und wenn ich von dem, den ich für einen Held hielt, erfahre, daß nur seine Prahlerey ihn da- zu gemacht habe; so verwundre ich mich nicht mehr weder über die Ankunft meines Freundes, noch über den Fall des Helden.
Der lernende Knabe bewundert seinen Lehrer wegen der Summe von Kenntnissen und des Gra- des von Einsicht, welche er in ihm wahrnimmt: so weit werde ich es niemals bringen können, sagt oder denkt er. Er tritt in die Periode des gereif- ten Verstandes und der vermehrten Erkenntniß, was ihm vorher unerreichbar schien, scheint itzt leicht erreicht werden zu können, und seine Be- wunderung hört auf. -- Die Gottheit wird immerfort ein Gegenstand der Bewunderung blei- ben; denn nimmer wird ein endliches Wesen den Unendlichen begreifen. --
Es giebt einen Affekt, der weder reine Ver- wunderung noch reine Bewunderung ist, aber von beyden etwas hat. Er entsteht, wenn etwas nicht blos wider, sondern auch über unsre Er- wartung ist; dasjenige indeß, welches unsre Er- wartung übersteigt, an sich selbst von uns recht gut begriffen werden kann, aber nur in diesem Verhältnisse nicht vermuthet wäre. Jch nenne diesen Mittel-Affekt Wunderung, weil man in dem angeführten Falle gewöhnlich sagt "ich
wun-
und wenn ich von dem, den ich fuͤr einen Held hielt, erfahre, daß nur ſeine Prahlerey ihn da- zu gemacht habe; ſo verwundre ich mich nicht mehr weder uͤber die Ankunft meines Freundes, noch uͤber den Fall des Helden.
Der lernende Knabe bewundert ſeinen Lehrer wegen der Summe von Kenntniſſen und des Gra- des von Einſicht, welche er in ihm wahrnimmt: ſo weit werde ich es niemals bringen koͤnnen, ſagt oder denkt er. Er tritt in die Periode des gereif- ten Verſtandes und der vermehrten Erkenntniß, was ihm vorher unerreichbar ſchien, ſcheint itzt leicht erreicht werden zu koͤnnen, und ſeine Be- wunderung hoͤrt auf. — Die Gottheit wird immerfort ein Gegenſtand der Bewunderung blei- ben; denn nimmer wird ein endliches Weſen den Unendlichen begreifen. —
Es giebt einen Affekt, der weder reine Ver- wunderung noch reine Bewunderung iſt, aber von beyden etwas hat. Er entſteht, wenn etwas nicht blos wider, ſondern auch uͤber unſre Er- wartung iſt; dasjenige indeß, welches unſre Er- wartung uͤberſteigt, an ſich ſelbſt von uns recht gut begriffen werden kann, aber nur in dieſem Verhaͤltniſſe nicht vermuthet waͤre. Jch nenne dieſen Mittel-Affekt Wunderung, weil man in dem angefuͤhrten Falle gewoͤhnlich ſagt „ich
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und wenn ich von dem, den ich fuͤr einen Held
hielt, erfahre, daß nur ſeine Prahlerey ihn da-
zu gemacht habe; ſo verwundre ich mich nicht
mehr weder uͤber die Ankunft meines Freundes,
noch uͤber den Fall des Helden.
Der lernende Knabe bewundert ſeinen Lehrer
wegen der Summe von Kenntniſſen und des Gra-
des von Einſicht, welche er in ihm wahrnimmt:
ſo weit werde ich es niemals bringen koͤnnen, ſagt
oder denkt er. Er tritt in die Periode des gereif-
ten Verſtandes und der vermehrten Erkenntniß,
was ihm vorher unerreichbar ſchien, ſcheint itzt
leicht erreicht werden zu koͤnnen, und ſeine Be-
wunderung hoͤrt auf. — Die Gottheit wird
immerfort ein Gegenſtand der Bewunderung blei-
ben; denn nimmer wird ein endliches Weſen den
Unendlichen begreifen. —
Es giebt einen Affekt, der weder reine Ver-
wunderung noch reine Bewunderung iſt, aber
von beyden etwas hat. Er entſteht, wenn etwas
nicht blos wider, ſondern auch uͤber unſre Er-
wartung iſt; dasjenige indeß, welches unſre Er-
wartung uͤberſteigt, an ſich ſelbſt von uns recht
gut begriffen werden kann, aber nur in dieſem
Verhaͤltniſſe nicht vermuthet waͤre. Jch nenne
dieſen Mittel-Affekt Wunderung, weil man
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Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/schaumann_psyche02_1791/310>, abgerufen am 22.11.2024.
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