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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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Herzogin vor, da steht Alles drin geschrieben, wie man die in der
Luft zwingt, und die in der Erde, und die im Wasser und Feuer,
die lange Friderun hat's den Knechten heimlich erzählt, die Herzogin
hab' ihn verschrieben, daß das Herzogthum fester werde und größer,
und daß sie jung und schön bleibe und ewig zu leben komme ...

Ich will zum heiligen Mann gehen, sprach Audifax.

Sie werden dich schlagen, warnte Hadumoth.

Sie werden mich nicht schlagen, sagte er, ich weiß Etwas, das
biet ich ihm, wenn er mir den Zauber weist ...

Es war Abend worden. Die Kinder standen von ihrem Steinsitz
auf -- Ziegen und Gänse wurden zusammengerufen, wohlgeordnet
wie eine Heerschaar zogen sie den Burgweg hinauf und rückten in
ihren Ställen ein. --

Desselben Abends las Ekkehard der Herzogin den Schluß des ersten
Buchs der Aeneide, den Herr Spazzo Tags zuvor unterbrochen: wie die
Sidonierin Dido erstaunt bei des Helden Anblick ihn und die Seinen
unter ihr gastlich Dach einladet, und beifällig nickte Frau Hadwig zu
Dido's Worten:

Mich auch hat ein gleiches Geschick durch mancherlei Trübsal
Umgeschüttelt und endlich im Land hier ruhen geheißen;
Fremd nicht blieb ich dem Kummer und lernt Unglücklichen beisteh'n.

Jetzt sendet Aeneas den Achates zu den Schiffen, daß er's dem
Sohn Ascanius ansage, denn ganz auf Ascanius ruht die zärtliche
Sorge des Vaters. Frau Venus aber bewegt neue List im Busen,
in Didos Herz soll der Liebe Flamme entzündet werden, da entrückt
sie den Ascanius weit in den Hain Idalia und wandelt den Gott
der Liebe in Ascanius Gestalt, die Flügel legt er ab, an Schritt und
Gang ihm gleich, stellt er sich mit den Troern in Carthago's Königs-
burg und eilt zur Königin hin --

mit den Augen an ihm, mit der Seele
Haftet sie, oft auch im Schooß erwärmt ihn Dido und weiß nicht
Welch ein Gott ihr genaht, der Elenden! Er, sich erinnernd
Dein, acidalische Mutter, vertilgt das Sichäus Gedächtniß
Allgemach und mit lebender Glut zu gewinnen versucht er
Ihr längst kühleres Herz, und der Seel' entwöhnete Regung.

Herzogin vor, da ſteht Alles drin geſchrieben, wie man die in der
Luft zwingt, und die in der Erde, und die im Waſſer und Feuer,
die lange Friderun hat's den Knechten heimlich erzählt, die Herzogin
hab' ihn verſchrieben, daß das Herzogthum feſter werde und größer,
und daß ſie jung und ſchön bleibe und ewig zu leben komme ...

Ich will zum heiligen Mann gehen, ſprach Audifax.

Sie werden dich ſchlagen, warnte Hadumoth.

Sie werden mich nicht ſchlagen, ſagte er, ich weiß Etwas, das
biet ich ihm, wenn er mir den Zauber weist ...

Es war Abend worden. Die Kinder ſtanden von ihrem Steinſitz
auf — Ziegen und Gänſe wurden zuſammengerufen, wohlgeordnet
wie eine Heerſchaar zogen ſie den Burgweg hinauf und rückten in
ihren Ställen ein. —

Deſſelben Abends las Ekkehard der Herzogin den Schluß des erſten
Buchs der Aeneïde, den Herr Spazzo Tags zuvor unterbrochen: wie die
Sidonierin Dido erſtaunt bei des Helden Anblick ihn und die Seinen
unter ihr gaſtlich Dach einladet, und beifällig nickte Frau Hadwig zu
Dido's Worten:

Mich auch hat ein gleiches Geſchick durch mancherlei Trübſal
Umgeſchüttelt und endlich im Land hier ruhen geheißen;
Fremd nicht blieb ich dem Kummer und lernt Unglücklichen beiſteh'n.

