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Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855.

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.. und es war eine Gewaltthat geschehen, fuhr Herr Spazzo unbe-
irrt fort. Da hub Weland ein Singen und Jodeln an, wie die
Waldschmiede es nimmer gehört, seit ihm die Sehnen zerschnitten
worden. Dann ließ er Schwerter und Schilde unvollendet und schmie-
dete Tag und Nacht und schmiedete zwei große Flügel, und war kaum
fertig, so kam Elberich mit Heeresmacht den Brenner herabgeritten.
Da band sich Weland die Flügel an und hing sein Schwert Mimung
um, und trat auf die Zinne, daß die Leute riefen: Sehet, der We-
land ist ein Vogel worden!

Er aber rief mit starker Stimme vom Thurm: Behüt' Euch Gott,
König Elberich! Ihr werdet des Schmiedes gedenken. Den Sohn hat
er erschlagen, die Tochter trägt ein Kind von ihm, Ade, ich laß sie
grüßen! rief's und seine ehernen Flügel hoben sich und rauschten
wie Sturmwind und er fuhr durch die Lüfte. Der König griff seinen
Bogen und alle Ritter spannten in grimmer Eil'; wie ein Heer flie-
gender Drachen schossen die Pfeile ihm nach, doch Weland hob die
Schwingen, kein Eisen traf ihn nicht, und flog heim nach Schonen
auf seines Vaters Schloß und ward nicht mehr gesehen. Und Elberich
hat seiner Tochter den Gruß nicht ausgerichtet. Sie aber genaß noch
in demselben Jahrgang eines Knaben, der hieß Wittich und ward ein
starker Held wie sein Vater.

Das ist die Mähr' von Weland Ende! 238)

Herr Spazzo lehnte sich zurück und that einen langen behaglichen
Athemzug. Ein zweitesmal werden sie mich in Ruhe lassen, dachte
er. Der Eindruck des Erzählten war verschieden. Die Herzogin sprach
sich lobend aus, des Schmiedes Rache muthete sie an, Praxedis schalt, es
sei eine rechte Grobschmiedsgeschichte, man sollte dem Kämmerer ver-
bieten sich noch vor Frauen sehen zu lassen. Ekkehard sprach: Ich
weiß nicht, mir ist als hätt' ich Aehnliches gehört, aber da hieß der
König Nidung und die Schmiedwerkstätte stand am Caucasus.

Da rief der Kämmerer zürnend: Wenn Euch der Caucasus vor-
nehmer ist wie Gloggensachsen, so mögt Ihr's dorthin verlegen; ich
weiß noch recht wohl, wie mir mein tiroler Freund den Ort genau
gewiesen.239) Ueber der Kammerthür war eine geknickte Rose von Erz
geschmiedet und auf dem Thurm ein eiserner Adlerflügel, und stand
eingegraben: hie flog der Schmied von dannen. Dann und wann

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.. und es war eine Gewaltthat geſchehen, fuhr Herr Spazzo unbe-
irrt fort. Da hub Weland ein Singen und Jodeln an, wie die
Waldſchmiede es nimmer gehört, ſeit ihm die Sehnen zerſchnitten
worden. Dann ließ er Schwerter und Schilde unvollendet und ſchmie-
dete Tag und Nacht und ſchmiedete zwei große Flügel, und war kaum
fertig, ſo kam Elberich mit Heeresmacht den Brenner herabgeritten.
Da band ſich Weland die Flügel an und hing ſein Schwert Mimung
um, und trat auf die Zinne, daß die Leute riefen: Sehet, der We-
land iſt ein Vogel worden!

Er aber rief mit ſtarker Stimme vom Thurm: Behüt' Euch Gott,
König Elberich! Ihr werdet des Schmiedes gedenken. Den Sohn hat
er erſchlagen, die Tochter trägt ein Kind von ihm, Ade, ich laß ſie
grüßen! rief's und ſeine ehernen Flügel hoben ſich und rauſchten
wie Sturmwind und er fuhr durch die Lüfte. Der König griff ſeinen
Bogen und alle Ritter ſpannten in grimmer Eil'; wie ein Heer flie-
gender Drachen ſchoſſen die Pfeile ihm nach, doch Weland hob die
Schwingen, kein Eiſen traf ihn nicht, und flog heim nach Schonen
auf ſeines Vaters Schloß und ward nicht mehr geſehen. Und Elberich
hat ſeiner Tochter den Gruß nicht ausgerichtet. Sie aber genaß noch
in demſelben Jahrgang eines Knaben, der hieß Wittich und ward ein
ſtarker Held wie ſein Vater.

