daß man frühmorgens mit dem linken Fuß zuerst aus dem Bett ge- sprungen sei, was bestimmtem Naturgesetz zuwider.
Die Herzogin hatte heut ihren Tag. Sie wollte zum Fenster hinausschauen, da blies ihr ein feiner Luftzug den Nebel in's An- gesicht; das war ihr nicht recht. Sie hub einen zürnenden Husten an. Wenn Sonnenschein weit über's Land geglänzt hätte, sie würde auch an ihm Etwas ausgesetzt haben.
Der Kämmerer Spazzo war eingetreten und stand ehrerbietig am Eingang. Er warf einen wohlgefälligen Blick auf seine Gewandung, als wär' er sicher, seiner Gebieterin Augen heut auf sich zu lenken, denn er hatte ein gestickt Hemde von Glanzleinwand angelegt, und ein saphirfarbiges Oberkleid mit purpurnen Säumen, Alles nach neustem Schnitt; erst gestern war des Bischofs Schneider von Constanz damit herübergekommen.4)
Der Wolfshund dessen von Fridingen hatte zwei Lämmer der Burgheerde zerrissen, da gedachte Herr Spazzo pünktlichen Vortrag zu erstatten und Frau Hadwig's fürstliches Gutachten einzuholen, ob er in friedlichem Austrag sich mit dem Herrn des Schädigers vergleichen, oder am nächsten Gaugericht Wehrgeld und Buße einklagen solle.5) Er hub seinen Spruch an. Aber eh' und bevor er zu Ende gekommen, sah er, daß ihm die Fürstin ein Zeichen machte, dessen Bedeutung einem verständigen Mann nicht fremd bleiben konnte. Sie fuhr mit dem Zeigefinger der Rechten erst nach der Stirn, dann wies sie mit gleichem Finger nach der Thür. Da merkte der Käm- merer, daß es seinem eigenen Witz anheimgestellt sei, nicht nur den Bescheid wegen der Lämmer zu finden, sondern auch sich mit mög- lichster Beschleunigung zu entfernen. Er verbeugte sich und ging.
Mit heller Stimme rief Frau Hadwig jetzt: Praxedis! -- Und wie's nicht alsogleich die Stufen zum Saal heraufhuschte, rief sie noch einmal schärfer: Praxedis!
Es dauerte nicht lange, so schwebte die Gerufene in's Closet herein.
Praxedis war der Herzogin in Schwaben Kammerfrau, von grie- chischer Nation, ein lebend Angedenken, daß einst des byzantiner Kaisers Basilius Sohn um Hadwig's Hand geworben.6) Der hatte das des Gesangs und weiblicher Kunstfertigkeit erfahrene Kind sammt vielen Kleinodien und Schätzen der deutschen Herzogstochter geschenkt und als
daß man frühmorgens mit dem linken Fuß zuerſt aus dem Bett ge- ſprungen ſei, was beſtimmtem Naturgeſetz zuwider.
Die Herzogin hatte heut ihren Tag. Sie wollte zum Fenſter hinausſchauen, da blies ihr ein feiner Luftzug den Nebel in's An- geſicht; das war ihr nicht recht. Sie hub einen zürnenden Huſten an. Wenn Sonnenſchein weit über's Land geglänzt hätte, ſie würde auch an ihm Etwas ausgeſetzt haben.
Der Kämmerer Spazzo war eingetreten und ſtand ehrerbietig am Eingang. Er warf einen wohlgefälligen Blick auf ſeine Gewandung, als wär' er ſicher, ſeiner Gebieterin Augen heut auf ſich zu lenken, denn er hatte ein geſtickt Hemde von Glanzleinwand angelegt, und ein ſaphirfarbiges Oberkleid mit purpurnen Säumen, Alles nach neuſtem Schnitt; erſt geſtern war des Biſchofs Schneider von Conſtanz damit herübergekommen.4)
Der Wolfshund deſſen von Fridingen hatte zwei Lämmer der Burgheerde zerriſſen, da gedachte Herr Spazzo pünktlichen Vortrag zu erſtatten und Frau Hadwig's fürſtliches Gutachten einzuholen, ob er in friedlichem Austrag ſich mit dem Herrn des Schädigers vergleichen, oder am nächſten Gaugericht Wehrgeld und Buße einklagen ſolle.5) Er hub ſeinen Spruch an. Aber eh' und bevor er zu Ende gekommen, ſah er, daß ihm die Fürſtin ein Zeichen machte, deſſen Bedeutung einem verſtändigen Mann nicht fremd bleiben konnte. Sie fuhr mit dem Zeigefinger der Rechten erſt nach der Stirn, dann wies ſie mit gleichem Finger nach der Thür. Da merkte der Käm- merer, daß es ſeinem eigenen Witz anheimgeſtellt ſei, nicht nur den Beſcheid wegen der Lämmer zu finden, ſondern auch ſich mit mög- lichſter Beſchleunigung zu entfernen. Er verbeugte ſich und ging.
