lingt. Weit entfernt ihm irgend etwas Angeneh- mes zu gönnen, nagt er vielmehr an der Exi- stenz des Gehaßten, und möchte sie gern zernagen. Das Wort, was er ausspricht, möchte er zerrei- ßen können, die Luft, die er einathmet, verpesten, den Boden, der ihn trägt, zum Abgrund machen. Alles, was mit dem Gehaßten, nahe oder fern, verbunden ist, muß den Wunsch des Hassers, den Wunsch, zu zerstören, empfinden. Hütet Euch ja, Euch als Freunde Jenes zu zeigen, sonst wird Euch bald der grimmvolle Blick Dieses ver- kündigen, daß auch Jhr vor seinem Haß zu zit- tern habt. --
Nicht Freund seyn, kann auch der Vernünf- tige; Widerwillen und Feindschaft hegen der Ver- ständige; aber hassen nur der thierisch-sinnliche Mensch.
Verzeihe es mir, Geist des so hoch gepriese- nen Cato, daß ich in deinem Haß gegen den gro- ßen Cäsar nicht den edlen, stoischen Mann, der auf dem graden Wege der Vernunft standhaft fort- geht, sondern einen Menschen mit roher Sinn- lichkeit und ungebildeter Phantasie sehe. Mag sich dein Haß hinter dem Schilde der Freyheits- liebe und des Patriotismus verbergen. Es wa- ren nicht diese Quellen, aus welchen er hervor- strömte; sondern unbändiger Stolz, der, wenn er sich auch republikanisch nennte, doch Stolz
und
lingt. Weit entfernt ihm irgend etwas Angeneh- mes zu goͤnnen, nagt er vielmehr an der Exi- ſtenz des Gehaßten, und moͤchte ſie gern zernagen. Das Wort, was er ausſpricht, moͤchte er zerrei- ßen koͤnnen, die Luft, die er einathmet, verpeſten, den Boden, der ihn traͤgt, zum Abgrund machen. Alles, was mit dem Gehaßten, nahe oder fern, verbunden iſt, muß den Wunſch des Haſſers, den Wunſch, zu zerſtoͤren, empfinden. Huͤtet Euch ja, Euch als Freunde Jenes zu zeigen, ſonſt wird Euch bald der grimmvolle Blick Dieſes ver- kuͤndigen, daß auch Jhr vor ſeinem Haß zu zit- tern habt. —
Nicht Freund ſeyn, kann auch der Vernuͤnf- tige; Widerwillen und Feindſchaft hegen der Ver- ſtaͤndige; aber haſſen nur der thieriſch-ſinnliche Menſch.
Verzeihe es mir, Geiſt des ſo hoch geprieſe- nen Cato, daß ich in deinem Haß gegen den gro- ßen Caͤſar nicht den edlen, ſtoiſchen Mann, der auf dem graden Wege der Vernunft ſtandhaft fort- geht, ſondern einen Menſchen mit roher Sinn- lichkeit und ungebildeter Phantaſie ſehe. Mag ſich dein Haß hinter dem Schilde der Freyheits- liebe und des Patriotismus verbergen. Es wa- ren nicht dieſe Quellen, aus welchen er hervor- ſtroͤmte; ſondern unbaͤndiger Stolz, der, wenn er ſich auch republikaniſch nennte, doch Stolz
und
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lingt. Weit entfernt ihm irgend etwas Angeneh-
mes zu goͤnnen, nagt er vielmehr an der Exi-
ſtenz des Gehaßten, und moͤchte ſie gern zernagen.
Das Wort, was er ausſpricht, moͤchte er zerrei-
ßen koͤnnen, die Luft, die er einathmet, verpeſten,
den Boden, der ihn traͤgt, zum Abgrund machen.
Alles, was mit dem Gehaßten, nahe oder fern,
verbunden iſt, muß den Wunſch des Haſſers,
den Wunſch, zu zerſtoͤren, empfinden. Huͤtet
Euch ja, Euch als Freunde Jenes zu zeigen, ſonſt
wird Euch bald der grimmvolle Blick Dieſes ver-
kuͤndigen, daß auch Jhr vor ſeinem Haß zu zit-
tern habt. —
Nicht Freund ſeyn, kann auch der Vernuͤnf-
tige; Widerwillen und Feindſchaft hegen der Ver-
ſtaͤndige; aber haſſen nur der thieriſch-ſinnliche
Menſch.
Verzeihe es mir, Geiſt des ſo hoch geprieſe-
nen Cato, daß ich in deinem Haß gegen den gro-
ßen Caͤſar nicht den edlen, ſtoiſchen Mann, der
auf dem graden Wege der Vernunft ſtandhaft fort-
geht, ſondern einen Menſchen mit roher Sinn-
lichkeit und ungebildeter Phantaſie ſehe. Mag
ſich dein Haß hinter dem Schilde der Freyheits-
liebe und des Patriotismus verbergen. Es wa-
ren nicht dieſe Quellen, aus welchen er hervor-
ſtroͤmte; ſondern unbaͤndiger Stolz, der, wenn
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 571. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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