Das iſt die Mähr' von Weland Ende! 238)

Herr Spazzo lehnte ſich zurück und that einen langen behaglichen
Athemzug. Ein zweitesmal werden ſie mich in Ruhe laſſen, dachte
er. Der Eindruck des Erzählten war verſchieden. Die Herzogin ſprach
ſich lobend aus, des Schmiedes Rache muthete ſie an, Praxedis ſchalt, es
ſei eine rechte Grobſchmiedsgeſchichte, man ſollte dem Kämmerer ver-
bieten ſich noch vor Frauen ſehen zu laſſen. Ekkehard ſprach: Ich
weiß nicht, mir iſt als hätt' ich Aehnliches gehört, aber da hieß der
König Nidung und die Schmiedwerkſtätte ſtand am Caucaſus.

Da rief der Kämmerer zürnend: Wenn Euch der Caucaſus vor-
nehmer iſt wie Gloggenſachſen, ſo mögt Ihr's dorthin verlegen; ich
weiß noch recht wohl, wie mir mein tiroler Freund den Ort genau
gewieſen.239) Ueber der Kammerthür war eine geknickte Roſe von Erz
geſchmiedet und auf dem Thurm ein eiſerner Adlerflügel, und ſtand
eingegraben: hie flog der Schmied von dannen. Dann und wann

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[291/0313] .. und es war eine Gewaltthat geſchehen, fuhr Herr Spazzo unbe- irrt fort. Da hub Weland ein Singen und Jodeln an, wie die Waldſchmiede es nimmer gehört, ſeit ihm die Sehnen zerſchnitten worden. Dann ließ er Schwerter und Schilde unvollendet und ſchmie- dete Tag und Nacht und ſchmiedete zwei große Flügel, und war kaum fertig, ſo kam Elberich mit Heeresmacht den Brenner herabgeritten. Da band ſich Weland die Flügel an und hing ſein Schwert Mimung um, und trat auf die Zinne, daß die Leute riefen: Sehet, der We- land iſt ein Vogel worden! Er aber rief mit ſtarker Stimme vom Thurm: Behüt' Euch Gott, König Elberich! Ihr werdet des Schmiedes gedenken. Den Sohn hat er erſchlagen, die Tochter trägt ein Kind von ihm, Ade, ich laß ſie grüßen! rief's und ſeine ehernen Flügel hoben ſich und rauſchten wie Sturmwind und er fuhr durch die Lüfte. Der König griff ſeinen Bogen und alle Ritter ſpannten in grimmer Eil'; wie ein Heer flie- gender Drachen ſchoſſen die Pfeile ihm nach, doch Weland hob die Schwingen, kein Eiſen traf ihn nicht, und flog heim nach Schonen auf ſeines Vaters Schloß und ward nicht mehr geſehen. Und Elberich hat ſeiner Tochter den Gruß nicht ausgerichtet. Sie aber genaß noch in demſelben Jahrgang eines Knaben, der hieß Wittich und ward ein ſtarker Held wie ſein Vater. Das iſt die Mähr' von Weland Ende! ²³⁸⁾ Herr Spazzo lehnte ſich zurück und that einen langen behaglichen Athemzug. Ein zweitesmal werden ſie mich in Ruhe laſſen, dachte er. Der Eindruck des Erzählten war verſchieden. Die Herzogin ſprach ſich lobend aus, des Schmiedes Rache muthete ſie an, Praxedis ſchalt, es ſei eine rechte Grobſchmiedsgeſchichte, man ſollte dem Kämmerer ver- bieten ſich noch vor Frauen ſehen zu laſſen. Ekkehard ſprach: Ich weiß nicht, mir iſt als hätt' ich Aehnliches gehört, aber da hieß der König Nidung und die Schmiedwerkſtätte ſtand am Caucaſus. Da rief der Kämmerer zürnend: Wenn Euch der Caucaſus vor- nehmer iſt wie Gloggenſachſen, ſo mögt Ihr's dorthin verlegen; ich weiß noch recht wohl, wie mir mein tiroler Freund den Ort genau gewieſen. ²³⁹⁾ Ueber der Kammerthür war eine geknickte Roſe von Erz geſchmiedet und auf dem Thurm ein eiſerner Adlerflügel, und ſtand eingegraben: hie flog der Schmied von dannen. Dann und wann 19*

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Ekkehard. Frankfurt (Main), 1855, S. 291. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_ekkehard_1855/313>, abgerufen am 22.11.2024.