Mit heller Stimme rief Frau Hadwig jetzt: Praxedis! — Und wie's nicht alſogleich die Stufen zum Saal heraufhuſchte, rief ſie noch einmal ſchärfer: Praxedis!
Es dauerte nicht lange, ſo ſchwebte die Gerufene in's Cloſet herein.
Praxedis war der Herzogin in Schwaben Kammerfrau, von grie- chiſcher Nation, ein lebend Angedenken, daß einſt des byzantiner Kaiſers Baſilius Sohn um Hadwig's Hand geworben.6) Der hatte das des Geſangs und weiblicher Kunſtfertigkeit erfahrene Kind ſammt vielen Kleinodien und Schätzen der deutſchen Herzogstochter geſchenkt und als
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[4/0026]
daß man frühmorgens mit dem linken Fuß zuerſt aus dem Bett ge-
ſprungen ſei, was beſtimmtem Naturgeſetz zuwider.
Die Herzogin hatte heut ihren Tag. Sie wollte zum Fenſter
hinausſchauen, da blies ihr ein feiner Luftzug den Nebel in's An-
geſicht; das war ihr nicht recht. Sie hub einen zürnenden Huſten an.
Wenn Sonnenſchein weit über's Land geglänzt hätte, ſie würde auch
an ihm Etwas ausgeſetzt haben.
Der Kämmerer Spazzo war eingetreten und ſtand ehrerbietig am
Eingang. Er warf einen wohlgefälligen Blick auf ſeine Gewandung,
als wär' er ſicher, ſeiner Gebieterin Augen heut auf ſich zu lenken,
denn er hatte ein geſtickt Hemde von Glanzleinwand angelegt, und ein
ſaphirfarbiges Oberkleid mit purpurnen Säumen, Alles nach neuſtem
Schnitt; erſt geſtern war des Biſchofs Schneider von Conſtanz damit
herübergekommen.
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Der Wolfshund deſſen von Fridingen hatte zwei Lämmer der
Burgheerde zerriſſen, da gedachte Herr Spazzo pünktlichen Vortrag zu
erſtatten und Frau Hadwig's fürſtliches Gutachten einzuholen, ob
er in friedlichem Austrag ſich mit dem Herrn des Schädigers
vergleichen, oder am nächſten Gaugericht Wehrgeld und Buße
einklagen ſolle.
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Er hub ſeinen Spruch an. Aber eh' und bevor
er zu Ende gekommen, ſah er, daß ihm die Fürſtin ein Zeichen machte,
deſſen Bedeutung einem verſtändigen Mann nicht fremd bleiben konnte.
Sie fuhr mit dem Zeigefinger der Rechten erſt nach der Stirn, dann
wies ſie mit gleichem Finger nach der Thür. Da merkte der Käm-
merer, daß es ſeinem eigenen Witz anheimgeſtellt ſei, nicht nur den
Beſcheid wegen der Lämmer zu finden, ſondern auch ſich mit mög-
lichſter Beſchleunigung zu entfernen. Er verbeugte ſich und ging.
Mit heller Stimme rief Frau Hadwig jetzt: Praxedis! — Und
wie's nicht alſogleich die Stufen zum Saal heraufhuſchte, rief ſie noch
einmal ſchärfer: Praxedis!
Es dauerte nicht lange, ſo ſchwebte die Gerufene in's Cloſet herein.
Praxedis war der Herzogin in Schwaben Kammerfrau, von grie-
chiſcher Nation, ein lebend Angedenken, daß einſt des byzantiner Kaiſers
Baſilius Sohn um Hadwig's Hand geworben.
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Der hatte das des
Geſangs und weiblicher Kunſtfertigkeit erfahrene Kind ſammt vielen
Kleinodien und Schätzen der deutſchen Herzogstochter geſchenkt und als
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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/26>, abgerufen am 21.11.2024.
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