Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

gen, so wird im Frieden beynah mehr Un-
recht begangen, wie im Kriege, der keine
Prozeßordnungen oder Organisations-Jn-
struktionen componirt, durch welche die Pa-
piermacher und Buchdrucker beynah allein
wirklich gewinnen. Wäre im Frieden über-
all Friede, wer wollte ihn denn nicht dem
Kriege vorziehen, der freylich zwischen Groß
und Klein, Arm und Reich weniger Unter-
schied macht, wie der Friede, dem aber die-
ser hierin gleich zu werden suchen sollte.
Endlich war Friede, und da ich für das
Vaterland nicht gestorben war, so wünscht
ich von ganzem Herzen für mein Vaterland
möglichst nützlich, aber doch auch nicht trau-
rig zu leben.

Eh ich in die Garnison rücke, muß ich
noch einiges über mein Feldleben anführen.
Bey meiner innigen Liebe zur ländlichen
Natur ersetzten mir oft schöne Aussichten die
Beschwerlichkeiten des Standes. Jch war
in meinem kräftigsten Alter und durchaus
nicht weichlich. Versemachen war mir zur
andern Natur geworden, besonders beschäf-
tigte ich mich damit auf langen Märschen,
wenn gleich der Phöbus, der mir auf den
Kopf strahlte, wohl gewiß nicht der Musen-

gen, ſo wird im Frieden beynah mehr Un-
recht begangen, wie im Kriege, der keine
Prozeßordnungen oder Organiſations-Jn-
ſtruktionen componirt, durch welche die Pa-
piermacher und Buchdrucker beynah allein
wirklich gewinnen. Waͤre im Frieden uͤber-
all Friede, wer wollte ihn denn nicht dem
Kriege vorziehen, der freylich zwiſchen Groß
und Klein, Arm und Reich weniger Unter-
ſchied macht, wie der Friede, dem aber die-
ſer hierin gleich zu werden ſuchen ſollte.
Endlich war Friede, und da ich fuͤr das
Vaterland nicht geſtorben war, ſo wuͤnſcht
ich von ganzem Herzen fuͤr mein Vaterland
moͤglichſt nuͤtzlich, aber doch auch nicht trau-
rig zu leben.

Eh ich in die Garniſon ruͤcke, muß ich
noch einiges uͤber mein Feldleben anfuͤhren.
Bey meiner innigen Liebe zur laͤndlichen
Natur erſetzten mir oft ſchoͤne Ausſichten die
Beſchwerlichkeiten des Standes. Jch war
in meinem kraͤftigſten Alter und durchaus
nicht weichlich. Verſemachen war mir zur
andern Natur geworden, beſonders beſchaͤf-
tigte ich mich damit auf langen Maͤrſchen,
wenn gleich der Phoͤbus, der mir auf den
Kopf ſtrahlte, wohl gewiß nicht der Muſen-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0124" n="107"/>
gen, &#x017F;o wird im Frieden beynah mehr Un-<lb/>
recht begangen, wie im Kriege, der keine<lb/>
Prozeßordnungen oder Organi&#x017F;ations-Jn-<lb/>
&#x017F;truktionen componirt, durch welche die Pa-<lb/>
piermacher und Buchdrucker beynah allein<lb/>
wirklich gewinnen. Wa&#x0364;re im Frieden u&#x0364;ber-<lb/>
all Friede, wer wollte ihn denn nicht dem<lb/>
Kriege vorziehen, der freylich zwi&#x017F;chen Groß<lb/>
und Klein, Arm und Reich weniger Unter-<lb/>
&#x017F;chied macht, wie der Friede, dem aber die-<lb/>
&#x017F;er hierin gleich zu werden &#x017F;uchen &#x017F;ollte.<lb/>
Endlich war Friede, und da ich fu&#x0364;r das<lb/>
Vaterland nicht ge&#x017F;torben war, &#x017F;o wu&#x0364;n&#x017F;cht<lb/>
ich von ganzem Herzen fu&#x0364;r mein Vaterland<lb/>
mo&#x0364;glich&#x017F;t nu&#x0364;tzlich, aber doch auch nicht trau-<lb/>
rig zu leben.</p><lb/>
        <p>Eh ich in die Garni&#x017F;on ru&#x0364;cke, muß ich<lb/>
noch einiges u&#x0364;ber mein Feldleben anfu&#x0364;hren.<lb/>
Bey meiner innigen Liebe zur la&#x0364;ndlichen<lb/>
Natur er&#x017F;etzten mir oft &#x017F;cho&#x0364;ne Aus&#x017F;ichten die<lb/>
Be&#x017F;chwerlichkeiten des Standes. Jch war<lb/>
in meinem kra&#x0364;ftig&#x017F;ten Alter und durchaus<lb/>
nicht weichlich. Ver&#x017F;emachen war mir zur<lb/>
andern Natur geworden, be&#x017F;onders be&#x017F;cha&#x0364;f-<lb/>
tigte ich mich damit auf langen Ma&#x0364;r&#x017F;chen,<lb/>
wenn gleich der Pho&#x0364;bus, der mir auf den<lb/>
Kopf &#x017F;trahlte, wohl gewiß nicht der Mu&#x017F;en-<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[107/0124] gen, ſo wird im Frieden beynah mehr Un- recht begangen, wie im Kriege, der keine Prozeßordnungen oder Organiſations-Jn- ſtruktionen componirt, durch welche die Pa- piermacher und Buchdrucker beynah allein wirklich gewinnen. Waͤre im Frieden uͤber- all Friede, wer wollte ihn denn nicht dem Kriege vorziehen, der freylich zwiſchen Groß und Klein, Arm und Reich weniger Unter- ſchied macht, wie der Friede, dem aber die- ſer hierin gleich zu werden ſuchen ſollte. Endlich war Friede, und da ich fuͤr das Vaterland nicht geſtorben war, ſo wuͤnſcht ich von ganzem Herzen fuͤr mein Vaterland moͤglichſt nuͤtzlich, aber doch auch nicht trau- rig zu leben. Eh ich in die Garniſon ruͤcke, muß ich noch einiges uͤber mein Feldleben anfuͤhren. Bey meiner innigen Liebe zur laͤndlichen Natur erſetzten mir oft ſchoͤne Ausſichten die Beſchwerlichkeiten des Standes. Jch war in meinem kraͤftigſten Alter und durchaus nicht weichlich. Verſemachen war mir zur andern Natur geworden, beſonders beſchaͤf- tigte ich mich damit auf langen Maͤrſchen, wenn gleich der Phoͤbus, der mir auf den Kopf ſtrahlte, wohl gewiß nicht der Muſen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/124
Zitationshilfe: Scheffner, Johann George: Mein Leben, wie ich Johann George Scheffner es selbst beschrieben. Leipzig, 1823, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffner_leben_1823/124>, abgerufen am 19.05.2024.