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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.

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der wird seinen Zweck, die Herzen seiner Brüder
zu rühren, nimmer verfehlen. Aber wer selbst
nicht fühlt, was er spricht, trocken und kalt seine
Lehren herzählt, ohne sie mit dem Bedürfniß sei-
ner Leser oder Zuhörer in Verbindung zu bringen;
oder wer, nicht im Herzen, sondern nur in der
Phantasie empfindend, die Leerheit seiner Gefüh-
le, durch prunkvolle Declamationen verräth, der
kann nicht rühren. Wer zum Herzen reden will,
muß vom Herzen reden. Man fühlt nicht in
Tropen und Figuren, welche die Phantasie erfun-
den hat, um ihren wesenlosen Kindern durch äu-
ßern Prunk zu geben, was ihm innerlich fehlt.

Jn fühlende Menschen regt sich die Rüh-
rung des moralischen Gefühls, wenn nach einem
begangnen Fehler sich der Gedanke an das dadurch
gegen sich und die Tugend begangne Verbrechen
und an seine Schwäche und Unvollkommenheit
dem Herzen vergegenwärtigt. Man möchte als-
dann die Unterlassung des Fehlers mit allem, was
man hat, erkaufen, und faßt mit voller Zustim-
mung seines Herzens den edlen Vorsatz, ihn durch
gute Thaten wieder gut zu machen.

Jünglinge und Mädchen! schreibt solche Mo-
mente mit starken, unauslöschlichen Zügen in das
Tagebuch eures Lebens; damit sie sich auch dann,
wenn sie verschwunden sind, noch mit ihren se-
gensreichen Folgen an euch verherrlichen.

Wie

der wird ſeinen Zweck, die Herzen ſeiner Bruͤder
zu ruͤhren, nimmer verfehlen. Aber wer ſelbſt
nicht fuͤhlt, was er ſpricht, trocken und kalt ſeine
Lehren herzaͤhlt, ohne ſie mit dem Beduͤrfniß ſei-
ner Leſer oder Zuhoͤrer in Verbindung zu bringen;
oder wer, nicht im Herzen, ſondern nur in der
Phantaſie empfindend, die Leerheit ſeiner Gefuͤh-
le, durch prunkvolle Declamationen verraͤth, der
kann nicht ruͤhren. Wer zum Herzen reden will,
muß vom Herzen reden. Man fuͤhlt nicht in
Tropen und Figuren, welche die Phantaſie erfun-
den hat, um ihren weſenloſen Kindern durch aͤu-
ßern Prunk zu geben, was ihm innerlich fehlt.

Jn fuͤhlende Menſchen regt ſich die Ruͤh-
rung des moraliſchen Gefuͤhls, wenn nach einem
begangnen Fehler ſich der Gedanke an das dadurch
gegen ſich und die Tugend begangne Verbrechen
und an ſeine Schwaͤche und Unvollkommenheit
dem Herzen vergegenwaͤrtigt. Man moͤchte als-
dann die Unterlaſſung des Fehlers mit allem, was
man hat, erkaufen, und faßt mit voller Zuſtim-
mung ſeines Herzens den edlen Vorſatz, ihn durch
gute Thaten wieder gut zu machen.

Juͤnglinge und Maͤdchen! ſchreibt ſolche Mo-
mente mit ſtarken, unausloͤſchlichen Zuͤgen in das
Tagebuch eures Lebens; damit ſie ſich auch dann,
wenn ſie verſchwunden ſind, noch mit ihren ſe-
gensreichen Folgen an euch verherrlichen.

Wie
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[589/0305] der wird ſeinen Zweck, die Herzen ſeiner Bruͤder zu ruͤhren, nimmer verfehlen. Aber wer ſelbſt nicht fuͤhlt, was er ſpricht, trocken und kalt ſeine Lehren herzaͤhlt, ohne ſie mit dem Beduͤrfniß ſei- ner Leſer oder Zuhoͤrer in Verbindung zu bringen; oder wer, nicht im Herzen, ſondern nur in der Phantaſie empfindend, die Leerheit ſeiner Gefuͤh- le, durch prunkvolle Declamationen verraͤth, der kann nicht ruͤhren. Wer zum Herzen reden will, muß vom Herzen reden. Man fuͤhlt nicht in Tropen und Figuren, welche die Phantaſie erfun- den hat, um ihren weſenloſen Kindern durch aͤu- ßern Prunk zu geben, was ihm innerlich fehlt. Jn fuͤhlende Menſchen regt ſich die Ruͤh- rung des moraliſchen Gefuͤhls, wenn nach einem begangnen Fehler ſich der Gedanke an das dadurch gegen ſich und die Tugend begangne Verbrechen und an ſeine Schwaͤche und Unvollkommenheit dem Herzen vergegenwaͤrtigt. Man moͤchte als- dann die Unterlaſſung des Fehlers mit allem, was man hat, erkaufen, und faßt mit voller Zuſtim- mung ſeines Herzens den edlen Vorſatz, ihn durch gute Thaten wieder gut zu machen. Juͤnglinge und Maͤdchen! ſchreibt ſolche Mo- mente mit ſtarken, unausloͤſchlichen Zuͤgen in das Tagebuch eures Lebens; damit ſie ſich auch dann, wenn ſie verſchwunden ſind, noch mit ihren ſe- gensreichen Folgen an euch verherrlichen. Wie

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Zitationshilfe: Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/305>, abgerufen am 22.11.2024.