Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.nen angenehmer, als ein Jahr, welches ihre seyn, sellschaft meine Verwunderung darüber zu erkennen. Ja, antwortete er mir, es ist wahr: er handelt nicht recht; aber sie können es ihm nicht verdenken, daß er aufgebracht ist; denn heute Mittag hat ein Marqueur sein Kleid mit Brühe begossen.! *) Herr Simon bittet in Moliers l'Avare den Harpa-
gon, einem jungen Manne eine Geldsumme zu bor- gen. Ja, fragt Harpagon, hat man bey ihm auch nichts zu risqniren? -- Als ihm Simon ver- sichert, daß er von sehr reicher Familie sey, und schon seine Mutter verloren, erwacht das Pflichtge- fühl nen angenehmer, als ein Jahr, welches ihre ſeyn, ſellſchaft meine Verwunderung daruͤber zu erkennen. Ja, antwortete er mir, es iſt wahr: er handelt nicht recht; aber ſie koͤnnen es ihm nicht verdenken, daß er aufgebracht iſt; denn heute Mittag hat ein Marqueur ſein Kleid mit Bruͤhe begoſſen.! *) Herr Simon bittet in Moliers l'Avare den Harpa-
gon, einem jungen Manne eine Geldſumme zu bor- gen. Ja, fragt Harpagon, hat man bey ihm auch nichts zu riſqniren? — Als ihm Simon ver- ſichert, daß er von ſehr reicher Familie ſey, und ſchon ſeine Mutter verloren, erwacht das Pflichtge- fuͤhl <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0194" n="478"/> nen angenehmer, als ein Jahr, welches ihre<lb/> Scheuren fuͤllt, und die Fruchtbarkeit ihres Vie-<lb/> hes. <hi rendition="#b">Die</hi> Freuden ſind ihnen willkommen, wel-<lb/> che nichts koſten; ſollen ſie ſelbſt Geld darauf<lb/> verwenden, ſo nimmt der Schmerz uͤber die Aus-<lb/> gabe ihren Freuden alles Angenehme. Taͤglich<lb/> ermahnen ſie Gatten und Kinder und Geſinde,<lb/> wirthſchaftlich und ſparſam zu ſeyn, damit ſie<lb/> nicht in der Zukunft darben muͤßten. Wer von<lb/> ihnen leihen will, erhaͤlt ſtatt des Geldes, Be-<lb/> weiſe ihres Unvermoͤgens, ihm zu dienen, und<lb/> hoͤrt Geſeufze und Klagen uͤber die magern Zei-<lb/> ten: nur, wenn er eine ganz ſichre Buͤrgſchaft<lb/> leiſten kann, uͤberwinden ſie ſich, ihm etwas zu<lb/> borgen, doch nicht ohne die Verſichrung, daß ſie<lb/> es nur aus beſondrer Freundſchaft gegen ihn und<lb/> chriſtlicher Liebe thaͤten<note xml:id="seg2pn_17_1" next="#seg2pn_17_2" place="foot" n="*)">Herr Simon bittet in <hi rendition="#aq">Moliers l'Avare</hi> den Harpa-<lb/> gon, einem jungen Manne eine Geldſumme zu bor-<lb/> gen. Ja, fragt Harpagon, hat man bey ihm<lb/> auch nichts zu riſqniren? — Als ihm Simon ver-<lb/> ſichert, daß er von ſehr reicher Familie ſey, und<lb/> ſchon ſeine Mutter verloren, erwacht das Pflichtge-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">fuͤhl</fw></note>. Jhr Schuldner zu<lb/> <fw place="bottom" type="catch">ſeyn,</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_16_2" prev="#seg2pn_16_1" place="foot" n="*)">ſellſchaft meine Verwunderung daruͤber zu erkennen.<lb/> Ja, antwortete er mir, es iſt wahr: er handelt<lb/> nicht recht; aber ſie koͤnnen es ihm nicht verdenken,<lb/> daß er aufgebracht iſt; denn heute Mittag hat ein<lb/> Marqueur ſein <hi rendition="#fr">Kleid</hi> mit <hi rendition="#fr">Bruͤhe begoſſen</hi>.!</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [478/0194]
nen angenehmer, als ein Jahr, welches ihre
Scheuren fuͤllt, und die Fruchtbarkeit ihres Vie-
hes. Die Freuden ſind ihnen willkommen, wel-
che nichts koſten; ſollen ſie ſelbſt Geld darauf
verwenden, ſo nimmt der Schmerz uͤber die Aus-
gabe ihren Freuden alles Angenehme. Taͤglich
ermahnen ſie Gatten und Kinder und Geſinde,
wirthſchaftlich und ſparſam zu ſeyn, damit ſie
nicht in der Zukunft darben muͤßten. Wer von
ihnen leihen will, erhaͤlt ſtatt des Geldes, Be-
weiſe ihres Unvermoͤgens, ihm zu dienen, und
hoͤrt Geſeufze und Klagen uͤber die magern Zei-
ten: nur, wenn er eine ganz ſichre Buͤrgſchaft
leiſten kann, uͤberwinden ſie ſich, ihm etwas zu
borgen, doch nicht ohne die Verſichrung, daß ſie
es nur aus beſondrer Freundſchaft gegen ihn und
chriſtlicher Liebe thaͤten *). Jhr Schuldner zu
ſeyn,
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*) Herr Simon bittet in Moliers l'Avare den Harpa-
gon, einem jungen Manne eine Geldſumme zu bor-
gen. Ja, fragt Harpagon, hat man bey ihm
auch nichts zu riſqniren? — Als ihm Simon ver-
ſichert, daß er von ſehr reicher Familie ſey, und
ſchon ſeine Mutter verloren, erwacht das Pflichtge-
fuͤhl
*) ſellſchaft meine Verwunderung daruͤber zu erkennen.
Ja, antwortete er mir, es iſt wahr: er handelt
nicht recht; aber ſie koͤnnen es ihm nicht verdenken,
daß er aufgebracht iſt; denn heute Mittag hat ein
Marqueur ſein Kleid mit Bruͤhe begoſſen.!
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