Jetzt ſendet Aeneas den Achates zu den Schiffen, daß er's dem
Sohn Ascanius anſage, denn ganz auf Ascanius ruht die zärtliche
Sorge des Vaters. Frau Venus aber bewegt neue Liſt im Buſen,
in Didos Herz ſoll der Liebe Flamme entzündet werden, da entrückt
ſie den Ascanius weit in den Hain Idalia und wandelt den Gott
der Liebe in Ascanius Geſtalt, die Flügel legt er ab, an Schritt und
Gang ihm gleich, ſtellt er ſich mit den Troern in Carthago's Königs-
burg und eilt zur Königin hin —

mit den Augen an ihm, mit der Seele
Haftet ſie, oft auch im Schooß erwärmt ihn Dido und weiß nicht
Welch ein Gott ihr genaht, der Elenden! Er, ſich erinnernd
Dein, acidaliſche Mutter, vertilgt das Sichäus Gedächtniß
Allgemach und mit lebender Glut zu gewinnen verſucht er
Ihr längſt kühleres Herz, und der Seel' entwöhnete Regung.
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[93/0115] Herzogin vor, da ſteht Alles drin geſchrieben, wie man die in der Luft zwingt, und die in der Erde, und die im Waſſer und Feuer, die lange Friderun hat's den Knechten heimlich erzählt, die Herzogin hab' ihn verſchrieben, daß das Herzogthum feſter werde und größer, und daß ſie jung und ſchön bleibe und ewig zu leben komme ... Ich will zum heiligen Mann gehen, ſprach Audifax. Sie werden dich ſchlagen, warnte Hadumoth. Sie werden mich nicht ſchlagen, ſagte er, ich weiß Etwas, das biet ich ihm, wenn er mir den Zauber weist ... Es war Abend worden. Die Kinder ſtanden von ihrem Steinſitz auf — Ziegen und Gänſe wurden zuſammengerufen, wohlgeordnet wie eine Heerſchaar zogen ſie den Burgweg hinauf und rückten in ihren Ställen ein. — Deſſelben Abends las Ekkehard der Herzogin den Schluß des erſten Buchs der Aeneïde, den Herr Spazzo Tags zuvor unterbrochen: wie die Sidonierin Dido erſtaunt bei des Helden Anblick ihn und die Seinen unter ihr gaſtlich Dach einladet, und beifällig nickte Frau Hadwig zu Dido's Worten: Mich auch hat ein gleiches Geſchick durch mancherlei Trübſal Umgeſchüttelt und endlich im Land hier ruhen geheißen; Fremd nicht blieb ich dem Kummer und lernt Unglücklichen beiſteh'n. Jetzt ſendet Aeneas den Achates zu den Schiffen, daß er's dem Sohn Ascanius anſage, denn ganz auf Ascanius ruht die zärtliche Sorge des Vaters. Frau Venus aber bewegt neue Liſt im Buſen, in Didos Herz ſoll der Liebe Flamme entzündet werden, da entrückt ſie den Ascanius weit in den Hain Idalia und wandelt den Gott der Liebe in Ascanius Geſtalt, die Flügel legt er ab, an Schritt und Gang ihm gleich, ſtellt er ſich mit den Troern in Carthago's Königs- burg und eilt zur Königin hin — mit den Augen an ihm, mit der Seele Haftet ſie, oft auch im Schooß erwärmt ihn Dido und weiß nicht Welch ein Gott ihr genaht, der Elenden! Er, ſich erinnernd Dein, acidaliſche Mutter, vertilgt das Sichäus Gedächtniß Allgemach und mit lebender Glut zu gewinnen verſucht er Ihr längſt kühleres Herz, und der Seel' entwöhnete Regung.

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/115>, abgerufen am 24.11.2024.