Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.
Die gern Sinne gebraucht, und von Nachmachen, Nachthun, Nachäffen unterschieden. Nachahmen bedeutet im letztern Sinn sich das zu eigen zu machen suchen, was den innern Grund der äußern Erscheinungen in den Handlun- gen oder überhaupt der Natur andrer erhält, und steht in dieser Bedeutung vorzüglich dem Nachäffen entgegen, welches eine blinde Copirung des Aeußern an andern Dingen ausdrückt, welches eine Eigen- schaft der Affen ist. Der Nachahmer sucht den Geist nachzubilden, der Nachäffer den Buchstaben zu kopiren. -- Der Christ soll Christus Beyspiel nachahmen, d. h. solche Gesinnung und Denkungs- art, solche Tugend und Frömmigkeit sich zu ver- schaffen suchen, als sein großer Lehrer hatte. So ahmt man eines Schreibart nach, wenn man sich bemüht, die Gründe kennen zu lernen, durch welche jener sich diese Manier zu eigen machte, und hiernach seine Ausdrucksfähigkeit bildet: man äfft sie nach, wenn man die Phrasen und Ausdrü- cke des Andern nachlallt, und seine Wortstellungen, Perioden u. s. w. nachpinselt, wie im zweyten und dritten Jahrhundert die ignoranten Nachäffer des Herodots und Thucydides, und zu unsern Zeiten manche Klopstockianer und Lavaterianer. Jn Y 5
Die gern Sinne gebraucht, und von Nachmachen, Nachthun, Nachaͤffen unterſchieden. Nachahmen bedeutet im letztern Sinn ſich das zu eigen zu machen ſuchen, was den innern Grund der aͤußern Erſcheinungen in den Handlun- gen oder uͤberhaupt der Natur andrer erhaͤlt, und ſteht in dieſer Bedeutung vorzuͤglich dem Nachaͤffen entgegen, welches eine blinde Copirung des Aeußern an andern Dingen ausdruͤckt, welches eine Eigen- ſchaft der Affen iſt. Der Nachahmer ſucht den Geiſt nachzubilden, der Nachaͤffer den Buchſtaben zu kopiren. — Der Chriſt ſoll Chriſtus Beyſpiel nachahmen, d. h. ſolche Geſinnung und Denkungs- art, ſolche Tugend und Froͤmmigkeit ſich zu ver- ſchaffen ſuchen, als ſein großer Lehrer hatte. So ahmt man eines Schreibart nach, wenn man ſich bemuͤht, die Gruͤnde kennen zu lernen, durch welche jener ſich dieſe Manier zu eigen machte, und hiernach ſeine Ausdrucksfaͤhigkeit bildet: man aͤfft ſie nach, wenn man die Phraſen und Ausdruͤ- cke des Andern nachlallt, und ſeine Wortſtellungen, Perioden u. ſ. w. nachpinſelt, wie im zweyten und dritten Jahrhundert die ignoranten Nachaͤffer des Herodots und Thucydides, und zu unſern Zeiten manche Klopſtockianer und Lavaterianer. Jn Y 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0061" n="345"/><lb/> mer ſeine Kraͤfte anzuwenden und wirken zu koͤn-<lb/> nen, und folgt darum, wenn man das <hi rendition="#b">Wie?</hi><lb/> nicht ſelbſt beſtimmen kann, Andern.</p><lb/> <fw place="bottom" type="sig">Y 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> <p> <note next="#seg2pn_3_3" xml:id="seg2pn_3_2" prev="#seg2pn_3_1" place="foot" n="*)"> <p>gern Sinne gebraucht, und von <hi rendition="#fr">Nachmachen,<lb/> Nachthun, Nachaͤffen</hi> unterſchieden.