Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

spräch besser gefiel, als der Herr Gemahl
bey seiner Anhänglichkeit an den König, der
sich mit ihm unterhaiten und ihm, wenn
ich nicht irre, auch eine goldne Dose ge-
schenkt hatte. Grenzenlose Eigenliebe hatte
ihn gegen alles Geschoß der Kritik fest ge-
macht, seine mit französischer Belesenheit
ausgespickte Unterhaltung war, seines lau-
ten Sprachorgans ungeachtet, nicht eindrin-
gend, und sein weyland gemachtes Aufsehen
schien blos aus dem litterarischen Unvermö-
gen seiner frühern Zeitgenossen entstanden
zu seyn. Sieht man nicht noch täglich un-
verständige Kunstrichterey Ehre austheilen,
wo sie nicht verdient ist? Solche Ehre war
ihm nun auch wiederfahren, und er suchte
sich so lange dabey zu erhalten, wie möglich,
ohne auf die Aussprüche kritischer Gerech-
tigkeit zu hören, die ihm sein ungerecht er-
worbenes Gut wieder abforderten, wobey
indessen doch oft ein säuberlicheres Verfahren
hätte Statt finden können, weil das Recht
zur Entkleidung, meines Erachtens, weder
eine Befugniß, noch die Nothwendigkeit des
Hautabziehens enthält. Gellert war nicht
einheimisch, sonst hätt' ich ihm gern etwas
vom Eindruck seiner Fabeln auf mich erzählt.

Dem

ſpraͤch beſſer gefiel, als der Herr Gemahl
bey ſeiner Anhaͤnglichkeit an den Koͤnig, der
ſich mit ihm unterhaiten und ihm, wenn
ich nicht irre, auch eine goldne Doſe ge-
ſchenkt hatte. Grenzenloſe Eigenliebe hatte
ihn gegen alles Geſchoß der Kritik feſt ge-
macht, ſeine mit franzoͤſiſcher Beleſenheit
ausgeſpickte Unterhaltung war, ſeines lau-
ten Sprachorgans ungeachtet, nicht eindrin-
gend, und ſein weyland gemachtes Aufſehen
ſchien blos aus dem litterariſchen Unvermoͤ-
gen ſeiner fruͤhern Zeitgenoſſen entſtanden
zu ſeyn. Sieht man nicht noch taͤglich un-
verſtaͤndige Kunſtrichterey Ehre austheilen,
wo ſie nicht verdient iſt? Solche Ehre war
ihm nun auch wiederfahren, und er ſuchte
ſich ſo lange dabey zu erhalten, wie moͤglich,
ohne auf die Ausſpruͤche kritiſcher Gerech-
tigkeit zu hoͤren, die ihm ſein ungerecht er-
worbenes Gut wieder abforderten, wobey
indeſſen doch oft ein ſaͤuberlicheres Verfahren
haͤtte Statt finden koͤnnen, weil das Recht
zur Entkleidung, meines Erachtens, weder
eine Befugniß, noch die Nothwendigkeit des
Hautabziehens enthaͤlt. Gellert war nicht
einheimiſch, ſonſt haͤtt’ ich ihm gern etwas
vom Eindruck ſeiner Fabeln auf mich erzaͤhlt.

