihn, er
legt
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von ihm bezaubert worden, ja ſogar der, der
ihn verſpottet, hat nur das Vergnuͤgen haben
wollen, mit ihm zu ſcherzen*). Hat er einmal

das
*) Das ſicherſte Mittel, einen Eingebildeten voͤllig zu
blenden, iſt, wenn man, um uͤber ſeine Thorhei-
ten zu lachen, oder weil man mit ihm Undinge ſieht,
ſeinen Einbildungen Glauben beymißt. Dadurch
uͤberzeugt er ſich von der Realitaͤt ſeiner Traͤume-
reyen endlich ſo feſt, wie von ſeinem Daſeyn, und
iſt ſchwerlich wieder zu heilen. Auf einer Reiſe
ſah ich in E. einen ſolchen bedaurenswerthen und
von Vielen bedauerten Menſchen. Die Natur
und ſein Verhaͤltniß hatten ihm alles, was zur aͤu-
ßerlichen Beredſamkeit gehoͤrt, verſagt, und doch
bildete er ſich ein, ein vorzuͤglicher Declamateur zu
ſeyn. Er bekommt zufaͤlligerweiſe Hoͤlty's Gedich-
te, die er vorher nie geſehen hatte, in die Haͤnde,
lieſt mehrere Gedichte, weil ſie ihm neu waren, mit
Jntereſſe, lieſt ſie laut. Ohne zu ahnden, daß er
es fuͤr Ernſt nehmen werde, wird ihm geaͤußert, er
ſchiene ein guter Declamateur zu ſeyn, wenigſtens
viel Neigung fuͤr die Declamirkunſt zu haben. Er,
der vielleicht bis dieſen Augenblick nicht gewußt hat-
te, wozu er Neigung, noch weniger wozu er Ge-
ſchick haͤtte, und wohl etwas verlegen war, wie er
ſich einmal naͤhren wollte, nahm dieſe Aeußerung
zu Herzen, und glaubte von Stund an, die Natur
habe ihn zum Declamateur berufen. Er declamirt
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[407/0123] von ihm bezaubert worden, ja ſogar der, der ihn verſpottet, hat nur das Vergnuͤgen haben wollen, mit ihm zu ſcherzen *). Hat er einmal das *) Das ſicherſte Mittel, einen Eingebildeten voͤllig zu blenden, iſt, wenn man, um uͤber ſeine Thorhei- ten zu lachen, oder weil man mit ihm Undinge ſieht, ſeinen Einbildungen Glauben beymißt. Dadurch uͤberzeugt er ſich von der Realitaͤt ſeiner Traͤume- reyen endlich ſo feſt, wie von ſeinem Daſeyn, und iſt ſchwerlich wieder zu heilen. Auf einer Reiſe ſah ich in E. einen ſolchen bedaurenswerthen und von Vielen bedauerten Menſchen. Die Natur und ſein Verhaͤltniß hatten ihm alles, was zur aͤu- ßerlichen Beredſamkeit gehoͤrt, verſagt, und doch bildete er ſich ein, ein vorzuͤglicher Declamateur zu ſeyn. Er bekommt zufaͤlligerweiſe Hoͤlty's Gedich- te, die er vorher nie geſehen hatte, in die Haͤnde, lieſt mehrere Gedichte, weil ſie ihm neu waren, mit Jntereſſe, lieſt ſie laut. Ohne zu ahnden, daß er es fuͤr Ernſt nehmen werde, wird ihm geaͤußert, er ſchiene ein guter Declamateur zu ſeyn, wenigſtens viel Neigung fuͤr die Declamirkunſt zu haben. Er, der vielleicht bis dieſen Augenblick nicht gewußt hat- te, wozu er Neigung, noch weniger wozu er Ge- ſchick haͤtte, und wohl etwas verlegen war, wie er ſich einmal naͤhren wollte, nahm dieſe Aeußerung zu Herzen, und glaubte von Stund an, die Natur habe ihn zum Declamateur berufen. Er declamirt zuerſt in kleinen Cirkeln, man laͤchelt uͤber ihn, er legt Cc 4

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/123>, abgerufen am 24.11.2024.