</p><lb/> <p><hi rendition="#fr">Nachahmen</hi> bedeutet im letztern Sinn ſich<lb/> das zu eigen zu machen ſuchen, was den <hi rendition="#fr">innern</hi><lb/> Grund der aͤußern Erſcheinungen in den Handlun-<lb/> gen oder uͤberhaupt der Natur andrer erhaͤlt, und<lb/> ſteht in dieſer Bedeutung vorzuͤglich dem <hi rendition="#fr">Nachaͤffen</hi><lb/> entgegen, welches eine blinde Copirung des Aeußern<lb/> an andern Dingen ausdruͤckt, welches eine Eigen-<lb/> ſchaft der Affen iſt. Der <hi rendition="#fr">Nachahmer</hi> ſucht den<lb/><hi rendition="#fr">Geiſt</hi> nachzubilden, der <hi rendition="#fr">Nachaͤffer</hi> den <hi rendition="#fr">Buchſtaben</hi><lb/> zu kopiren. — Der Chriſt ſoll Chriſtus Beyſpiel<lb/> nachahmen, d. h. ſolche Geſinnung und Denkungs-<lb/> art, ſolche Tugend und Froͤmmigkeit ſich zu ver-<lb/> ſchaffen ſuchen, als ſein großer Lehrer hatte.</p><lb/> <p>So <hi rendition="#fr">ahmt</hi> man eines Schreibart nach, wenn<lb/> man ſich bemuͤht, die Gruͤnde kennen zu lernen,<lb/> durch welche jener ſich dieſe Manier zu eigen machte,<lb/> und hiernach ſeine Ausdrucksfaͤhigkeit bildet: man<lb/><hi rendition="#fr">aͤfft</hi> ſie nach, wenn man die Phraſen und Ausdruͤ-<lb/> cke des Andern nachlallt, und ſeine Wortſtellungen,<lb/> Perioden u. ſ. w. nachpinſelt, wie im zweyten und<lb/> dritten Jahrhundert die ignoranten Nachaͤffer des<lb/> Herodots und Thucydides, und zu unſern Zeiten<lb/> manche Klopſtockianer und Lavaterianer.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jn</fw> </note> </p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [345/0061]
mer ſeine Kraͤfte anzuwenden und wirken zu koͤn-
nen, und folgt darum, wenn man das Wie?
nicht ſelbſt beſtimmen kann, Andern.
Die
*)
*) gern Sinne gebraucht, und von Nachmachen,
Nachthun, Nachaͤffen unterſchieden.
Nachahmen bedeutet im letztern Sinn ſich
das zu eigen zu machen ſuchen, was den innern
Grund der aͤußern Erſcheinungen in den Handlun-
gen oder uͤberhaupt der Natur andrer erhaͤlt, und
ſteht in dieſer Bedeutung vorzuͤglich dem Nachaͤffen
entgegen, welches eine blinde Copirung des Aeußern
an andern Dingen ausdruͤckt, welches eine Eigen-
ſchaft der Affen iſt. Der Nachahmer ſucht den
Geiſt nachzubilden, der Nachaͤffer den Buchſtaben
zu kopiren. — Der Chriſt ſoll Chriſtus Beyſpiel
nachahmen, d. h. ſolche Geſinnung und Denkungs-
art, ſolche Tugend und Froͤmmigkeit ſich zu ver-
ſchaffen ſuchen, als ſein großer Lehrer hatte.
So ahmt man eines Schreibart nach, wenn
man ſich bemuͤht, die Gruͤnde kennen zu lernen,
durch welche jener ſich dieſe Manier zu eigen machte,
und hiernach ſeine Ausdrucksfaͤhigkeit bildet: man
aͤfft ſie nach, wenn man die Phraſen und Ausdruͤ-
cke des Andern nachlallt, und ſeine Wortſtellungen,
Perioden u. ſ. w. nachpinſelt, wie im zweyten und
dritten Jahrhundert die ignoranten Nachaͤffer des
Herodots und Thucydides, und zu unſern Zeiten
manche Klopſtockianer und Lavaterianer.
Jn
Y 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |