Schaumann, Johann Christian Gottlieb: Psyche oder Unterhaltungen über die Seele. Bd. 2. Halle, 1791.turam nihil contendamus: ea tamen conser- Quae contemplantes exp[e]ndere oporte- noscat meine Pflicht, die natürlichen Anlagen sei[nes] Gei- stes zu untersuchen, und sich zu einem ge[nauen] Rich- ter seiner Stärke und Schwäche, seiner guten und schlechten Seiten zu machen. Wir würden sonst in der wichtigsten Sache weniger Klugheit beweisen, als die Schauspieler bey [einer] minder wichtig[en.] Diese erw[ä]hlen sich nicht die Rollen, welche an und für sich die schönsten, sondern welche ihnen die an- gemessensten sind. Z 5
turam nihil contendamus: ea tamen conſer- Quae contemplantes exp[e]ndere oporte- noſcat meine Pflicht, die natuͤrlichen Anlagen ſei[nes] Gei- ſtes zu unterſuchen, und ſich zu einem ge[nauen] Rich- ter ſeiner Staͤrke und Schwaͤche, ſeiner guten und ſchlechten Seiten zu machen. Wir wuͤrden ſonſt in der wichtigſten Sache weniger Klugheit beweiſen, als die Schauſpieler bey [einer] minder wichtig[en.] Dieſe erw[aͤ]hlen ſich nicht die Rollen, welche an und fuͤr ſich die ſchoͤnſten, ſondern welche ihnen die an- gemeſſenſten ſind. Z 5
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turam nihil contendamus: ea tamen conſer-
vata, propriam naturam ſequamur: ut, etiam
ſi ſint alia graviora atque meliora, tamen nos
ſtudia noſtra noſtrae naturae regula metiamur.
Neque enim attinet repugnare naturae, nec
quidquam ſequi, quod aſſequi nequeas —
nihil enim decet inuita, ut ajunt, Minerva,
id eſt, adverſante et repugnante natura. Om-
nino ſi quidquam eſt decorum, nihil eſt pro-
fecto magis, quam aequabilitas univerſae vi-
tae, tum ſingularum actionum: quam conſer-
vare non poſſis, ſi aliorum naturam imitans,
omittas tuam. —
Quae contemplantes expendere oporte-
bit, quid quisque habeat ſui: eaque modera-
ri, nec velle experiri, quam ſe aliena dece-
ant. Id enim maxime quemque decet, quod eſt
cujusque maxime ſuum. Suum igitur quisque
noſcat
*)
*) meine Pflicht, die natuͤrlichen Anlagen ſeines Gei-
ſtes zu unterſuchen, und ſich zu einem genauen Rich-
ter ſeiner Staͤrke und Schwaͤche, ſeiner guten und
ſchlechten Seiten zu machen. Wir wuͤrden ſonſt in
der wichtigſten Sache weniger Klugheit beweiſen,
als die Schauſpieler bey einer minder wichtigen.
Dieſe erwaͤhlen ſich nicht die Rollen, welche an und
fuͤr ſich die ſchoͤnſten, ſondern welche ihnen die an-
gemeſſenſten ſind.
Z 5
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