Dem
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0113" n="96"/>
&#x017F;pra&#x0364;ch be&#x017F;&#x017F;er gefiel, als der Herr Gemahl<lb/>
bey &#x017F;einer Anha&#x0364;nglichkeit an den Ko&#x0364;nig, der<lb/>
&#x017F;ich mit ihm unterhaiten und ihm, wenn<lb/>
ich nicht irre, auch eine goldne Do&#x017F;e ge-<lb/>
&#x017F;chenkt hatte. Grenzenlo&#x017F;e Eigenliebe hatte<lb/>
ihn gegen alles Ge&#x017F;choß der Kritik fe&#x017F;t ge-<lb/>
macht, &#x017F;eine mit franzo&#x0364;&#x017F;i&#x017F;cher Bele&#x017F;enheit<lb/>
ausge&#x017F;pickte Unterhaltung war, &#x017F;eines lau-<lb/>
ten Sprachorgans ungeachtet, nicht eindrin-<lb/>
gend, und &#x017F;ein weyland gemachtes Auf&#x017F;ehen<lb/>
&#x017F;chien blos aus dem litterari&#x017F;chen Unvermo&#x0364;-<lb/>
gen &#x017F;einer fru&#x0364;hern Zeitgeno&#x017F;&#x017F;en ent&#x017F;tanden<lb/>
zu &#x017F;eyn. Sieht man nicht noch ta&#x0364;glich un-<lb/>
ver&#x017F;ta&#x0364;ndige Kun&#x017F;trichterey Ehre austheilen,<lb/>
wo &#x017F;ie nicht verdient i&#x017F;t? Solche Ehre war<lb/>
ihm nun auch wiederfahren, und er &#x017F;uchte<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;o lange dabey zu erhalten, wie mo&#x0364;glich,<lb/>
ohne auf die Aus&#x017F;pru&#x0364;che kriti&#x017F;cher Gerech-<lb/>
tigkeit zu ho&#x0364;ren, die ihm &#x017F;ein ungerecht er-<lb/>
worbenes Gut wieder abforderten, wobey<lb/>
inde&#x017F;&#x017F;en doch oft ein &#x017F;a&#x0364;uberlicheres Verfahren<lb/>
ha&#x0364;tte Statt finden ko&#x0364;nnen, weil das Recht<lb/>
zur Entkleidung, meines Erachtens, weder<lb/>
eine Befugniß, noch die Nothwendigkeit des<lb/>
Hautabziehens entha&#x0364;lt. Gellert war nicht<lb/>
einheimi&#x017F;ch, &#x017F;on&#x017F;t ha&#x0364;tt&#x2019; ich ihm gern etwas<lb/>
vom Eindruck &#x017F;einer Fabeln auf mich erza&#x0364;hlt.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Dem</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[96/0113] ſpraͤch beſſer gefiel, als der Herr Gemahl bey ſeiner Anhaͤnglichkeit an den Koͤnig, der ſich mit ihm unterhaiten und ihm, wenn ich nicht irre, auch eine goldne Doſe ge- ſchenkt hatte. Grenzenloſe Eigenliebe hatte ihn gegen alles Geſchoß der Kritik feſt ge- macht, ſeine mit franzoͤſiſcher Beleſenheit ausgeſpickte Unterhaltung war, ſeines lau- ten Sprachorgans ungeachtet, nicht eindrin- gend, und ſein weyland gemachtes Aufſehen ſchien blos aus dem litterariſchen Unvermoͤ- gen ſeiner fruͤhern Zeitgenoſſen entſtanden zu ſeyn. Sieht man nicht noch taͤglich un- verſtaͤndige Kunſtrichterey Ehre austheilen, wo ſie nicht verdient iſt? Solche Ehre war ihm nun auch wiederfahren, und er ſuchte ſich ſo lange dabey zu erhalten, wie moͤglich, ohne auf die Ausſpruͤche kritiſcher Gerech- tigkeit zu hoͤren, die ihm ſein ungerecht er- worbenes Gut wieder abforderten, wobey indeſſen doch oft ein ſaͤuberlicheres Verfahren haͤtte Statt finden koͤnnen, weil das Recht zur Entkleidung, meines Erachtens, weder eine Befugniß, noch die Nothwendigkeit des Hautabziehens enthaͤlt. Gellert war nicht einheimiſch, ſonſt haͤtt’ ich ihm gern etwas vom Eindruck ſeiner Fabeln auf mich erzaͤhlt. Dem

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/113
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/113>, abgerufen am 23.11.2024.